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Bruderherz

Titel: Bruderherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Crouch
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Ohr, Andy. Woanders würdest du ihn vielleicht nicht töten. Er läge nur hier rum und würde leiden.« Orson legte die Waffe auf den Boden. »Ich würde ja gern bleiben und zusehen, aber nach dem Zwischenfall mit Miss Tanner, nun… Ich komme zurück, wenn ich den Schuss höre. Spiel ja nicht den Helden, indem du ihn nicht erschießt oder die Waffe demolierst. Ich habe noch andere und wir müssten dann wieder unser kleines Spiel spielen. Ich glaube, deine Chancen liegen mittlerweile bei nur noch vierzig Prozent. Ich bin sicher, dass du dieses Risiko nicht eingehen willst. Und falls dich auch das nicht davon abhält, mich zu verarschen, werde ich unsere Mutter bestrafen. Von daher… Ich überlasse dich deiner Arbeit. Jeff«, Orson salutierte albern, »es ist das erste Mal für meinen Bruder, also nimm es wie ein Mann. Bettle nicht herum und fleh ihn nicht an, dich nicht zu erschießen, denn vielleicht könntest du ihn umstimmen und müsstest dann auf meine Weise sterben. Und ich kann dir versprechen«, sagte er und lächelte dabei Wilbur zu, »meine Art ist ein verdammt widerlicher Tod.« Orson verließ die Scheune, schloss die Tür und legte den Riegel vor. Ich war allein mit meinem Opfer.
    Ich stand auf, ging hinüber zu der Waffe, hob sie auf und trug sie zurück zum Stuhl. Die Art, wie Jeff mich ansah, kam mir widernatürlich vor. Niemand hatte je so viel Angst vor mir gehabt.
    Ich setzte mich wieder hin, um nachzudenken, während das Metall vom Schweiß meiner Hände rutschig wurde. Jeff starrte mich an und ich starrte zurück. Unsere Blicke trafen sich. Blicke, die zu einem anderen Zeitpunkt oder an einem anderen Ort vielleicht freundlich oder teilnahmslos gewesen wären, drückten jetzt nur tiefe Abscheu aus. Dies erspart ihm seine Qual.
    Als ich aufstand, waren meine Beine wie Gummi, genau wie in diesen Alpträumen, in denen man weglaufen muss, aber die Beine den Dienst versagen. Ich ging auf Jeff zu. Es ist zu seinem Besten. Erledige es professionell, ruhig und schnell. Trotz seiner Schmerzen belegte mich Wilbur unter seinem übel riechenden Atem mit Flüchen. Wirst du es wirklich tun?
    »Ist das ein Witz?« Jeff lachte gezwungen. »Nur ein lustiger Streich, oder, Wilbur? Lass uns jetzt gehen. Wir müssen vor Mitternacht bei Charlie’s sein.«
    Ich hob die Waffe mit der rechten Hand, richtete sie auf Jeff und versuchte zu zielen, aber meine Hände zitterten. Ich machte einen Schritt nach vorn, damit Jeffs Kopf trotz meines Zitterns in Sicht blieb.
    »Schieß mir nicht ins Gesicht«, flehte Jeff, und wieder traten Tränen in seine Augen. Er kniete sich hin und beugte sich vor, so wie Muslime sich gen Mekka verneigen. Die dreckigen blonden Haare fielen ihm in die Augen, sein rechter ausgestreckter Arm war immer noch an Wilbur gefesselt. Er berührte die Haut hinter seinem Ohr. »Hier hin.« Seine Stimme versagte. »Komm näher, wenn es sein muss.« Du wirst es doch nicht tun!
    Ich trat noch einen Schritt näher. Sein Gesicht war nur noch Zentimeter von meinen Stiefeln entfernt, er ballte die Fäuste, stöhnte und war bereit zu sterben. Mit beiden Händen versuchte ich die Waffe ruhig zu halten und mein Finger berührte den Abzug.
    Ich drückte ab, doch der Abzugshahn klickte nur.
    »Scheiße!«, schrie Jeff.
    »Tut mir Leid«, sagte ich und trat zurück, da sich sein Rücken hyperventilierend auf und ab bewegte.
    Die Trommel einer Smith & Wesson dreht sich gegen den Uhrzeigersinn. Orson hatte die vorletzte Kammer geladen statt die zweite. Du Schwein hast das mit Absicht getan. Ich drehte die Trommel, bis die Patrone in der richtigen Kammer lag, und presste den Lauf erneut hinter Jeffs Ohr.
    Er wurde schlaff und rollte auf die linke Seite. Ich hatte weder den Schuss gehört noch die Bewegung meines Fingers gespürt, dennoch ergoss sich ein Schwall dunklen Blutes auf die Plastikplane. Innerhalb von Sekunden umfloss es Jeff oberhalb seiner Schulter, ein blutiger Heiligenschein, rötlich schimmernd im Licht der Glühbirne. Sein rechtes Auge war geöffnet, doch der Blick war leer, seelen- und willenlos. Als die Blutlache immer größer wurde, zuckte Wilbur zurück, zog dabei Jeffs Körper mit und schrie seinen Namen. Du darfst über diesen Augenblick nicht zu viel nachdenken. Du könntest es nicht ertragen.
    Die hintere Tür ging auf und Orson trat ein. Sein Gesicht strahlte Ehrfurcht aus, als er auf die Plastikplane blickte. Er holte die gelbe Sofortbildkamera aus der Tasche und fotografierte mich, wie ich auf

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