Bruderherz
»Lass mich raus, du Arschloch!«
Orson lachte. »Da er so höflich gefragt hat. Komm, mach ihm auf.« Er warf mir den Schlüssel zu. »Hört ihr mich, Jungs?«, rief er und ging zum Kofferraum. »Ich öffne jetzt den Deckel. Keine Bewegung!«
Ich öffnete den Kofferraum, während Orson mit der Waffe auf die Männer zielte. Als ich zurücktrat, flüsterte er: »Los, hol die Handschellen!«
Ich warf einen Blick in den mit Plastik ausgeschlagenen Kofferraum – ein grausiger Anblick. Der Fahrer war in den hinteren Teil des geräumigen Kofferraums geschoben worden, dabei hatten sich seine Freunde von oben bis unten mit Blut besudelt. Sie schauten mich an, als ich vorbeiging, und ihre Augen flehten um Gnade, die ich ihnen nicht gewähren konnte. Ich griff nach den Handschellen auf dem Boden der Beifahrerseite und ging zu Orson zurück.
»Wirf ihnen die Handschellen zu«, sagte er. »Jungs, fesselt euch aneinander.«
»Fick dich ins Knie!«, jaulte der dicke Mann. Orson spannte den Abzugshahn und schoss ihm ein Loch ins Bein. Während der Mann aufheulte und lauthals Obszönitäten schrie, richtete Orson die Waffe auf den anderen Mann.
»Wie heißt du?«, fragte er.
»Jeff«, erwiderte der Mann zitternd und hielt sich die Hände vors Gesicht, als könnten sie die Kugeln abhalten. Sein Freund fasste sich an den Schenkel, grunzte und wimmerte mit zusammengepressten Zähnen.
»Jeff«, sagte Orson. »Ich schlage vor, du ergreifst die Initiative und kettest dich mit den Handschellen an deinen Kumpel.«
»Ja, Sir«, erwiderte Jeff, und während er eine Handschelle um sein Handgelenk legte, sprach Orson den verwundeten Mann an, der inzwischen die Zähne zusammenbiss, um nicht zu schreien.
»Wie heißt du?«, fragte Orson.
»Wilbur«, zischte der Mann, ohne den Mund zu öffnen.
»Wilbur, ich weiß, du leidest fürchterliche Schmerzen, und ich wünschte, ich könnte sagen, dass all das hier bald vorüber ist. Aber das wird es nicht sein.« Orson klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter. »Ich möchte dir nur versichern, dass die Nacht erst angefangen hat, und je mehr du mir auf die Nerven gehst, desto schlimmer wird es für dich werden.«
Nachdem Jeff und Wilbur aneinander gefesselt waren, befahl Orson ihnen auszusteigen. Wilbur hatte Schwierigkeiten, sein Bein zu bewegen, daher gab Orson mir ein Zeichen, ihn aus dem Kofferraum zu zerren. Als er aufschrie, ließ ich ihn fallen, und Jeff fiel auf ihn und quetschte dabei das verletzte Bein ein.
Die beiden Männer ließen ihre Cowboyhüte im Kofferraum und kamen nur langsam auf die Beine, dann führte Orson sie zur Scheune. Während er die Tür aufschloss, forderte er mich auf, den Fahrer in die Plastikplane einzurollen und ihn aus dem Kofferraum zu holen.
»Ich kann ihn nicht alleine rausheben«, erklärte ich. »Das Blut wird alles einsauen.«
»Dann mach einfach den Deckel zu. Aber wir müssen ihn rausholen, bevor er anfängt zu stinken.«
Ich kehrte zum Wagen zurück und schloss den Kofferraum. Auf dem Weg zur Scheune fühlte ich den Schlüssel in meiner Hosentasche klappern. Während ich den braunen Wagen anstarrte, der im Flutlicht vollkommen glanzlos wirkte, dachte ich: Ich könnte abhauen. Jetzt. Ins Auto steigen, den Motor anlassen und zurück auf den Highway fahren. Vermutlich befindet sich spätestens dreißig, vierzig Meilen entfernt die nächste Stadt. Eine Polizeiwache aufsuchen und jemanden hierher lotsen. Vielleicht würde sie das retten. Ich ließ meine Hand in die Tasche gleiten und steckte einen Finger durch den Ring des Schlüsselanhängers. Durch die Pinienholzwand drang Orsons Stimme, der drinnen den stöhnenden Mann verhöhnte.
Los! Ich bewegte mich auf die Fahrerseite zu. Scheiße! Die Motorhaube war immer noch geöffnet, also ließ ich sie leise herab, so dass sie nur mit einem sanften, metallischen Klicken schloss, das Orson unmöglich in der Scheune gehört haben konnte. Den Schlüssel fest zwischen Daumen und Zeigefinger, öffnete ich zitternd die Autotür und setzte mich auf den Fahrersitz. Schlüssel ins Zündschloss. Die Handbremse prüfen. Die Tür erst zumachen, wenn der Wagen rollt. Dreh den Schlüssel. Dreh den Schlüssel!
Irgendetwas klopfte gegen die Scheibe. Ich zuckte zusammen und sah, dass Orson auf der Beifahrerseite stand und mit dem Revolver durch die Scheibe auf meinen Kopf zielte.
»Was um alles in der Welt tust du da?«, fragte er.
»Ich komme«, sagte ich. »Ich komme.« Ich zog den Schlüssel aus dem
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