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Bruderherz

Titel: Bruderherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Crouch
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Arme bis zu den Ellbogen rot waren und Blutspritzer mein Gesicht befleckten. Nichts, was eine kalte Dusche nicht abwaschen könnte.
    Ich ging zur Tür und öffnete sie. Die Sonne zwang mich zu blinzeln, als ich hinaus in die Wüste starrte. Kaum hatten meine Füße den heißen Staub berührt, rief Orson meinen Namen und ich drehte mich um.
    »Ich möchte nicht, dass du mich hasst«, sagte er.
    »Was erwartest du denn? Nachdem du mich gezwungen hast, das hier mit anzusehen und sie… auszunehmen.«
    »Du musst verstehen, was ich mache«, sagte er. »Kannst du es wenigstens versuchen?« Ich schaute zu der bewegungslosen Shirley auf der Plane, das Gesicht immer noch von dem Bowlinghemd verdeckt. Was für eine unsagbare Erniedrigung! Ich spürte, wie Tränen in mir aufstiegen und die Taubheit wegschwemmten, die mich während der letzten Stunden aufrecht gehalten hatte. Ohne eine Antwort schloss ich die Tür, und da meine Füße schon nach wenigen Schritten brannten, eilte ich zum Brunnen. Die Dusche war an der Seite des Klohäuschens angebracht. Ich füllte den oberirdischen Wasserbehälter und öffnete den Hahn. Als das Eiswasser auf den Boden spritzte, grub ich meine Zehen in den Matsch. Die Haare auf meinen Armen waren blutverklebt. Zehn Minuten lang schrubbte ich meine Haut, während aus dem silbernen Brausekopf, der hier in der Wüste sehr merkwürdig anmutete, eiskaltes Wasser über meinen Kopf floss.
    Ich drehte den Hahn zu, ging zur Hütte und stellte mich einige Zeit nackt auf die vordere Terrasse, damit das Wasser auf meiner Haut im trockenen Wind verdunsten konnte. Schuld, schwere tödliche Schuld umkreiste mein Bewusstsein. Immer noch so dreckig.
    Draußen über der Wüste malte ein Flugzeug einen weißen Streifen an den Himmel. Könnt ihr mich sehen?, dachte ich und blinzelte, um das Glitzern der Sonne auf dem metallenen Rumpf zu betrachten. Schaut einer aus seinem winzigen Fenster auf mich herab, während ich zu ihnen aufschaue? Könnt ihr mich sehen? Seht ihr, was ich getan habe? Während das Flugzeug aus meinem Blickfeld verschwand, fühlte ich mich in meine Kindheit zurückversetzt – als ich an einem Sommertag um halb neun im Bett liegen muss, obwohl es noch nicht dunkel ist, und höre, wie die anderen Kinder auf der Straße Fangen spielen, wie ihr Gelächter zu mir dringt und ich mich in den Schlaf weine.
    Orson kam aus der Scheune und trug die in Plastikfolie gewickelte Frau. Er ging fünfzig Meter weit in die Wüste hinein und ließ sie in ein Loch fallen. Er brauchte mehrere Minuten, um sie zu vergraben. Dann kam er auf die Hütte zu, und beim Näherkommen bemerkte ich, dass er eine kleine Kühlbox aus Styropor trug.
    »Ist es da drin?«, fragte ich, als er auf die Veranda trat. Er nickte und betrat die Hütte. Ich folgte ihm, bis er vor seiner Zimmertür stehen blieb und sie aufschloss.
    »Du kannst hier nicht reinkommen«, sagte er und ließ die Tür zu.
    »Ich will sehen, was du damit machst.«
    »Ich leg es in die Gefriertruhe.«
    »Lass mich dein Zimmer sehen«, sagte ich. »Ich bin neugierig. Du willst doch, dass ich es verstehe?«
    »Zieh dir erst etwas an.« Ich lief in mein Zimmer und zog eine Jeans und ein schwarzes Muskelshirt an. Als ich zurückkam, stand Orsons Tür offen und er stand in seinem Zimmer vor der Gefriertruhe.
    »Kann ich jetzt reinkommen?«, fragte ich auf der Schwelle stehend.
    »Ja.« Orsons Schlafzimmer war größer als meines. Rechts stand ein niedriges Einzelbett, ordentlich gemacht und mit einer roten Fliesdecke bezogen. Neben dem Bett stand ein weiteres, von Orson selbst gebautes Bücherregal, zwar etwas kleiner als die Regale im Wohnzimmer, doch nichtsdestotrotz von oben bis unten mit Büchern voll gestopft. An der gegenüberliegenden Wand stand unter dem nicht vergitterten Fenster die Kühltruhe. Orson fasste gerade hinein, als ich hinter ihn trat.
    »Was ist da drin?«, fragte ich.
    »Herzen«, sagte er und schloss die Truhe.
    »Wie viele?«
    »Nicht genug.«
    »Ist das eine Trophäe?« Ich zeigte auf einen Zeitungsartikel, der an der Wand neben der Gefriertruhe hing. Ich hatte den Artikel überflogen und gesehen, dass die Namen, Daten und Orte schwarz durchgestrichen worden waren. »Verstümmelte Leiche auf Baustelle gefunden«, las ich laut vor. »Mutter wäre stolz auf dich.«
    »Wenn du gute Arbeit leistest, freust du dich dann nicht über die Anerkennung?«
    Orson schloss die Kühltruhe ab und durchquerte das Zimmer. Er ließ sich auf das Bett sinken,

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