Bruderdienst: Roman (German Edition)
einer Bank, sein Pass wirkte neu und echt, sein Führerschein ebenfalls, die Plastikkarte mit der Versicherungsnummer auch. Er war unverheiratet, hatte das Ticket über das Internet gebucht und wusste noch nicht genau, welche Gegenden der USA ihn am meisten reizten. Er ließ sich treiben und würde das in eventuellen Aussagen auch so bestätigen. Seine Ferien dauerten vierzehn Tage, und heute war der zweite Tag.
Für den Fall einer schnellen Flucht besaß er einen Satz weiterer Papiere auf den Namen Bukowski, Manfred, Heimatstadt Memphis, Tennessee.
Er trug ein weißes Hemd zu einem leichten hellgrauen Anzug und die klassischen hellbraunen Slipper, unauffällig und sehr teuer. Sein Gepäck bestand aus einer einzigen dunkelblauen Tasche, in der nicht sonderlich viel verstaut war. Einen leichten Trenchcoat hatte er sich über den Arm gelegt.
Er ließ sich vom Flughafen direkt in das Hotel Martha’s bringen, tauchte wie die gute Laune persönlich am Empfang auf und erklärte, er habe nicht gebucht, wolle aber ein großes Zimmer mit Blick aufs Meer. Wie lange er bleiben würde, wisse er noch nicht, aber er zahle bar und die ersten drei Tage im Voraus. Dann legte er kommentarlos hundert Dollar mehr hin als nötig. Er war auf der Stelle der beliebteste Gast des Hauses und ging leise pfeifend zu den Aufzügen. Sein Apartment lag im vierzehnten Stock.
Er rief den Roomservice an und orderte ein großes Steak, well done, dazu zwei Salzkartoffeln sowie ein halbes Pfund Spargel. Dann ging er duschen. Als das Essen gebracht wurde, saß er, nur mit einem Handtuch bekleidet, in einem Sessel und hatte die Füße auf die Fensterbank gelegt.
Die Frau, die den kleinen Servierwagen hereinrollte, war zwischen vierzig und fünfzig Jahre alt, ein wenig pummelig mit kräftigen Beinen und sagte: »Mein Name ist Edda.«
»Hallo, Edda«, begrüßte er sie strahlend und machte den Eindruck, als wolle er die ganze Welt umarmen. Er zahlte das Essen und legte noch zehn Dollar drauf. »Ich danke Ihnen sehr«, erklärte er etwas übertrieben.
Dann rief er seine Mutter an.
»Ich bin’s. Wie geht es dir?«
»Gut, mein Lieber, gut. Und dir?«
»Na ja, in San Fransisco muss es einem Schwulen einfach gutgehen.« Er lachte.
»Und was sollst du dort?«
»Ich soll etwas herausfinden, was schon eine Zeit lang zurückliegt. Routinekram. Wie wirkt das neue Medikament?«
»Ich merke noch keine Veränderung. Aber wahrscheinlich bin ich auch zu ungeduldig.«
»Trinkst du genug?«
»Ich trinke genug.«
»Und kein Fieber?«
»Nicht die Spur, Lieber. Solange du in den Staaten bist, kann ich ja nicht krank werden.«
»Gute Einstellung!«, lobte er. »Hast du auch alles, was du brauchst?«
»Alles«, antwortete sie einfach. »Und nun arbeite schön. Dann kommst du schneller heim, ich freue mich schon auf dich!«
Telefonieren mochte sie nicht, sie sagte immer: Das klingt so mechanisch, und die Gesichter fehlen mir. Er liebte seine Mutter sehr.
Nachdem er in aller Ruhe seine Mahlzeit genossen hatte, rief er erneut den Roomservice an. »Kann Edda mir noch ein Zitroneneis bringen?«
Als Edda kurz darauf gut gelaunt mit dem Zitroneneis vor seiner Tür stand, fragte er: »Kann man hier auf das Dach? Ich würde so gern von da oben fotografieren. Durch die Fenster zu fotografieren ist mir zu blöd. Und da kriege ich Spiegelungen rein.«
»Das wird sicher gehen«, sagte sie. »Ich besorge mal den Schlüssel. Einen Augenblick wird es aber dauern.«
Er hatte sich kein Drehbuch geschrieben, kein genaues Vorgehen geplant. Er wollte einfach zügig und zielsicher handeln, und er war ganz sicher: Wenn Cheng hier mithilfe der CIA einquartiert worden war, dann würde auch ein direkter Draht von hier zur CIA existieren, ganz kurz und sehr schnell heiß.
Er fand es nach wie vor idiotisch und gänzlich unglaubwürdig, dass niemand in Berlin einen so guten, persönlichen Draht zum amerikanischen Nachrichtendienst hatte, der es möglich machte, einfach anzurufen und zu fragen: Unter uns: Was ist damals mit Cheng passiert?
Edda war schon nach wenigen Minuten mit dem Schlüssel zurück. Also gingen sie fotografieren. Mit dem Lift fuhren sie bis in die sechzehnte Etage, dann folgte eine rohe, schmale Betontreppe, auf der es modrig feucht roch. Sie erreichten die Stahltür zum Dach. Edda schloss auf und sagte: »Bitte sehr, Herr Fotograf!«
»Warum setzt ihr hier kein Restaurant drauf?«, fragte er.
»Weil wir wahrscheinlich kein Geld haben«, antwortete sie. »Und
Weitere Kostenlose Bücher