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Bruderschaft der Unsterblichen

Bruderschaft der Unsterblichen

Titel: Bruderschaft der Unsterblichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Oliver, mach Schluß, und zwar jetzt, bevor der Kreis der Tragödien sich noch enger um dich schließt! Du mußt wie alle and e ren sterben, warum dann noch warten, bis es soweit ist. Stirb jetzt. Stirb jetzt. Halse dir nicht noch unnötige Pr o bleme auf. Seltsamerweise jedoch erlosch mein Interesse am Selbstmord schnell, obwohl meine Lebensphilosophie sich eigentlich nicht änderte. Ich stellte die Selbstmord-Hitparaden ein. Ich begann damit, nach vorn zu planen und nicht mehr davon auszugehen, daß ich innerhalb der nächsten Monate sowieso ableben würde. Ich beschloß, lieber den Tod zu bekämpfen, statt mich ihm zu ergeben. Ich würde aufs College gehen, und ich würde Mediziner werden. Ich würde alles lernen, dessen ich habhaft we r den könnte, und vielleicht könnte ich die Macht des T o des ein wenig zurückdrängen. Jetzt weiß ich, daß ich nie selbst Hand an mich legen könnte. Ich werde es einfach nicht tun, niemals. Ich werde bis zum Ende kämpfen, und wenn der Tod kommt und mich höhnisch angrinst, dann grinse ich einfach zurück. Und davon abgesehen, ich für meinen Teil halte das Buch der Schädel für authentisch! Man stelle sich nur einmal vor, man könnte dem Tod wirklich von der Schippe springen! Ich hätte mich ja vor fünf Jahren selbst hereingelegt, wenn ich mir wirklich die Pulsadern aufgeschnitten hätte.
    Heute bin ich sicher schon vierhundert Meilen gefa h ren, und es ist noch nicht einmal Mittag. Die Straßen hier sind großartig: breit, gerade und leer. Amarillo liegt jetzt vor uns. Dann Albuquerque. Und dann Phoenix. Und schließlich stehen wir endlich vor des Rätsels Lösung.

16. KAPITEL
Eli
     
    Wie fremdartig die Welt doch in dieser Ecke aussieht: Texas, New Mexico. Eine Mondlandschaft. Warum hat sich überhaupt jemand gefunden, der sich in diesem Landstrich niederlassen wollte? Weite braune Plateaus, kein Gras, nur verdrehte, struppige, schmierige graugr ü ne Pflanzen. Kahle, purpurfarbene Berge, zackig und scharf ragen sie am herben, blauen Horizont wie erodie r te Zähne hoch. Ich dachte immer, die Berge im Westen seien höher, als das hier zu sehen war. Timothy, der schon überall gewesen ist, erklärt, daß die wirklich hohen Berge in Colorado, Utah und Kalifornien stehen; diese hier seien nur Hügel, so fünfzehnhundert bis zweitausend Meter hoch. Das verwunderte mich; denn der höchste Berg östlich des Mississippi ist der Mount Mitchell in North Carolina, und der ist 2037 Meter hoch. Deswegen habe ich einmal eine Wette verloren, als ich zehn war, und ich werde es nie vergessen. Der höchste Berg, den ich vor dieser Reise je gesehen hatte, war der Mount W a shington in New Hampshire, knapp 2000 Meter hoch. Meine Eltern hatten mich dorthin mitgenommen in jenem Jahr, in dem wir nicht in die Catskills gefahren waren. (Ich hatte damals gewettet, der Mount Washington sei der höchste, und hatte falsch gelegen.) All die Berge hier sind fast genauso hoch und sollen nur Hügel sein. Der Mount Washington erhob sich damals wie ein Riese n baum in den Himmel, als sei er bereit, herabzustürzen und mich zu zerschmettern. Natürlich hat man hier eine viel weitere Aussicht, die Landschaft ist nach allen Se i ten offen. Hier wird sogar ein Berg in dieser immensen Aussicht zum Zwerg.
    Die Luft ist klar und frisch, der Himmel unvergleic h lich blau und wolkenleer. Dies ist das Land der Apok a lypse: Ich bin bereit, irgendwo aus den „Hügeln“ den Schall von Trompeten zu hören. Und wunderbar wird der Klang von Trompeten hervorströmen, durch die Gräber der Erde erklingen, um vorzubereiten die Ankunft des Herrn. Jawohl. Und der Tod wird gelähmt sein. Dreißig, vierzig Meilen trennen hier die Städte voneinander, und wir sehen nur Kaninchen, Rehe und Eichhörnchen. Die Städte selbst wirken neu: Tankstellen, Motels in Reih und Glied, kleine viereckige Aluminiumhäuser, die so aussehen, als könne man sie an einen Wagen hängen und mit ihnen woanders hinfahren. (Wahrscheinlich ist das sogar möglich.) Außerdem sind wir an zwei Pueblos vo r beigekommen, sechs- oder siebenhundert Jahre alt, und wir werden mehr zu sehen bekommen. Die Vorstellung, aufrichtige Indianer zu treffen, die einfach so überall in der Gegend herumspazieren, sprengt meinen manhatta n beeinflußten Verstand. In den Technicolor-Filmen, die ich jahrelang jeden Samstagnachmittag in den Kinos der Dreiundsiebzigsten Straße und am Broadway sah, gab es Indianer in Hülle und Fülle. Aber die beeindruckten mich nicht, und

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