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Bruderschatten

Bruderschatten

Titel: Bruderschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Bechtheim
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bin nicht wie du. Ich habe nicht die Kraft.«
    Ich hätte sie ihr gern gegeben. Ich sagte: »Die Liebe erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles.«
    »Was ist das? Ein Gedicht?«
    »Erster Brief von Paulus an die Korinther, 7. Vers. Liebe versetzt Berge. Steht an derselben Stelle, zwar nicht wörtlich, ist aber so gemeint. Daran solltest du dich halten.«
    Ich sagte nicht, was mir noch durch den Kopf ging. Liebe versetzte Berge, aber Hass setzte manchmal mehr Energie frei. Koslowskis Hass hatte mit der vernichtenden Kraft einer Kernschmelze in ihm gebrannt.
    Ich nahm das Aufnahmegerät, klappte es auf, zog das alte Band heraus und legte es auf den Tisch.
    »Es gehörte Peter Bartels«, sagte ich. »Willst du es hören?«
    Sie rutschte auf der Bank nach vorn. Ihre Hände begannen zu flattern und strichen über das Band. Sie verschränkte die Finger ineinander und schüttelte den Kopf.
    »Du weißt, was drauf ist, nicht wahr?«
    Sie schwieg.
    »Bartels starb, weil Leo und Charles bei ihm eine Sicherheitskopie hinterlegt hatten. Er war an seinem Todestag bei deinem Stiefvater und hat ihm das Band vorgespielt, damit er dich endlich in Ruhe lässt, Lauren.«
    Ihr Gesicht wurde kreidebleich.
    »Ein paar Stunden später ist Peter Bartels mit dem Auto angeblich tödlich verunglückt«, fuhr ich fort. »Mit einem enormen Alkoholspiegel. Dabei trank er gar nicht mehr.«
    »Ich weiß«, sagte sie.
    »Es gibt Leute, die annehmen, dass er ermordet wurde.«
    »Peter Bartels wurde ermordet?«, fragte sie tonlos.
    »Sprich mit mir, Lauren. Rede, meine Güte! Wie viele Menschen sollen denn wegen dieses Bandes noch sterben?«
    »Wieso hast du es, wenn Peter Bartels deshalb ermordet wurde?« Es war ein Aufbäumen in ihrer Stimme, ein schwaches, kaum hörbares.
    »Es existieren Kopien von der Aufnahme.«
    »Sie hat es getan«, brach es aus ihr hervor. »Sie hat es einfach getan.«
    Das war der Moment, auf den man in jedem Interview wartete. Es war der Augenblick, in dem die Menschen endlich hinter ihren sorgsam errichteten Mauern hervorkamen und man sich der Wahrheit näherte. Ich wollte diesen Moment auf keinen Fall verlieren.
    »Wer, Lauren? Wer hat was getan?«, fragte ich so sanft wie möglich.
    »Nora Schnitter«, sagte sie. »Dieses Mädchen, das ich …« Sie räusperte sich. »Eine der Zwillinge. Sie kam, um ihre Schwester zu identifizieren. Sie war bei mir. Die Mädchen hatten die Adoptionsunterlagen angefordert. Sie wollten wissen, wer sie sind. Als ob man dazu wissen muss, wer die leiblichen Eltern sind.«
    »Muss man, glaube ich, manchmal.«
    »Sie hatte meine Adresse von Margo bekommen. Der Name Swann ist selten. Margos Adresse hatte sie im Telefonbuch gefunden, und Margo sollte ihr erzählen, wie Charles ums Leben kam. Nora glaubte ja, Charles wäre der Vater.«
    Ich wartete.
    »Margo schickte Nora zu mir. Aber ich habe sie weggeschickt. Am nächsten Tag stand sie wieder vor der Tür. Sie sagte, Charles wäre nicht ihr Vater, aber sie hätte ein Recht darauf zu erfahren, wer ihr Vater sei, und Margo wollte es ihr nicht sagen. Sie drohte mir, meinen Kindern zu erzählen, dass sie meine Tochter sei und dass ich eine schlechte Mutter sei, die sich nicht um ihre Kinder kümmert. Die sie einfach weggibt, wenn sie ihr nicht passen.«
    Ihre Lippen zitterten. Sie stand auf und fragte, ob ich etwas zu trinken wollte.
    Ich schüttelte den Kopf und beobachtete sie.
    Sie nahm sich ein Glas, goss Johannisbeersaft hinein und trank. Sie behielt einen roten Oberlippenbart zurück und wischte flüchtig mit der Hand darüber. Es blieb ein Rest in den flaumigen Härchen über dem Mund hängen. Ich legte einen Finger auf meine Lippen, und sie wischte noch einmal darüber.
    »Wer ist der Vater?«, fragte ich.
    »Leo.«
    »Nein.«
    »Leo«, wiederholte sie störrisch.
    »Paul ist der Vater«, sagte ich.
    Dann sagten wir eine Weile nichts.
    »Deine Mutter …«, begann sie. »Deine Mutter hat mir geglaubt. Sie wusste, dass Leo und ich zusammen waren. Leo hatte ihr erzählt, dass ich von ihm schwanger war.«
    »Was willst du damit sagen, Lauren?«
    »Leo wollte mich heiraten«, sagte sie.
    »Du hast Leo und später auch meiner Mutter weisgemacht, er sei der Vater. Du hast diese Nora zu Eddie geschickt, damit sie ihr etwas über ihren Vater erzählt. Eddie glaubte, mit ihrer Enkelin zu sprechen, und schenkte ihr die Uhr, die sie später an Noras Arm gefunden haben. So war es doch, Lauren, oder?«
    Sie rieb sich die Augen.

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