Bruderdienst: Roman (German Edition)
Operation?«
»Übermorgen. Und wie geht es deiner Familie?«
»Nun ja, eigentlich nichts Besonderes. Wir leben halt so vor uns hin.«
Das klang wie eine enorme Untertreibung, aber Moshe klang immer nach enormer Untertreibung. Er kannte ihn jetzt schon dreißig Jahre, sie hatten viele Tiefschläge erlebt und nur gelegentlich Triumphe, und zumeist war das Leben unendlich viel Arbeit gewesen. Der Tod von Moshes zweiter Frau war Krause verborgen geblieben, ganze vier Jahre lang, obwohl sie mindestens einmal im Monat miteinander telefonierten.
»Also, kommst du her?«
»Ja«, sagte Moshe. »Es wäre vielleicht gut, wenn wir beide uns zusammen besaufen.« Das sagte er jedes Mal, und noch nie war es ihnen gelungen, es auch in die Tat umzusetzen.
»Das ist gut. Wir grillen auf der Terrasse. Das ist eine gute deutsch-israelische Idee. Aber da habe ich noch eine Frage. Habt ihr brauchbare Bilder von Nordkorea aus den letzten Wochen? Ich meine, die Amerikaner haben doch dauerhaft zwei Satelliten über dem Land stehen.«
»Wir haben Filme wie üblich, aber die sind streng ND, no distribution, mein Lieber. Haben uns unsere Beschützer gesagt.«
»Wir sind an den letzten fünf Wochen interessiert.«
»Das glaube ich dir gern.« Moshe lachte. »Da würde ich erhebliche Schwierigkeiten mit meiner Regierung kriegen, mit unseren Streitkräften, mit der US-Regierung, mit unseren Freunden dort, einfach mit jedem, verstehst du? Ja, natürlich verstehst du das. Also, ich rufe dich an, wenn ich da bin.«
»Was ist denn das schlimmste Szenario, das ihr vor Augen habt?«, fragte Krause sachlich.
»Ich habe hier einen Verrückten, der sich auf den Terror auf den Meeren versteift hat. Er sagt, es wäre denkbar, dass ein Kreuzfahrtschiff mit zweitausend Menschen an Bord und der Bombe stracks auf Tel Aviv zuhält und mit Volldampf so weit auf den Strand rauscht, wie es geht. Er sagt, wir haben dann drei Millionen Tote. Aber der Mann ist wirklich ein Spinner. Und in welche Richtung gehen deine Vorstellungen?«
»Es wird auf eine Erpressung hinauslaufen. Jemand wird sich melden und sagen: Tut dies und tut das, sonst macht es bumm!«
»Das könnte so ablaufen«, stimmte Moshe ihm zu. »Es wird natürlich die Zeit kommen, da werden einige Hassprediger so tun, als könnten sie die Bombe steuern, als hätten sie maßgeblichen Einfluss. Aber die wirklich Wichtigen werden nur lächeln, und das macht uns im Lauf der Zeit immer angreifbarer, weil wir dann keine Nerven mehr haben.«
»Wie ist denn deiner Meinung nach die Bombe aus dem Land gekommen?«
»Ganz einfach, wir denken, sie haben sie nach China hinein transportiert, um zunächst die Spur zu verwischen. Die Chinesen sind stinksauer und sie sagen klipp und klar, dass ihre Freundschaft zu Nordkorea beendet ist, wenn sie eine Bombe verkauft haben. Mein guter Freund Ho aus Peking sagte mir eben, sie haben dreitausend gute Leute drangesetzt, aber er ist gleichzeitig der Meinung, dass ihnen das nicht viel bringt. Der Spur mit der japanischen Küstenstadt traue ich nicht, sie ist zu offensichtlich und, gemessen an den Geldströmen, zu alt. Meine Fachleute hier sagen, dass wir derartige Spuren in der nächsten Zeit täglich präsentiert kriegen werden. Es kommt verdammt oft vor, dass die Strahlenmessgeräte leicht ausschlagen, ohne dass tatsächlich etwas vorliegt. Und wie seht ihr das?«
»Genauso«, bestätigte Krause seufzend. »Was nicht heißt, dass wir recht haben.«
»Irgendwelche an Personen gebundene Vermutungen?«, fragte Moshe.
»Bisher nichts, was halbwegs denkbar wäre. Was glaubt ihr, wie viel der Käufer gezahlt hat?«
»Wir denken an sechshundert Millionen bis eine Milliarde Euro«, antwortete der Israeli.
»Wir beide sind langweilig, wir haben keine neuen Ideen, wir denken kongruent, und bald wird uns niemand mehr zuhören. Alte Männer eben. Also gut, bring einfach Kopien der Filme mit, dann besorge ich die Kirmeswürste.«
Nachdem sie sich verabschiedet hatten, rief er erneut sein Sekretariat an und sagte: »Ich brauche einen Haufen Kirmeswürste. Das sind Bratwürste, die in Plastik verpackt sind und Sommertraum heißen oder Papis Wursttraum oder so. Sehen recht unappetitlich aus, wie fette Maden. Billiges Zeug. Nein, es reicht, wenn es morgen da ist.«
Thomas Dehner hieß jetzt Charles Cross, stammte aus Tulsa in Oklahoma und hatte eine der ersten Morgenmaschinen von Washington nach San Francisco gebucht. Von Beruf war er Controller im Management
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