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Bruderschatten

Bruderschatten

Titel: Bruderschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Bechtheim
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den Deckel zu und besorgte mir noch einen Kaffee. Es war nicht einmal Mittag, doch ich war schon so erschöpft wie nach einem 16-Stunden-Tag.
    Als ich zum Auto zurückkam, steckte ein Zettel an der Windschutzscheibe.
    »Hören Sie auf, Dreck aufzurühren. Es könnte jemand Schaden nehmen.«
    Die Sätze sprangen mich an, nahmen mir den Atem, würgten mich. Ich lenkte mich ab und konzentrierte mich auf die Details. Times New Roman, die gebräuchlichste PC-Schrift. Normales 80-Gramm-Druckerpapier. Kein Absender.
    Ich sah mich um. Der Parkplatz war nicht sonderlich belebt, ich zählte ein halbes Dutzend Autos. Drei Plätze weiter weg aßen in einem Van ein älteres Ehepaar und zwei Jungen im Vorschulalter Burger. Aus dem McDonalds kam ein schlanker Mann mit einer Tüte in der Hand, ging direkt zu einem grauen Ford Fiesta, musterte mich, als er seinen Wagen öffnete, stieg ein und fuhr davon.
    Ich ging mit dem Zettel in der Hand zu dem Van und klopfte an die Scheibe.
    Der Fahrer ließ sie herunter und steckte seinen Kopf heraus. »Was ist?«, fragte er unwirsch.
    Ich fragte, ob sie zufällig jemanden an meinem Auto bemerkt hätten.
    »Klar!«, krähte der kleinere Junge von hinten.
    »Ein Mann war da!«, kreischte der größere.
    Ihr Großvater lächelte und nickte. »Er hat hinter alle Scheibenwischer Visitenkarten gesteckt. Haben Sie das nicht mitbekommen?«
    Ich schüttelte den Kopf und fragte, ob ihn jemand beschreiben könnte.
    »Groß«, sagte der kleinere Junge und zappelte aufgeregt auf dem Sitz herum, so dass ich um den Burger und die Bezüge fürchtete.
    »Mit einem Anorak«, ergänzte der Großvater. »Ich glaube, der war blau.«
    »Nein, ich glaub, der war braun«, widersprach der größere Junge.
    »War er nicht doch blau?«, fragte die Großmutter. »Ich glaub, Vatti hat Recht.«
    Vatti? Da hatte ich mich aber gehörig verschätzt. Sie diskutierten weiter. Jeder hatte etwas anderes gesehen. Einig waren sie sich darin, dass es ein junger, schlanker, mittelgroßer Mann gewesen war und dass sie nichts über die Haarfarbe wussten, weil er ein Kapuzenshirt tief in die Stirn gezogen hatte.
    »Kein Wunder bei dem Wetter«, sagte der Vater, und alle nickten.
    »Da ist er doch!«, krähte der kleinere Junge aufgeregt und fuchtelte mit dem Arm vor der Nase seines älteren Bruders herum, während sich sein Körper vor Begeisterung über die eigene Wichtigkeit in die Höhe schraubte und Mayonnaise auf den Sitz tropfte.
    »Wo?«, riefen alle durcheinander, und die Köpfe fuhren in die Richtung, in die der Arm zeigte. Der Mann trug einen blauen Hoody, darüber eine braune Daunenweste, schwarze Bikerboots, Röhrenjeans, Silberkette an der Jeanstasche. Er beugte sich zu einem Mountainbike, das an der Wand neben der Herrentoilette lehnte, und entfernte ein schwarzes Bügelschloss.
    Ich stürmte auf ihn zu. Mit dem Rad bei den Straßenverhältnissen? Ich hatte eine Chance, ihn zu erreichen, bevor er losfuhr, und rannte noch eine Spur schneller.
    Er sah mich kommen, warf sich das Schloss um den Hals, sprang aufs Rad und trat in die Pedale. Ich fluchte in mich hinein. Ich war 42, er wahrscheinlich halb so alt. Ich war zu Fuß, er saß auf einem Rad mit Geländereifen und raste über den freigeräumten Parkplatz zum Ausgang. An der Straße bremste er, schwenkte den Lenker scharf rechts ein, und ich sah ihn schon stürzen.
    Doch er riss den Lenker in die Höhe, drehte sich zu mir um, reckte den Arm empor und zeigte mir den Mittelfinger, während ihn ein Lachen schüttelte. Das Vorderrad knallte zurück auf den Asphalt, er trat in die Pedale und verschwand aus meinem Blickfeld. Ich lief bis zur Straße, als würde mich ein unsichtbares Band hinter ihm herziehen, und blieb dann keuchend stehen, die Hände in die Seiten gestützt.
    »Was war das denn?«, fragte Gregor Patzig auf einmal neben mir, ebenfalls etwas außer Atem.
    »Haben Sie geschlafen oder was?«, fuhr ich ihn an.
    »Der hat doch nur Visitenkarten verteilt.«
    »Er hat mir einen Zettel mit einer Drohung hinter den Scheibenwischer geklemmt«, sagte ich und hielt ihm den Zettel unter die Nase, »und am besten ist, Sie bringen ihn sofort aufs Revier.«
    »Ich hab meine Anweisung. Und die lautet, ich soll Ihnen folgen, egal was passiert.«
    Er zog ein Paar Einmalhandschuhe aus einer Ärmeltasche, eine Tüte aus einer anderen und steckte den Zettel hinein. Ich traute meinen Augen nicht. Gregor Patzig war auf alles vorbereitet.
    »Jemand will Ihnen Angst machen«, sagte er

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