Brüchige Siege
eines rotweißen Taxis. Vorne saß Curriden, ließ die
Finger auf dem Armaturenbrett trommeln und gab
Anweisungen. »Penticuff Strip«, hörte ich ihn sagen. »Wing
and Thigh.« Hinter uns versank das Stadion wie ein Dreimaster
hinter der Erdkrümmung.
Die Straßen pulsierten vor Energie. Ob in schicken weißen
Gegenden oder in heruntergekommenen farbigen, die
Nachricht von unserem Sieg hatte sich wie ein Lauffeuer
verbreitet. Unser Fahrer, ein schwarzer Mann mit
Pferdegesicht, lehnte sich aus dem Fenster und brüllte seinen
Freunden an der Straßenecke zu: »Platz da! Horridoh, hier
kommen ein paar superscharfe Hellbenders! Platz da!«
»Sei still«, sagte Curriden. »Wir sind inkognito heute abend.«
Du meinst wohl, dachte ich, damit Mister JayMac nicht
erfährt, wohin wir unterwegs sind, und uns mit seinen
Geldbußen den Hahn zudreht. Das Prickeln in meinem Hirn
zerfloß zu einem Dutzend pochender Kopfschmerzen.
Wir passierten den Wochenmarkt und überquerten die
Geleise zwischen dem Geschäftsviertel im Norden und dem
neonbunten Teil des Penticuff Strip im Süden. Der Fahrer
folgte den Schienen in östlicher Richtung und hielt sich rechts.
Die Gasse vor uns – ein Tunnel aus aufgeregten elektrischen
Schildern und uniformierten GIs – wuchs zu einer wahren
Karnevalsdienstagsparty heran.
»Jesus, alles nur Soldaten«, sagte Mariani.
Parris sagte: »Seid nett zu ihnen, und sie lassen euch
zufrieden.«
Der Fahrer setzte uns vor einem Lokal ab, das sich auf
Brathühnchen mit Kohlsalat spezialisiert hatte: The Wing & Thigh. Jemand hatte Filmposter an die Scheiben geklebt und Zettel, die zur freiwilligen Hilfe bei der Herbsternte aufriefen.
Curriden hielt mir, Mariani und Parris die Tür zum Wing & Thigh auf.
Das Lokal war ein Schlauch so lang und breit wie zwei bis
drei Eisenbahnwaggons mit einem Tresen längs der einen und
einem Dutzend Tischen längs der andern Seite. Am anderen
Ende war durch den Rauch, der sich über den Tischen
kräuselte, eine wenig Vertrauen erweckende Holztreppe zu
erkennen, die auf eine ebensolche Empore führte; darunter
glühte über einem schmalen Vorhang aus Perlschnüren ein
rotes EXIT. Eine Jukebox schmetterte Bing Crosbys White
Christmas, doch die Gerüche nach Rübenkraut, Pfeffersoße und Brathühnchen hatten nichts Weihnachtliches. Wir hatten
gerade mal Juli.
»Du willst nichts?« fragte mich Curriden.
Aha-ah. Nach einer Stunde oder so wollte ich mit den
Pharrams essen.
»Ich schon«, meinte Curriden. »Mach mal, Vito.« Er drückte
Mariani einen Fünfer in die Hand – wie Diamond Jim Brady
dem Pförtner. »Bestell uns drei ordentliche Teller mit Salat,
Chips und eisgekühltem Tee, und gib mir den Rest zurück,
wenn ich wiederkomme.«
»Wohin gehst du?« wollte Parris wissen. Sein Singsang legte
nah, daß er Bescheid wußte. »Damit Danny nicht leer
ausgeht?«
Curriden packte meine Hemdbrust und zog mich durch den
Schlauch voller eingetrockneter Bierpfützen und durch den
Gestank nach Essig und Bratfett nach hinten auf die Treppe zu.
GIs sahen von ihren Tischen auf, und ein paar von den
Mädchen (soviel Seide auf einmal hatte ich noch nie erlebt),
die bei ihnen saßen und mit fettglänzenden Fingern an
Brathühnchen knabberten, winkten mir zu oder langten aus,
um mich in die Seite zu zwicken. Mama hätte sie ›leichte
Mädchen‹ genannt, und mir schwante schon, wie der Name
Wing & Thigh zustande gekommen war.
Die Tür auf der ächzenden Empore öffnete sich auf eine
weitere Treppe an der rückwärtigen Hauswand. Sie trug uns
bis an eine Tür, die sich auf eine Diele direkt über der Küche und dem Servierbereich öffnete. Curriden bugsierte mich zu
einer kleinen Theke, hinter der eine Frau in einem
elfenbeinfarbenen Kostüm mit busenhoher Taille und ovaler
Aussparung rings um den Bauchnabel wartete. Ersparen Sie
mir weitere Einzelheiten.
»Was kann ich für Sie tun, Gentlemen?« sagte sie.
»Nur für Danny Boy«, sagte Curriden. »Er ist mein kleiner
Bruder.«
Rechts von ihr war in Schulterhöhe eine geriffelte Leiste
angenagelt, an der – ähnlich wie beim Friseur –
Nummernschildchen hingen. Die Haken standen paarweise
zusammen, über jedem Paar stand ein weiblicher Vorname,
und bei vier Namen hing neben den Nummern noch ein
Schildchen mit ›Not Available‹.
»Heute abend stehen Flossie, Jordan Kaye, Roberta, Sabrina
und Irene zur Verfügung«, sagte die Frau.
»Geben Sie ihm Sabrina«, sagte
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