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Brudermord

Titel: Brudermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Rusch
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Waagschale hat sich noch weiter gesenkt.«
    »Wie meinen Sie das?«, fragte Clara unbehaglich.
    Er seufzte. »Auch bei Ruth Imhofen war ich mir sicher. So sicher wie man sich nur sein kann …«
    »Und jetzt? Sind Sie es nicht mehr?« Clara wusste nicht, ob sie die Antwort hören wollte.
    Pater Roman sah sie nicht an. Stattdessen richtete er seine merkwürdig nackten, wimpernlosen Augen auf einen Punkt irgendwo in der Ferne und sagte schließlich zögernd: »Ich habe nicht nur Sie angelogen, sondern auch Kommissar Gruber. An jenem Sonntag, an dem Johannes Imhofen erschlagen wurde, war Ruth überhaupt nicht im Haus. Sie ist morgens schon nicht zum Frühstück erschienen, und am Abend ist sie erst gegen halb zwölf wieder aufgetaucht. Und sie weigert sich, zu sagen, wo sie war.«
    Clara starrte ihn mit offenem Mund an. Ihre Hand, die gerade noch Elises Kopf gestreichelt hatte, verharrte mitten in der Bewegung.
    Pater Roman fuhr fort: »Als gestern Morgen Gruber vor der Tür stand, hatte ich das Gefühl, es würde sich alles wiederholen. Ich konnte ihm einfach nicht die Wahrheit sagen, jedem anderen, aber nicht diesem Gruber!« Er senkte den Kopf und murmelte leise: »Ich bin davongelaufen. Gleich nachdem sie weg waren, habe ich Elmar gesagt, ich hätte einen wichtigen Termin beim Arbeitsamt, und dann bin ich in die nächste Kneipe und habe ein paar Schnäpse getrunken.«
    Clara nickte langsam. Deshalb war er also nicht da gewesen, als die ganze Aufregung um Ruths Verschwinden passierte. Sie atmete einmal tief ein und wieder aus und versuchte, ihre Gedanken zu sortieren. Sie konnte Pater Roman verstehen, doch mit dieser Lüge hatte er weder sich selbst noch Ruth einen Gefallen getan. Im Gegenteil. Sie dachte an Grubers Fragen, an die Zeugin, die Ruth angeblich vor der Villa gesehen hatte. Wahrscheinlich wussten sie es längst. Clara unterdrückte ein Stöhnen. Pater Romans Rolle in der Geschichte würde am Ende noch das kleinste Problem sein.
    »Und jetzt glauben Sie, dass Ruth ihren Bruder umgebracht hat?«, wollte sie wissen.
    Pater Roman seufzte tief. »Ich habe keine Ahnung. Und ich werde mich hüten, noch irgendetwas dazu zu sagen.«
    Clara dachte nach. »Ich glaube, Sie verwechseln hier etwas. Ich habe Ihr Gutachten gelesen. Die einzige Frage, womit Sie sich zu befassen hatten, war, ob es gerechtfertigt war, Ruth Imhofen für vierundzwanzig Jahre in eine psychiatrische Anstalt zu stecken und sie auch weiterhin darin zu belassen.«
    Pater Roman nickte langsam. »Das ist richtig, aber ich weiß nicht, worauf Sie hinauswollen …«
    »Halten Sie Ruth Imhofen für geisteskrank, wahnsinnig, verrückt, also für psychisch so krank, dass sie in einer geschlossenen Anstalt bleiben muss? Halten Sie sie für ›nicht therapierbar‹, wie Dr. Selmany meint?«
    »Nein! Natürlich nicht! Ich halte sie überhaupt nicht für krank!«, erwiderte Pater Roman heftig. »Das habe ich doch geschrieben …« Er klappte überrascht den Mund zu, als ihm die Bedeutung seiner Worte aufging.
    Clara lächelte. »Es gab also keinerlei Rechtfertigung dafür, Ruth weiter in der Klinik zu lassen. Sie haben vollkommen richtig gehandelt. Für das, was nachher passiert ist oder auch nicht, sind Sie nicht verantwortlich, weder moralisch noch rechtlich gesehen, egal was Gift-und-Galle-Gruber und die Zeitungen sagen werden.«
    Pater Roman hatte bei ihrer Bezeichnung des Kommissars einen Augenblick lang verwirrt die Stirn gerunzelt, doch jetzt glätteten sich die Falten, und er warf Clara einen bewundernden Blick zu. »Donnerwetter«, sagte er, »ich beginne zu verstehen, weshalb Ralph Lerchenberg unbedingt Sie als Anwältin haben wollte.«
    Clara wollte seine Hochachtung für ihre Argumentation nur ungern schmälern, doch sie musste es tun: »Das macht unser eigentliches Problem aber nicht unbedingt leichter, denn es bedeutet nur, dass wir es womöglich mit einer Mörderin zu tun haben, die während der Tat vollkommen bei Verstand war.«
     
    Als Clara nach Hause ging, dachte sie über die letzten Worte nach, die Pater Roman beim Abschied gesagt hatte. Clara hatte ihn gefragt, ob er es tatsächlich für möglich halte, dass Ruth Imhofen vierundzwanzig Jahre zu Unrecht in der Klinik gewesen war.
    Er hatte mit den Schultern gezuckt und gemeint, das könne er zwar nicht definitiv sagen, aber er hielte es für sehr wahrscheinlich.
    »Also war Ruth die ganze Zeit vollkommen normal?«, hatte Clara ungläubig nachgehakt.
    Pater Roman hatte gelächelt und zum

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