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Bruderherz

Titel: Bruderherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Crouch
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hinab. Ich hatte seine mit Bargeld und Kreditkarten gefüllte Brieftasche bei mir und war recht sicher, dass ich, falls nötig, für meinen Bruder durchgehen würde. Es war beruhigend, zu wissen, dass Andrew Thomas verschwinden konnte, weil Orson existierte.
    Ich fuhr zum Gasthof in Bristol und schlich heimlich die knarzende Treppe hinauf zu dem Zimmer, in dem ich mit Walter gewohnt hatte. Unsere Kleidung lag über beide Betten verstreut, und ich stopfte alles, auch das aus den Schubladen und was auf dem Boden lag, in unsere Koffer und trug sie nach unten zum Auto.
    Auf dem Weg zum Highway 116 lobte ich mich selbst für meine Gründlichkeit. Ich hatte im Gasthof daran gedacht, auszuchecken. Ich hatte sämtliche Spuren meiner Anwesenheit in Orsons Haus beseitigt (mein Blut in seinem Zimmer, meine Haare in seinem Waschbecken und der Duschtasse) und auch die Spuren seiner Entführung. Ich hatte mich sogar um Walters Cadillac gekümmert und ihn um Viertel nach drei morgens den Hügel hinab bis zum Champlain Diner gefahren, wo ich ihn neben einem überbordenden Müllcontainer geparkt hatte. Der Dauerlauf zurück in Orsons Straße war unangenehm gewesen, aber es hatte sich gelohnt. Nichts konnte mich jetzt mit dieser Stadt in Verbindung bringen, und auch wenn Walters blutbefleckter Wagen vermutlich innerhalb einer Woche entdeckt würde, war ich bis dahin längst über alle Berge.
    Bevor ich Orsons Haus verließ, kippte ich eine ganze Kanne Kaffee hinunter und schluckte die doppelte Dosis eines Schnupfenmittels, das mich immer aufputschte. Voll gepumpt mit Koffein und ungebremster Energie verließ ich Woodside in Richtung Südwesten und fuhr in den Staat von New York. Wenn nichts schief ging, würde Luther vor Ablauf der nächsten achtundvierzig Stunden sterben und ich Wyoming erreichen.
     
    1000136169Ich fuhr auf der I-80 in Richtung Westen durch den östlichen Teil von Nebraska. Es war 23 Uhr 45, und die Lust, von Vermont bis Wyoming durchzufahren ohne zu schlafen, war verpufft. Orson war wach. Seit fünfzig Meilen trat er von innen gegen den Kofferraum und fluchte, ich solle rechts ranfahren.
    Es war wenig Verkehr, außer einigen Lichtern von entfernt liegenden Farmhäusern und Getreidefeldern konnte ich nichts sehen. Deshalb gab ich nach und fuhr irgendwo zwischen Lincoln und York auf die Standspur. Ich stieg aus, hinein in die kühle, nächtliche Nebraska-Luft, und öffnete den Kofferraum. Er lag mit Handschellen gefesselt und in seinen Bademantel gehüllt auf dem Rücken und hob den Kopf.
    »Ich verdurste, du Mistkerl!«, sagte er krächzend. »Ich sterbe hier hinten.«
    »Nun, da vorne steht eisgekühltes Wasser mit deinem Namen drauf. Aber du musst es dir verdienen.« Ich holte Luthers E-Mail aus der Tasche, faltete sie auf und fragte ihn: »Steht SB für Scottsbluff, Nebraska?«
    »Warum?« Ich ging zur Vordertür und holte eine volle Plastiktrinkflasche vom Beifahrersitz. Wieder bei Orson, baute ich mich vor ihm auf und ließ einen Strahl Wasser in meinen Mund laufen.
    »Oh, das tut gut!« Ich konnte den brennenden Durst in seinen Augen ablesen. »Das ist alles, was übrig ist«, erklärte ich, »und wenn es alle ist, kann es Hunderte und Aberhunderte von Meilen dauern, bis ich wieder anhalte. Ich bin zwar jetzt nicht sehr durstig, aber ich werde die Flasche trotzdem austrinken, wenn du nicht augenblicklich zur Kooperationsbereitschaft in Person mutierst. Steht SB für Scottsbluff?«
    »Ja.«
    »Was hat das zu bedeuten?«
    »Was?« Erneut drückte ich mir einen langen Strahl in den Mund. »Da lebt dieses Mädchen, bei der Luther manchmal ist. Er ist immer unterwegs.«
    »Wie heißt sie?«
    »Mandy Irgendwas.«
    »Du kennst ihren Nachnamen nicht?«
    »Nein.«
    »Wie heißt Luther mit Nachnamen?«
    »Kite.«
    »K-I-T-E?« Er nickte. »Mach den Mund auf.« Ich drückte ihm einen Strahl Wasser in den Mund. »Ich habe Luther auf der Telefonliste in deiner Brieftasche gefunden. Ist das die Nummer, über die er am besten zu erreichen ist?«
    »Es ist sein Handy. Was willst du tun, Andy?«
    »Hast du Luther je in Scottsbluff getroffen?«
    »Ein Mal.«
    »Wo?«
    »Ricki’s. Kann ich…«
    »Wer ist Ricki?«
    »Eine Bar am Highway 92. Bitte, Andy…«
    Ich führte den Saugverschluss an seine Lippen und quetschte das kalte Wasser in seine Kehle. Er schluckte gierig, aber ich zog die Flasche nach drei Sekunden wieder weg, da ein Sattelschlepper vorbeirollte. Ich holte Orsons Handy aus meiner Tasche. Während ich Luthers

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