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Bruderschaft der Unsterblichen

Bruderschaft der Unsterblichen

Titel: Bruderschaft der Unsterblichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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dunklen Unterhol z flächen und knorrigen, kleinen Pinien fuhren wir jetzt an ausgebreiteten Riesen-Kakteen vorbei, die wie Phalli aus dem braunen, schuppigen Boden sprossen. Ned spielte für uns den Botaniker. Das sind Saguaros , sagte er, diese Kakteen mit den großen Armen, die größer als Telefo n masten sind. Und jene struppigen, stachelbewehrten, blaugrünen, blattlosen Bäume, die so aussehen, als stammten sie von einem anderen Planeten, heißen Palo Verde. Und diese knorrigen, emporgereckten Bündel von zusammenhängenden hölzernen Ästen werden Ocotillo genannt. Ned kennt sich sehr gut im Südwesten aus. Für ihn ist es eine Art zweite Heimat, nachdem er vor ein paar Jahren einige Zeit in New Mexico verbracht hat. Aber Ned fühlt sich überhaupt überall wie zu Hause. Er spricht gern von der internationalen Schwulen-Bruderschaft. Wo er auch hinkommt, er kann sicher sein, Unterkunft und Freunde von seiner Art zu finden. Manchmal beneide ich ihn. Vielleicht wird der ganze Wahnsinn, als Schwuler in einer normalen Gesellschaft zu leben, von dem Wissen um Plätze aufgewogen, an denen man immer willkommen ist, einzig und allein aus dem Grund, weil man zum gleichen Stamm gehört. Mein Volk ist bei weitem nicht so gastfreundlich.
    Wir überquerten die Grenze nach Arizona und sausten nach Phoenix. Eine Zeitlang wurde die Landschaft wi e der gebirgiger, das Gelände wirkte nicht mehr so, als sei das Betreten verboten. Hier war das Land der Indianer – der Pimas. Wir konnten einen Blick auf den Coolidge-Damm werfen; Erinnerungen an den Erdkundeunterricht. Als wir hundert Meilen östlich von Phoenix waren, b e gannen schon Plakattafeln, uns einzuladen – nein, zu b e fehlen –, in einem der Motels der Stadt abzusteigen. „Verbringen Sie einen wunderbaren Urlaub im Tal der Sonne.“ Die Sonne brannte hier bereits am späten Nac h mittag auf uns nieder. Unverrückbar hing sie über der Windschutzscheibe und schleuderte rotgoldene Pfeile in unsere Augen. Oliver fuhr wie ein Roboter, setzte eine glitzernde Sonnenbrille mit silbernem Gestell auf und machte weiter. Wir rasten durch eine Stadt, die Miami hieß. Kein Strand und keine Weiber im Nerz. Der Hi m mel war jetzt purpurn und rosa von Rauch, den die Schornsteine ausstießen. Die Luft roch nach Auschwitz. Was wurde hier nur verbrannt? Kurz vor der eigentlichen Stadt entdeckten wir den riesigen grauen Wall einer stil l gelegten Kupfermine, der wie ein Schlachtschiff aussah; ein großer Hügel, aufgeschüttet aus dem Abraum vieler Jahre. Gegenüber davon, auf der anderen Seite des Highways, stand ein riesiges, protziges Motel, wah r scheinlich für diejenigen erbaut, die scharf darauf sind, die Vergewaltigung des Erdbodens aus nächster Nähe bewundern zu können. Hier wird Mutter Natur kremiert. Angeekelt rasten wir weiter, durch unbesiedeltes Land. Saguaro, Palo Verde, Ocotillo. Wir rauschten durch einen langen Gebirgstunnel. Verloren das unbewohnte Land. Die Schatten wurden länger. Hitze, Hitze, Hitze. Und dann ganz plötzlich die Tentakel städtischen Lebens, die sich vom immer noch entfernten Phoenix aus erstreckten: Vorstädte, Einkaufszentren, Tankstellen, Verkaufsbuden mit indianischen Souvenirs, Motels, Neonlicht, Imbi ß stuben, die Tacos, Vanillesoße, Hot Dogs, Brathähnchen und Roastbeef-Sandwiches anbieten. Oliver ließ sich zum Anhalten überreden, und wir genehmigten uns T a cos unter unheimlichen gelben Straßenlampen. Und we i ter. Graue Klötze von immensen, fensterlosen Behörde n gebäuden flankieren die Straße. Hier ist das Geld zu Hause, hier wohnt der Überfluß. Ich war Fremder in e i nem fremdartigen Land, ein armer, verwirrter, entfre m deter Jid von der Upper West Side, der an Kakteen und Palmen vorbeihuschte. So weit weg von zu Hause. Diese flachen Ansiedlungen, diese glitzernden einstöckigen Bankgebäude aus grünem Glas und mit psychedelischen Plastikzeichen. Pastellfarbene Häuser mit grünem und rosafarbenem Stuck. Ein Land, in dem Schnee unbekannt ist. Amerikanische Flaggen flattern. Friß es oder hau ab, Kerl! Hauptstraße, Mesas, Arizona. Die Testfarm der Universität von Arizona liegt direkt am Highway. Weit entfernte Berge leuchten in der blauen Dämmerung. Jetzt befinden wir uns auf dem Apache Boulevard in der Stadt Tempe. Räder quietschen, eine Kurve. Und unvermittelt sind wir in der Wüste. Keine Straßen, keine Plakattafeln, nichts: Niemandsland. Dunkle, klumpige Formen zu u n serer Linken: Hügel und Berge. Weit vorn

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