Brüchige Siege
in meiner Abwesenheit einen männlichen Besucher bei sich aufnahm, zumal Asvek
oder Keglunek, ein angesehener Alter, annehmen würden, daß ich unterwegs war, um Fallen auszulegen.
Sobald sie meine Absicht durchschaute, verließ Keriak
trockenen Auges das Haus, überquerte den Dorfplatz und
suchte das Haus ihres Schwagers auf. Dort bewirtete sie, wie ich bei meiner Rückkehr erfahren sollte, den Stürmischsten des Shishmaref-Trios, einen jungen Jäger mit Vollmondgesicht und lachenden Augen. Danach brach sie mit ihm zur Küste auf.
Neun Monde später, in einer Nacht aus krachenden Eiskrusten und einem Sturm, der mit den Wölfen heulte, brachte Keriak im Kreis eines anderen Klans einen Jungen zur Welt, dessen
Augen fast so sprühten wie die seines Vaters. Das freudige Ereignis kam Wochen später meinem Schwager zu Ohren, und
ganz Ungpek begriff, was das hieß: Ich, der Tekuka, war nicht zeugungsfähig, und Keriak, meine ehemalige Frau, hatte die Verleumdung ertragen müssen, ›unfruchtbar‹ zu sein, auch
wenn die üble Nachrede – um meinen Stolz nicht zu verletzen –
häufig als Scherz dahergekommen war.
Seltsamerweise war man so glücklich über Keriaks
Nachwuchs, daß man mir keinerlei Vorwürfe machte wegen
des Unrechts, das ich ihr angetan hatte – an dem in Wahrheit viele von ihnen mitgewirkt hatten. Auch suchte mich niemand für die Erniedrigung zu bestrafen, die Keriak meinetwegen
erlitten hatte, oder mich wegen meiner Impotenz zu verspotten.
Ich blieb bei den Ungpekmat und führte in Keriaks altem
Clan fortan das Dasein eines Junggesellen. Jeder andere an meiner Stelle hätte vielleicht einen Statusverlust erlitten, doch ich besaß Eigenschaften, die meine Schande wettmachten.
Wiewohl mich keine der hiesigen Frauen zum Ehemann haben
wollte, fehlte es mir nicht an Liebhaberinnen.
Zwei Jahre später kam Keriak mit Kind und Kegel zu Besuch
nach Ungpek. Auf Drängen von Kesgulik, ihrem Ehemann,
schlief ich noch einmal mit meiner ersten und letzten Liebe und lachte mich im Augenblick unseres kleinen Todes von Herzen in ihre kleine Umarmung hinein. Die bittere Süße dieser
Leihgabe ließ mich weitere Einladungen Kesguliks ablehnen.
Nach einer Woche brach sie mit ihrer kleinen Familie wieder zu ihrem Dorf an der Küste auf; wir haben uns seither nicht mehr gesehen.
Oh, Frankenstein (habe ich manches Mal gejammert), und
deshalb hast du damals meine Gefährtin in spe zerstört – aus Angst, ich könnte mit ihr eine Rasse titanischer Mörder
zeugen?
Und wenn dein teuflischer Samen (lautete die eingebildete
Antwort) nun ein Weib nach deinem Bilde doch geschwängert
hätte? Diese vage Möglichkeit war, wenn überhaupt, nur ein schwacher Trost für mich.
Meine Zeit mit den Ungpekmat war trotz allem eine
glückliche Zeit – Jahrzehnte gingen ins Land. Ich hörte von Unruhen – vor allem zwischen den Asjagmat und den Kosaken
in Fort Saint Michael – doch mein Stamm scheute
Handelsbeziehungen mit Außenseitern und entging den
Ängsten und dem Blutvergießen solcher periodischen
Umwälzungen. Ich hörte auch von der Pockenepidemie, die
viele Dörfer der Inuit heimsuchte und Hunderte von Toten
forderte, doch unser Dorf blieb von der Seuche verschont, und der einzige Ungpekmat, der ihr erliegen sollte, hatte sich bei einem Besuch in Egavik am Norton-Sund* angesteckt und
starb fern der Heimat.
Im allgemeinen hatte ich nach wie vor keine Lust, irgendwem unter die Augen zu kommen, der nicht in Ungpek lebte – vor allem keinem Europäer, die mich bei jeder Gelegenheit nur
verwünschen und mißhandeln würden. Als ein kleiner Trupp
weißer Ärzte nach Ungpek kam, um uns gegen Pocken zu
impfen, zog ich mich aus dem Dorf zurück und blieb fort, bis sie ihre Arbeit getan hatten und wieder abzogen. Wenn
Händler kamen, suchte ich das Weite.
In Streitfällen mit benachbarten Inuits schloß ich allerdings, um den Ungpekmat gerecht zu werden, einen Kompromiß und
zeigte mich unseren potentiellen Gegnern, so wie sich
zweifelsohne die Philister des Goliath bedient hatten – bis zu jenem fatalen Zwischenfall mit David. Auf diese Weise und
durch meine Treue zu den Ungpekmat gewann ich unter den
Esquimaux dieser Region einen nahezu legendären Status.
»Der Mann, der sich versteckt, Injukutak, lebt in Ungpek«, hieß es bei den Jägern. »Er ist ein Mensch, und er ist ein Bär.
Er kann seine Gestalt wechseln wie Injua aus der Eiszeit.«
Während die Jahre verflogen, verfolgte ich,
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