Bruderkampf
anderen Leute des Arbeitskommandos. Rauch wirbelte aus langen Pfeifen und färbte die Luft über den Köpfen.
Old Ben Strachan griff nach einem neuen Tau und prüfte das Auge, das einer der Schiffsjungen eben gespleißt hatte. »Nicht schlecht, Junge, gar nicht schlecht.« Er saugte geräuschvoll an seiner Pfeife und ließ den Blick über das Deck der Phalarope gleiten. »Ist das der Kapitän, der da auf und ab wandert?«
Pochin, den Kopf auf den kräftigen Armen, murmelte: »Wer sonst? Muß verrückt sein, oben in der Hitze zu bleiben, wenn er unten in seiner Kajüte sein kann.«
Allday ließ ein Bein baumeln und sah nachdenklich in das klare Wasser hinab. Pochin machte sich noch immer Sorgen über Onslows Äußerungen im Kutter. Er war gereizt, weil er sich schuldig fühlte. Schon allein die Tatsache, daß er dem Gerede zugehört hatte, konnte ausreichen, als Verschwörer bezeichnet zu werden. Allday drehte sich ein wenig herum und bemerkte, daß ihn Herrick vom Achterdeck her beobachtete.
Der Leutnant nickte ihm flüchtig zu, ehe er sich wieder seinen eigenen Gedanken widmete, und Allday entsann sich plötzlich jenes Augenblicks auf der abbröckelnden Klippe, als er Herrick vor dem Sturz in die Tiefe bewahrt hatte. Obwohl er sich ursprünglich vorgenommen hatte, bei den internen Auseinandersetzungen auf der Phalarope keine Stellung zu beziehen und sich jeder Parteinahme zu enthalten, wurde ihm langsam klar, daß solches Beiseitestehen nicht nur unmöglich, sondern sogar gefährlich war. Allday mochte Herrick, und er erkannte auch, worum es dem Dritten ging, der sich stets die Klagen seiner Untergebenen anhörte und nie vorschnell Strafen erteilte. Aber Herrick war trotzdem kein Narr.
Allday sah, daß der Kapitän noch immer an der Luvreling hin und her ging, ohne Rock, das Hemd bis zur Brust aufgeknöpft, sein dunkles Haar im Nacken zusammengebunden. Der Kapitän war schwerer zu durchschauen, doch es beruhigte Allday, ihn wieder am gewohnten Platz zu sehen. Allday kannte das Ansehen der Familie Bolitho wahrscheinlich besser als alle anderen. In Falmouth hatte er gehört, was man in den Kneipen über die Bolithos redete. Ja, er kannte sogar das Elternhaus des Kapitäns. Merkwürdig, sich vorzustellen, daß der Bruder auf der anderen Seite kämpfte. Man sagte, daß Bolithos Bruder aus der Navy desertiert sei. Ein Verbrechen, für das es nur eine Strafe gab: die Schlinge um den Hals.
Allday fuhr aus seinen Gedanken auf, denn Ferguson kam vom Hauptdeck herauf. Er wirkte befangen. Durch seine sauberen Sachen stach er auffällig von den müden und verschwitzten Matrosen ab, die seine Gefährten gewesen waren.
Ferguson rutschte einen Moment nervös hin und her, ehe er sagte: »Glaubst du, daß es wieder zu Kämpfen kommt?«
Pochin wandte ihm den Kopf zu und knurrte: »Du solltest es wissen. Du sitzt doch an der Quelle!«
Allday griente. »Achte nicht auf Nick.« Leiser setzte er hinzu: »Hat sich Onslow wieder an dich herangemacht?« Er sah, daß Fergusons blasse Augen zuckten.
»Nicht sehr. Er verbringt bloß manchmal seine Freiwache mit mir.«
»Nun, ich habe dich gewarnt, Bryan.« Allday sah ihn fest an.
»Ich habe mit keiner Seele an Bord darüber gesprochen, aber ich bin überzeugt, daß er eine Menge mit Mathias' Tod zu tun hat.« Da Ferguson ungläubig das Gesicht verzog, fügte er scharf hinzu: »Ich bin mir dessen sogar sicher.«
»Warum sollte er es getan haben?« Ferguson versuchte zu lächeln, aber sein Mund blieb schlaff.
»Er taugt nichts. Er kennt nur sich.« Seine Hand glitt über den geschnitzten Ankerbalken. »Ich hab schon früher ein paar von seiner Sorte getroffen, Bryan. Sie sind gefährlich wie Wölfe.«
»Er wird keine Unruhe anzetteln«, sagte Ferguson. »Das wagt er nicht.«
»Nein? Und warum fragte er dich dann wegen der Kajüte aus? Er wartet bloß seine Zeit ab. Solche Brüder haben große Ausdauer.«
»Der Kapitän will keine Unruhe.« Fergusons hastige Handbewegungen verrieten, wie nervös er war. »Er hat Mr.
Vibart gesagt, daß er sich gut um die Männer kümmern soll, und wie er sie behandelt sehen will.«
Allday seufzte. »Da hast du es. Du erzählst sogar mir, was du gehört hast. Wenn du nicht aufgeknüpft werden willst, dann behalte lieber für dich, was du weißt.«
Ferguson starrte ihn an. »Das brauchst du mir nicht zu sagen.« Er kniff verärgert den Mund zusammen. »Du bist genau wie die anderen. Du beneidest mich um meinen Posten.«
Allday wandte sich ab.
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