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Brüchige Siege

Brüchige Siege

Titel: Brüchige Siege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bishop
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Burley.
    Ich hüpfte wie bei Himmel-und-Hölle über den verbeulten
    Rahmen, die Fische und die Glasscherben und hielt
    schnurstracks auf die Theke und die Tür in die Freiheit zu.
    »Was, zum Teufel, ist hier los?« rief das Opfer von Popeye-
    Interruptus in dem Hokuspokuskabuff. »Was soll der Scheiß?«
    Ich zwängte mich an der Concierge vorbei und rannte
    treppab. Auf dem Absatz (mehr oder weniger) genau unter
    Miss Fidelias Etablissement hatte ich die Wahl: Ich konnte
    linkerhand durch die Tür ins Speiselokal oder weiter Xylophon
    auf der Treppe spielen bis in einen Lagerraum mit
    Hinterausgang. Ich wählte die Tür ins Lokal – da war ich
    sicherer.
    Gäste hin, Gäste her, Burley polterte mir hinterher. Vier
    Rekruten kamen die ächzende Stiege hoch. Ich wieselte mich
    durch und sprintete an den prallvoll besetzten Tischen vorbei.
    Ich wünschte mir nichts sehnlicher, als daß da noch Curriden,

    Quip und Vito saßen und an ihren Hühnchenknochen
    lutschten. Ha. Da hätte ich mir auch Tojos* kaiserliche
    Streitkräfte wünschen können.
    »Haltet ihn fest!« schrie Burley, der sich zwischen den
    ausufernden Tischen und der belagerten Theke
    hindurchschaukelte. »Den da mit den gottverdammten Ohren!«
    Ein GI im Eingangsbereich packte mich beim Arm. »Wohin
    willst du, Dumbo?« Er hatte den Spitznamen aus dem Stegreif
    erfunden.
    Burley stürmte heran, sein pummeliger Ellbogen traf den
    Soldat in der Magengrube. »Danke«, keuchte Burley und nahm
    meinen Schlips in die Faust. »Ich hab den Idiot beim
    Schlafittchen. War mir ein Vergnügen, Mister.«
    Phoebe würde mich von jetzt an hassen. Ich würde den
    Zapfenstreich verpassen. Vielleicht würde mein junges Leben
    in einer Gasse zwischen Abfalltonnen enden. Burley zerrte
    mich nach hinten. Wo wir vorbeikamen, winkte man mir zum
    Abschied, ein Bursche nahm seinen verstörten Terrier beim
    Halsband.
    »Würden Sie bitte meinen Freund loslassen.«
    Burley und ich drehten uns um. Mitten im Lokal stand Jumbo
    in seinem Gehrock à la Abraham Lincoln und einer schwarzen
    Hose, deren Stoff gereicht hätte, um drei normalgroße
    Brautführer einzukleiden. Sein Gesicht hätte den Big Ben zum
    Schweigen gebracht. Es ließ das Rouge auf den Lippen von
    einem halben Dutzend Frauen erbleichen und die Wangen von
    einem ganzen Zug Infanterie einfallen.
    »Wer, zum Teufel, sind Sie?« Burley bekam nicht das große
    Zittern – das muß man ihm lassen –, nur seine Stimme tat
    einen merkwürdigen Kiekser.
    »Henry«, sagte Jumbo. »Henry Clerval.«
    »Henry«, sagte Burley. »Oh, Henry.«

    »Vorsicht, Burley«, meinte ein GI. »Das ist Hank Clerval, der
    beste Mann am First in der ganzen CVL.« Er sagte das mit
    solchem Respekt, daß einem CVL beinahe wie eine vokallose
    Version von Clerval vorkam – ähnlich wie JHVH für
    Jehovah.*
    »Ich gehe nicht zum Baseball«, sagte Burley.
    »Na ja, weißt du, er zerknackt dich wie ein rohes Ei«, sagte
    der GI. »Er futtert kleine Negerkinder zum Frühstück.«
    »Das letzte ist eine verwerfliche Lüge«, sagte Jumbo.
    »War nicht so gemeint«, sagte der GI. »Gott ist mein Zeuge,
    es tut mir leid.«
    »Henry«, sinnierte Burley. »Ein einfältiger Henry.«
    »Lassen Sie Daniel los«, sagte Jumbo, doch Burley hielt
    meinen Schlips fest im Griff; die Enden fielen auf meine
    Schulter, mein Kopf wurde in eine schmerzhafte Schräge
    gezerrt. »Womit hat er sich Ihren Zorn zugezogen? Was hat er
    verbrochen?«
    Diese Fragen verblüfften Burley. Ich hatte mir bloß nehmen
    wollen, wofür Curriden bezahlt hatte (jetzt freilich erschauerte mein Gewissen bei dem Gedanken, Miss Loveburn attackiert
    zu haben); dann, als ich erfuhr, wie spät es war, hatte ich aus dem Wing & Thigh fliehen wollen. Versuchte Vergewaltigung und eine verpaßte Verabredung zum Dinner.
    »Er… ja, er hat ein Aquarium zerschmissen«, sagte Burley.
    »Und nun wollen Sie ihn mit nach oben nehmen, damit er
    den Schaden behebt?«
    »Nein, ich wollte ihn zum Hinterausgang schleppen und ihm
    einen Arschtritt verpassen«, sagte Burley. »Sieht der
    Hanswurst aus, als wär er Glaser?«
    »Ich denke, Ihre Chefin ist glücklicher über eine finanzielle
    Entschädigung als über einen mißhandelten Kunden, einen
    Prozeß und eine gerichtliche Schließung ihres Etablissements,

    das nicht nur die Brieftasche, sondern auch die Moral des
    amerikanischen Soldaten auslaugt.«
    Burley war nicht dumm. Er ließ meinen Schlips los, und ich
    ging mit soviel Würde, wie ich aufbringen

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