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Bruderschaft der Unsterblichen

Bruderschaft der Unsterblichen

Titel: Bruderschaft der Unsterblichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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in meiner coolen Kinderweisheit wußte ich, daß es sich bei ihnen nur um Puertoricaner oder vielleicht Mexikaner handelte, die man mit Federn herausgeputzt hatte. Wirkliche Indianer waren Schnee aus dem neu n zehnten Jahrhundert, sie waren alle ausgestorben vor la n ger Zeit, keiner war mehr übriggeblieben, außer dem auf dem Fünf-Cent-Stück, mit dem Büffel auf der Rückseite. Und wann hat man eigentlich zum letztenmal so ein Fünf-Cent-Stück gesehen? (Wann hat man zum letzte n mal einen Büffel gesehen?) Indianer waren archaisch, Indianer waren ausgestorben. Ich persönlich stellte die Indianer in eine Reihe mit den Mastodons, dem Tyrann o saurus Rex, den Sumerern und den Karthagern. Aber jetzt bin ich im Wilden Westen, zum erstenmal in me i nem Leben, und der plattgesichtige, lederfarbene Mann, der uns mittags das Bier im Laden verkaufte, war ein I n dianer, der rundliche, dicke Junge, der uns den Tank fül l te, war ein Indianer; und diese elenden Hütten, die auf der anderen Seite des Rio Grande stehen, werden von Indianern bewohnt, obwohl man über den Luftziegeld ä chern einen Wald von Fernsehantennen sehen kann. Guck mal, Indianer, Dick! Mensch da, die riesigen Ka k teen! Da, Jane, sieh, der Indianer fährt einen Volksw a gen! Sieh nur, wie scharf Ned den Indianer überholt! Hör nur, wie der Indianer hupt!
    Ich glaube, unser Engagement für dieses Abenteuer ist wieder gestiegen, seit wir den Rand der Wüste erreicht haben. Zumindest bei mir ist das so. Dieser fürchterliche Tag der Zweifel, an dem wir durch Missouri gefahren sind, scheint jetzt so weit zurückzuliegen wie die Din o saurier. Ich weiß jetzt (Woher weiß ich das? Wieso kann ich so etwas sagen?), daß das, was wir im Ödland Ariz o nas zu finden hoffen, wahr ist, und daß wir, wenn wir nur standhaft bleiben, dafür mit dem belohnt werden, was wir erstreben. Oliver weiß das auch. Eine unheimliche, ve r rückte Beharrlichkeit ist in den letzten paar Tagen in ihm erwacht. Natürlich steckte diese Tendenz zur Zwang s vorstellung schon immer in ihm, aber er hat zunächst einmal gut daran getan, sie zu verbergen. Jetzt sitzt er zehn bis zwölf Stunden täglich am Steuer, muß gewal t sam am Weiterfahren gehindert werden und macht nur allzu deutlich, daß ihm nichts wichtiger ist, als unser Ziel zu erreichen und uns den Vorschriften der Hüter der Schädel zu unterwerfen. Sogar unsere ungläubigen Th o masse finden ihren Glauben wieder. Ned treibt zwischen völliger Zustimmung und totaler Ablehnung hin und her, wie immer. Und oft genug bezieht er beide Positionen gleichzeitig; er verhöhnt uns, stichelt uns, und trotzdem studiert er Landkarten und Entfernungsangaben, als hätte ihn ebenso die Ungeduld gepackt. Ned ist der einzige Mensch, den ich kenne, der fähig ist, einen Morgengo t tesdienst zu besuchen und um Mitternacht eine Schwarze Messe, und der trotzdem keinen Widersinn darin sieht, seine Sympathien auf beide Messen gleich zu verteilen. Timothy bleibt weiterhin neutral, der brillante Spötter, er verwahrt sich dagegen, daß er seine entrückten Freunde nur verarscht, indem er an dieser Pilgerfahrt teilnimmt – aber wieviel von seinem Gehabe mag nur Oberfläche sein, ist Zurschaustellung aristokratischer Gelassenheit? Wahrscheinlich mehr, als man ahnt, glaube ich. Timothy hat weniger Anlaß als der Rest von uns, metaphysischen Lebensverlängerungen nachzulaufen, denn sein eigenes Leben bietet ihm, so wie es jetzt eingerichtet ist, eine unbegrenzte Anzahl von Möglichkeiten – seine finanzie l len Quellen bieten ihm genau das, was man von ihnen erwartet. Aber Geld ist nicht alles, und man kann damit auch nicht die Lebenserwartung von siebzig Jahren übe r schreiten, selbst wenn man Fort Knox geerbt hat. Ihn lockt die Vision vom Haus der Schädel, glaube ich. Er ist scharf darauf.
    Sobald wir unser Ziel erreichen, morgen oder übe r morgen, werden wir, so glaube ich, zu der zusammenst e henden Vierergemeinschaft verwachsen sein, die das Buch der Schädel einen Fruchtboden nennt, was soviel wie eine Gruppe von Kandidaten bedeutet. Ich hoffe es jedenfalls. War doch im letzten Jahr – oder? –, als soviel Wind über diese Studenten aus dem Mittelwesten g e macht wurde, die einen Selbstmordbund geschlossen ha t ten? Ja. Ein Fruchtboden kann als philosophische Ant i these zum Selbstmordbund angesehen werden. Beide stellen eine Manifestation von Fremdartigkeit gegenüber der gegenwärtigen Gesellschaft dar. Ich verabscheue die

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