Bruderschaft der Unsterblichen
totales Völlegefühl: Ich fürc h tete, ich müßte mich auf den Tisch übergeben. Das Wü r gen verging, ohne mir Schande zu machen, und draußen fühlte ich mich besser, obwohl mir immer noch übel war. Ich notierte mir in Gedanken, daß ich vierzig oder fün f zig Jahre meiner Unsterblichkeit mit dem ernsthaften Studium der kulinarischen Kunst zubringen wollte. T i mothy schlug vor, in einem der tollen Cafés etwas weiter im Norden weiterzumachen, aber wir anderen waren m ü de und überstimmten ihn. Zurück zum Hotel, ein langer Fußmarsch, vielleicht eine Stunde durch die schneidende Kälte.
Wir hatten eine Suite bezogen, mit zwei Schlafzi m mern. Ned und ich in einem, Timothy und Oliver im a n deren. Ich ließ meine Kleider zu Boden fallen und warf mich ins Bett. Zu wenig Schlaf, zu viel gegessen: scha u derhaft, schauderhaft. Obwohl ich so erschöpft war, blieb ich mehr oder weniger wach, döste, war abgestumpft. Das reichhaltige Essen lag mir wie ein Stein im Bauch. Erst einmal richtig auskotzen, beschloß ich einige Stu n den später, das wäre wohl das beste. Auf der Suche nach einer passenden Gelegenheit stapfte ich nackt zum Bad e zimmer, das die beiden Schlafzimmer voneinander tren n te. Und begegnete einer schrecklichen Erscheinung im dunklen Korridor. Ein nacktes Mädchen, größer als ich, mit großen, schweren Brüsten, aufsehenerregenden, pro t zigen Hüften, ein Kranz kurzer, gelockter, brauner Haare. Ein Nachtgespenst! Ein Phantom, hervorgerufen von meiner überdrehten Phantasie! „Na, Süßer“, sagte sie, zwinkerte mir zu, tauchte mich in einen Hauch von Pa r füm und sinnlichen Gerüchen und ließ mich zurück, um voller Erstaunen auf ihren opulenten, abziehenden Hi n tern zu starren, bis sich die Badezimmertür hinter ihm schloß. Angst und Geilheit ließen mich zittern. Noch nicht einmal auf einem Trip hatte ich solche realen Ha l luzinationen gehabt; konnte Escoffier bewirken, was dem LSD versagt blieb? Wie schön, wie kräftig, wie elegant sie war. Ich hörte das Wasser im Badezimmer laufen. Ich spähte in das andere Schlafzimmer, meine Augen hatten sich jetzt der Dunkelheit angepaßt. Überall lagen weibl i che Bekleidungsstücke herum. Timothy schnarchte in einem Bett; im anderen lag Oliver, und auf Olivers Ki s sen ein zweiter Kopf, weiblich. Also keine Halluzinati o nen. Wo hatten sie bloß diese Mädchen her? Aus dem Nachbarzimmer? Nein, ich begriff: Callgirls, vom Zi m merservice besorgt. Die zuverlässige Kreditkarte hatte wieder einmal gewirkt. Timothy versteht den American Way of Life auf eine Weise, wie ich, der arme, ve r klemmte, gelehrtenhafte Bursche aus dem Ghetto, es mir nie erträumen kann. Sie wollen eine Frau? Heben Sie nur den Telefonhörer ab und fragen Sie. Mein Hals war tro c ken. Mein Schwanz hatte sich aufgerichtet; Donner in meiner Brust. Timothy schläft; sehr gut, da sie für die ganze Nacht angefordert wurde, werde ich sie mir eine Weile ausborgen. Wenn sie aus dem Badezimmer kommt, werde ich auf sie zustolzieren, eine Hand auf ihre Titten legen, die andere auf ihren Po, die samtige, satinartige Weichheit ihrer Haut spüren und sie mit e i nem Humphrey-Bogart-Tonfall aus tiefster Brust in mein Bett einladen. Jawohl. Und die Badezimmertür öffnete sich. Sie glitt heraus, die Brüste wippten auf und ab, ding-dong, ding-dong. Noch mal zwinkern. Und an mir vorbei, weg. Ich schnappte nach Luft. Ihr langgezogener, magerer Rücken, der in zwei erstaunlich kugelförmige Backen auslief. Der Geruch von billigem Moschusduft; der flüssige, hüftenschwingende Gang; die Schlafzi m mertür wurde mir vor der Nase zugeschlagen. Sie ist g e mietet, aber nicht für mich. Sie gehört Timothy. Ich ging ins Badezimmer, kniete mich an die Schüssel und ve r brachte eine Ewigkeit mit Würgen. Dann zurück in mein einsames Bett zu kalten, bösen Träumen. Am Morgen waren die Mädchen nicht mehr zu sehen. Noch vor neun Uhr waren wir wieder auf der Straße, Oliver am Steuer, St. Louis unser nächster Reisepunkt, ich versank in ap o kalyptische Visionen. Ich hätte an diesem Morgen ein Weltreich zum Einsturz gebracht, wenn mein Daumen auf dem richtigen Knopf placiert gewesen wäre. Ich hätte Dr. Seltsam freigelassen, dem Fenriswolf die Tür geöf f net, ich hätte das ganze Universum durcheinanderwirbeln können, wäre nur die Gelegenheit dazu gegeben gew e sen.
12. KAPITEL
Oliver
Ich bin fünf Stunden ohne Pause gefahren. Es war wu n derbar. Sie wollten anhalten, um zu
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