Brüchige Siege
Couch
ohne Rücken und Lehnen), einen Klappstuhl, eine Stehlampe
und eine zweite Tür gegenüber der ersten. Die Ladies des Wing
& Thigh hatten also mindestens zwei Ausgänge – ganz wie die Präriehunde in ihren Erdhöhlen.
Über Miss Loveburns Bett glänzte das Ölportrait einer Tahiti-
oder Samoa-Maid, der Sarong ließ eine braune Brust
unbedeckt. Die Sonne, die hinter der Maid unterging, war
genauso drall wie die nackte Brust.
Der Blick aus Miss Loveburns violett geschminkten Augen
sondierte meine Haut. Die Frau machte auf mich den Eindruck
einer halbwegs hübschen aber genervten Lehrerin. Hätte sie
unter dem Johnny-Mack-Brown-Hemd etwas anderes als ihre
Haut getragen, ich hätte mir vorstellen können, wie sie mit
artig zusammengedrückten Knien in der Bank einer
Baptistenkirche saß.
»Baseballspieler sind mir lieber als Soldaten«, sagte sie.
»Besonders kurz nach dem Spiel. Die meisten gehen danach
unter die Dusche. Bei ‘nem GI weiß man nie. Manche kommen
und duften wie ‘ne Kölnischwasserfabrik, andere stinken wie’n
gottverdammter Ziegenstall, tut mir leid, wenn ich das so sage.
Du kannst froh sein, wenn sie sich mit ‘nem saubren
Waschlappen waschen und dir nicht die Grippe dalassen und
dir das Wochenende versauen.«
Miss Loveburns Blick bohrte sich in meine Haut. »Komm
her. Das ist nichts, was man telefonisch machen kann.« Sie
schüttelte den Kopf. »Wenn du nicht reden kannst, kannst du
natürlich auch nicht telefonieren – höchstens die Nummer
wählen, hab ich recht? Oder hören vielleicht. Du scheinst mir
ganz gut zu hören. Komm her. Laß dich beschnuppern.«
Durch ihr Gerede hatte Miss Loveburn an Schrecken
verloren. Ich ging zu ihr. Sie legte mir die Hände auf die
Schultern und beschnupperte mich unterm Kinn und an den
Ohren, ganz wie ein Hund es an den Hosenbeinen seines
Herrchen tut, nachdem eine Katze in der Nähe gewesen war.
Derweil sie mich beschnupperte, beschnupperte ich ihr Haar –
eine wogige glitzerbraune Wolle, die nach Zigaretten und
Talkumpuder roch. Ich mochte den Geruch.
»Nicht schlecht«, sagte Miss Loveburn. »Ein bißchen
kindlich vielleicht.« Von den Ohren wanderte sie zu meinem
Brustbein und von dort zu den Achseln und schnupperte mal
hier und mal dort. »Geduscht oder nicht geduscht, hier kommt
schon ein klein wenig Reife durch.« Sie schob die Hände unter
meine Arme und richtete sich kerzengerade auf. »Was will ich
mehr, hm? Ein junger Bursche, dem das Klima zu schaffen
macht. Ist schon okay. Du bist mir recht.«
Sie schnupperte an meinem Mund. »Rauchst schon, was?
Läßt du besser.« Sie hob meine Lippe an, um Luft an die
Eckzähne zu lassen. »Macht die Perlmuttchen nur gelb.
Wenigstens kaust du nicht. Riechst aber ein bißchen hungrig.
Hast du Hunger?«
Ich war zum Essen verabredet, doch Miss Love-burn ließ
meine Schultern nicht los.
»Jetzt du«, sagte sie. »Sag mir, was für sumpfige
Wohlgerüche ich verströme. Fair ist fair.«
Ich tat ihr den Gefallen und beroch ihre Stirn und ihre
Augenbrauen: Talkumpuder, schaler Zigarettenrauch,
Frauenschweiß, die öligen Gerüche vergangener Liebhaber.
Alles ziemlich schwach, nichts allzu Übles. Unangenehm
ranzig roch nur das Zimmer – das Bett: Schweiß, befleckte
Leintücher, Kochdünste aus dem Parterre.
»Aber sagen kannst du ja nichts. Hab noch nie mit einem
Stummen zu tun gehabt – kann das auch nicht richtig glauben.
Laß mal sehen. Mach auf.« Sie schob wieder meine Lippe
hoch, und ich sperrte weit auf, dann lockerte sie meinen
Schlips und spähte mir in den Mund. »Entspann dich. So ist
gut. Ein geschenkter Gaul bist du doch nicht, oder? Bei dem,
der bezahlt hat, hab ich’s leichter. In meinen wird aber nicht geguckt. Fair ist fair, aber klug ist klug und schlau ist schlau.«
Sie setzte mir die Fingerspitze auf die Zunge. »Lippen okay.
Zunge okay.« Sie sondierte mit einem anderen Finger. Ich
mußte mich beherrschen, um nicht zuzubeißen. »Hals okay.
Stimmbänder – Ah – Ah – aufhalten – Ah – wo sind sie denn?
Hat die jemand rausgeschnitten? Ausgeräumt wie
durchgeschmorte Leitungen?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Warum dann die Sprachlosigkeit, Honey? Das paßt nicht zu
einem jungen Mann von deinem Format.« Miss Loveburn
führte mich zu ihrem Bett, setzte sich auf die Kante und zerrte an mir, bis ich rechts von ihr saß. Ihr Hemd bedeckte nicht
mehr, was es eben noch bedeckt hatte. Ich sah die
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