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Brüchige Siege

Brüchige Siege

Titel: Brüchige Siege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bishop
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Paar neue Beinkleider oder Stiefel mehr Karibufelle zu benötigen, als sie für jeden anderen männlichen Ungpekmat benötigt hätte.
    Gewiß, uns verband eine große Liebe, gleichwohl entzog
    meine Verbindung mit Keriak einer der schlimmsten
    Befürchtungen meines Schöpfers den Boden. Seine ethischen
    Bedenken, mir eine Gefährtin zu erschaffen – ja der eigentliche Grund, sie zu zerstören, anstatt ihr den Odem des Leben
    einzuhauchen – gipfelten in der Prognose, wir könnten eine Rasse von ›Teufeln‹ hervorbringen. Diese mutmaßliche
    Spezies, so glaubte Frankenstein, werde ihre ganze Heimtücke auf die blinde Ausrottung der Menschheit verwenden. Seine
    Befürchtungen waren gegenstandslos. Keriak und ich bekamen keine Kinder. Anfangs lastete man ihr dieses Versagen an,
    denn die Inuit betrachten Unfruchtbarkeit grundsätzlich als weibliche Unvollkommenheit – solange die kinderlose Frau
    nicht vom Samen eines anderen geschwängert wird, oder bis
    sich herausstellt, daß sie von einem böswilligen Schamanen verhext wurde. Keriak und ich kannten aber niemanden, der
    uns feindlich gesonnen war, und wiewohl es vorkommt, daß ein Esquimaux-Ehemann dem männlichen Besucher – sozusagen
    aus Gastfreundschaft – anbietet, sich am Leib seiner Frau zu erfreuen, habe ich diesen Brauch immer abgelehnt, so
    besitzergreifend war meine Liebe und so blind meine
    Ergebenheit. Dieser eine Charakterzug mußte die Ungpekmat
    kränken, doch angesichts meines tagtäglichen Einsatzes für das Gemeinwohl übten sie Nachsicht mit mir. Hinzu kam, daß Ungpek inzwischen den Ruf hatte, gegen Überfälle, bösen
    Zauber und Hungersnot gefeit zu sein. Wenn es jemanden gab, der Anstoß an meiner besitzergreifenden Liebe nahm, dann
    war es Keriak.
    Das mag sich anhören, als würde ich meine Frau der
    Wankelmütigkeit bezichtigen, vielleicht sogar der
    Treulosigkeit, doch der Vorwurf verblaßt, bevor er Gestalt annimmt. Bei den Inuit bedeuten Kinder Status und Sicherheit.
    Sie sind ein großer Segen für die Eltern, zunächst weil sie sich alles und jedes durch Schmeicheleien erpressen müssen, und später durch ihrer Hände Arbeit. Beim Jagen und Fischen,
    Kochen, Nähen, Bogenschnitzen und hundert anderen
    lebenswichtigen Tätigkeiten stellen sie ihren Wert unter
    Beweis. Keriak trug daher schwer an der Aussicht, kinderlos zu bleiben, und die Bemerkungen ihrer weiblichen
    Verwandten, so achtlos und milde sie waren, wurden ihr
    immer unerträglicher. Sie hatte diesbezüglich schon viele
    Scherze über sich ergehen lassen müssen, darunter manch
    verletzenden, der auf ihre Ehe mit einem grotesken Fremdling anspielte, auch wenn der die Dorfgemeinschaft als Ganzes
    durchaus bereichert hätte. Und von einem Tag auf den
    anderen begann Keriak mich zu bedrängen, sie männlichen
    Blutsverwandten anzubieten, die von außerhalb zu Besuch
    weilten; nur so könne ich zeigen, daß ich ein richtiger Inuit geworden sei, und ihr beweisen, wie unanfechtbar meine Liebe sei.
    Ein ums andere Mal lehnte ich ab. Statt dessen schnitzte ich aus Elfenbein ein Kind, das nur wenig größer war als meine Hand; die Puppe verkörperte meine Bitte an die Injua, die guten Geister, und sollte unser Fetisch sein. Keriak und ich zogen sie an und hätschelten sie, als sei sie unser Baby,
    fütterten sie mit Waldsellerie, Wildkartoffeln und sogar einer Delikatesse aus Baumstachler, Prachtbrombeermus und einem
    Tran, den man hierzulande Agutak nennt. Doch keine dieser
    beschwörenden Zuwendungen half Keriak schwanger zu
    werden; ihr Leid wurde nur noch größer. Als ich eines Tages von der Jagd auf Polarhasen zurückkehrte (diese Geschöpfe
    waren zur Zeit so zahlreich vertreten wie der Dorsch im
    Unterholz), fand ich unser Elfenbeinbaby zerbrochen auf
    einem Abfallhaufen. Ich bückte mich, um mein Gesicht in
    Keriaks rötlich schimmerndes Haar zu drücken, doch sie stieß mich fort und weinte hemmungslos.
    Wenige Tage später bekam Ungpek Besuch von drei
    Robbenjägern aus Shishmaref, einer von ihnen war ein
    Blutsverwandter von Asvek. Keriak bat mich, wenigstens einen der Männer bei uns aufzunehmen. Ich weigerte mich. Ich
    wollte meine Frau mit niemandem teilen, erst recht nicht mit einem dieser ausgelassenen Fremden; mehr noch, ich wollte
    für die Dauer ihres Aufenthalts erst gar nicht im Dorf sein. Ich würde mich solange in den Wald zurückziehen und den
    Injukutak, den ›Mann, der sich versteckt‹, spielen. Es wäre ein Hohn auf die guten Sitten, wenn Keriak

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