Bruderschaft der Unsterblichen
Zeit gesagt, daß von drei Männern mindestens einer in seiner Jugend e i nen Orgasmus mit einem …“ Aber ich sagte kein Wort. Dies war Olivers große Stunde, und ich wollte ihm nicht dazwischenpfuschen. Dies war sein großes Trauma, dies war der fieberäugige Dämon, der ihn plagte, und er ließ alles heraus, um von mir inspiziert zu werden. Er stand jetzt vor einem kritischen Moment. Prächtig ausstaffiert, führte mich seine Erzählung zum schlu ß endlichen Orgasmus. Dann setzte er sich zurück, ve r braucht, verstört, das Gesicht erschlafft, die Augen stumpf. Vermutlich wartete er auf meinen Urteil s spruch. Was sollte ich ihm sagen? Wie konnte ich ihn verurteilen? Ich sagte nichts.
„Was geschah danach?“ fragte ich schließlich.
„Wir sind schwimmen gegangen, haben uns gesäubert, angezogen und sind auf die Jagd nach wilden Enten g e gangen.“
„Nein, ich meine mit danach, was aus Karl und dir geworden ist.“
„Auf dem Weg zurück zur Stadt“, sagte Oliver, „e r klärte ich Karl, daß, falls er mir nochmals in dieser Weise zu nahe treten würde, ich ihm seinen verdammten Sch ä del einschlagen würde.“
„Und?“
„Er ist mir nie mehr zu nahe getreten. Ein Jahr später fälschte er sein Alter, trat bei den Marines ein und kam in Vietnam um.“ Oliver sah mich abwartend an, offensich t lich erwartete er eine weitere Frage, eine, von der er s i cher war, daß sie unausweichlich von mir gestellt würde. Aber ich hatte keine Fragen mehr. Die blanke Unlogik, die Irrelevanz von Karls Tod hatte für meinen G e schmack den Fluß der Erzählung unterbrochen. Es folgte eine lange Pause. Ich kam mir blöd vor und wußte nichts zu sagen. Dann sagte Oliver: „Das war das einzige Mal in meinem Leben, daß ich überhaupt eine Erfahrung mit Schwulen gemacht habe. Absolut das einzige Mal. Du glaubst mir doch, Eli, oder?“
„Natürlich glaube ich dir.“
„Das ist auch gut so. Denn es ist die reine Wahrheit. Es gab nur dieses Mal mit Karl, als ich vierzehn war, und das war alles. Weißt du, ein Beweggrund für mich zuz u stimmen, daß ein Schwuler bei uns einzog, war der eines Tests, um festzustellen, ob ich dadurch noch erregt wü r de, wohin meine eigentlichen Neigungen tendieren, um herauszubekommen, ob das, was ich an jenem Tag mit Karl tat, nur ein einmaliges Vorkommen war, ein Zufall, oder ob es mir wieder passieren könnte, sobald sich eine Gelegenheit dazu ergab. Nun, die Gelegenheit war natü r lich da. Aber ich weiß genau, daß du weißt, daß ich es nie mit Ned getrieben habe. Das weißt du doch, oder? Die Frage einer körperlichen Beziehung ist einfach nie zwischen Ned und mir aufgekommen.“
„Natürlich.“
Seine Augen starrten mich wieder wild an.
Er sagte: „Es gibt höchstens noch eines, was ich zu s a gen hätte.“
„Dann schieß los, Oliver.“
„Nur eines, eine Fußnote. Aber sie beinhaltet das W e sentliche an dieser Geschichte, weil sie die Schuld in mir lokalisiert. Schuld hat mit dem, was ich tat, nichts zu tun, Eli. Sie liegt darin begründet, was ich dabei gefühlt h a be.“ Er kicherte nervös. Und wieder eine Pause. Er wan d te seinen Blick von mir ab. Ich glaube, er wünschte sich, ganz allein gelassen zu werden und diese Beichte schon vor fünf Minuten beendet zu haben. Nach etlichen Min u ten sagte er: „Ich werde es dir erzählen. Es hat mir Spaß gemacht, Eli, mit Karl. Es war wirklich super. Mein ga n zer Körper schien dabei aufzubrechen. Es ist vielleicht das großartigste Erlebnis meines Lebens gewesen. Ich habe es nie ein zweites Mal probiert, weil ich wußte, daß so etwas falsch ist. Aber ich wollte es immer. Ich will es immer noch. Ich wollte es immer.“ Er zuckte. „In jeder Sekunde meines Lebens mußte ich dagegen ankämpfen, und erst vor kurzem ist mir klar geworden, wie stark ich eigentlich dagegen ankämpfen muß. Das ist alles. Das ist die ganze Geschichte, Eli, bitte sehr. Und mehr habe ich nicht zu sagen.“
38. KAPITEL
Ned
Eintritt Eli: düster, Füße scharren, eingehüllt in den Glanz eines Rabbiners, die hängeschultrige Fleischwe r dung der Klagemauer, zweitausend Jahre Elend und Leid auf den Schultern. Er ist niedergeschlagen, sehr niede r geschlagen. Mir war aufgefallen, uns allen war aufgefa l len, wie gut Eli das Leben im Schädelhaus bekam. Vom ersten Tag an ging es ihm hier besser, er blühte in ung e ahnter Weise auf, wurde so vollkommen, wie ich ihn noch nie zuvor gesehen hatte. Aber damit war es jetzt vorbei. Seit
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