Bruderherz
tun!«
»Schau mich an«, sagte er und beugte sich mit erhobenem Messer zu ihr herab.
»Hör auf, Orson!«, schrie ich, wobei mir das Herz bis zum Halse schlug. Während die Frau zu seinen Füßen kauerte und sich eine Pfütze unter ihr ausbreitete, blickte Orson zu mir herüber.
Denk nach. Denk nach. Denk nach. »Du kannst… sie doch nicht töten.«
»Möchtest du es für mich übernehmen? Wir können sie nicht laufen lassen. Sie kennt unsere Namen und sie hat unsere Gesichter gesehen.«
»Schneid ihr nicht das Herz raus«, sagte ich, meine Kehle war wie zugeschnürt.
»Das tue ich bei allen und ich werde keine Ausnahme machen.«
»Bei lebendigem Leib?«
»Das ist doch gerade der Spaß.«
»Sie sind verrückt!«, schrie Shirley Orson an, doch er beachtete sie gar nicht.
»Dieses Mal nicht, Orson«, flehte ich und stand auf. »Bitte!«
Shirley brüllte: »Lassen Sie mich gehen!«
»Mistvieh!«, schrie Orson zurück und trat mit der Stahlspitze seines Stiefels gegen ihre Schläfe. Sie plumpste auf den Boden. »Mach noch einmal deinen Mund auf und ich schneid dir die Zunge raus.«
Er schaute wieder zu mir, seine Augen glühten. »Es ist toll, dass du da bist. Ich möchte das hier mit dir teilen.«
»Quäle sie nicht«, flehte ich. »Mach es nicht mit dem Messer.«
Orson blickte auf sein Opfer herab und dann wieder zu mir.
»Ich überlasse dir die Wahl«, sagte er. Er ging zum Hocker, legte das Messer darauf ab und zog meinen Revolver hervor. »Du kannst sie jetzt erschießen. Ihr die Schmerzen ersparen.« Er kam zu mir herüber und gab mir die Waffe. »Hier. Zuzuschauen, wie du sie schmerzfrei tötest, gefällt mir genauso gut, wie sie auf meine Art umzubringen.« Während er zu Shirley hinübersah, warf ich einen Blick auf den Revolver. Er war geladen.
»Shirley, steh auf. Ich hab dir doch gesagt, es ist eine glückliche Fügung für dich, dass mein Bruder da ist.«
Sie bewegte sich nicht.
»Shirley«, wiederholte er und ging auf sie zu, »steh auf.« Orson stieß sie mit dem Stiefel an, und als sie sich immer noch nicht bewegte, drehte er sie auf den Rücken. Ihre Schläfe war eingedrückt und aus einem Ohr lief Blut. Orson legte zwei Finger auf ihren Hals und wartete. »Sie ist tot«, sagte er und schaute mich dabei ungläubig an. »Nein, warte, hier ist es. Schwach, aber da. Ich hab sie nur k. o. getreten. Andy, das ist deine Chance«, drängte er und trat einige Schritte von der Frau weg. »Drück ein paarmal ab, bevor sie wieder zu sich kommt. Ziele auf den Kopf.«
Ich richtete die Waffe auf Orson. »Schieb mir die Schlüssel zu«, sagte ich, doch er bewegte sich nicht, sondern schaute mich einfach an und schüttelte traurig den Kopf.
»Das wirft uns weit zurück, was das Vertrauensverhältnis angeht.«
Ich drückte den Abzug und die Waffe feuerte. Ich drückte noch mal und noch mal ab, das schallende Knallen der Schüsse erfüllte die Scheune, der graue Rauch des Schießpulvers stieg auf ins Gebälk, bis nur noch das Klicken des Abzugshahns zu hören war, der gegen die leeren Kammern schlug.
Orson hatte nicht mit der Wimper gezuckt.
Ich schaute auf den Revolver hinab, bis mir die Augen brannten.
»Platzpatronen, Andy«, sagte er. »Ich dachte, du würdest mich vielleicht bedrohen, aber du hast ohne zu zögern abgedrückt. Wow!« Er nahm das Messer vom Hocker und kam auf mich zu. Ich warf die Waffe nach ihm, verfehlte jedoch seinen Kopf und traf stattdessen die Hintertür.
»Sie ist tot, Andy«, sagte er. »Ich hätte dich nicht mit ansehen lassen, wie sie leidet. Nicht beim ersten Mal. Und so belohnst du mich dafür? Das war ganz schön mies von dir.« Er war jetzt sehr nah und umklammerte das Messer. »Ein Teil von mir will dir das am liebsten in den Bauch rammen«, sagte Orson. »Ein Drang, dem ich kaum widerstehen kann.« Er drückte mich zurück in den Gartenstuhl. »Aber ich werd’s nicht tun«, sagte er. »Ich tu’s nicht.« Er ging zum Hocker, legte das Messer wieder darauf ab und dann zu dem .357er, der neben der Hintertür lag. Er hob ihn auf und nahm zwei Patronen aus der Tasche. »Ich würde sagen, dein kleiner Stunt eben war Verarsche Nummer zwei.« Er lud die Patronen und drehte die Trommel. Dann richtete er die Waffe auf meine Brust. »Das sind keine Platzpatronen«, sagte er.
Klick.
Ich sah die Erleichterung auf Orsons Gesicht. »Lass mich das nicht noch einmal machen müssen«, sagte er. »Es wäre echt schade, wenn ich dich töten müsste.« Er steckte den Revolver
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