Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brüchige Siege

Brüchige Siege

Titel: Brüchige Siege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bishop
Vom Netzwerk:
weißer Mann.«
    Ich fand das lustig, konnte aber nicht lachen. Dar-ius zeigte
    mir die Waffe, eine Stupsnase mit Perlmuttgriff. Er drohte mir nicht damit, er wollte nur, daß ich sah, wie schön sie im
    milchigen Sternenlicht der Fenster glänzte und schillerte.
    »Wenn sie mich allemachen wollen, Danl, tja, dann puste ich
    vorher ein paar von ihnen ins Jenseits, bevor ich
    hinterhersteppe.« Er steckte den Revolver in die Tasche seiner khakifarbenen Arbeitshose. »Was, zum Teufel, willst du?«
    »D-D-Du schläfst hier?«
    »Im Bomber? Na klar. Besser als ‘ne Comfy Cabin an
    Weihnachten. Viel Platz. Keine lauten Radios. Kein Gezänk.
    Jawoll, Sir, ich schlafe hier.«
    »Hier d-d-draußen?«

    »Ich bin gerne allein.«
    »Und drüben in Quitman? Oder in L-L-Lanett?«
    »Was soll das, bist du der bestallte Schlafmeister? Oder willst du mich bloß mit deinem Mitleid überschütten?«
    Meine Zunge bäumte sich hinter die oberen Vorderzähne, wo
    sie wie ein nasses Kohlblatt steckenblieb.
    »Ich mach’s mal so rum, Danl. Dein Daddy ist tot. Dein
    Mund funktioniert nicht. Wohnst bei Clerval, dem
    Schrecklichen. Wie gefällt dir das, wenn ich mein Mitleid wie
    Himbeersirup über dich auskippe?«
    Nicht besonders. Daß er mir den Spiegel vorhielt, um mir
    meine eigene Fratze zu zeigen, mochte in seinen Augen fair
    sein, in meinen aber nicht. Warum spottete er über die
    Nächstenliebe, die ich für ihn empfand? Er summte etwas, das
    wie ein Blues klang, bückte sich und langte unter die Sitzbank.
    Er brachte eine Papiertüte zum Vorschein. In der Tüte steckte
    eine Flasche. Nicht schon wieder Schlehenlikör, dachte ich.
    Darius tat einen kräftigen Zug, wischte sich über den Mund
    und hielt mir die Flasche hin. Das Zeug stank wie
    Sauermaische-Whiskey der übelsten Sorte. Ich schüttelte den
    Kopf.
    »Paß mal auf, Danl. In fast allen CVL-Städten kenne ich
    Frauen, nur hier nicht. Bei ihnen finde ich Ruhe, oder sie
    nehmen sie mir und geben sie mir wieder zurück. Nur in
    diesem reaktionären Nest muß ich irgendwo zwischen den
    Feldern schlafen. Aber das hat auch sein Gutes. Ich habe
    meinen Frieden.« Er nahm wieder einen kräftigen Schluck.
    »Und wenn nicht, hat das nichts damit zu tun, wo ich schlafe.
    Es hat damit zu tun, wie ich lebe. Nur wenn ich lebe, wie’s mir paßt, kann ich schlafen, und ob ich das hier tue« – er zeigte mit dem Kinn zum Fenster hinaus auf die fahle Schneedecke aus
    Baumwolle – »oder da, wo du blind auf die Landkarte tippst,
    ist mir völlig schnuppe.«

    Ich sagte »Ja« und stand auf. Darius machte keine Anstalten,
    mich aufzuhalten. Ich hatte Hausfriedensbruch begangen, auch
    wenn er das Haus wie eine Schnecke mit sich herumtrug.
    »Besser, du gehst zu Fuß. Ich hab endlich mein Plätzchen
    gefunden, und dich zurückfahren, könnte ein paar Cops auf die
    Idee bringen, daß hier Parkverbot ist.«
    Ich hangelte mich an den Rücklehnen nach vorne.
    »Pschschsch…«, machte Darius laut.
    Glaubte er wirklich, Clem Eggling oder sonst ein Dorftrottel
    hier draußen im tiefsten Alabamastan könnte mich hören? Ich
    warf einen Blick über die Schulter. Darius prostete mir wortlos zu und stellte den Kopf schräg.
    »Guck nach vorne. Und mach nicht solchen Lärm. Du weckst
    noch den Kleinen auf.«
    Ich guckte. Auf einem der mittleren Sitze lag ein größeres
    Bündel, ein unförmiges Etwas auf dem Polster. Es atmete. Ich
    beugte mich vor, um besser sehen zu können. Es war Euclid,
    der Halbbruder von Darius und unser sporadischer Bat-Boy* –
    sporadisch, weil man ihn diesen Job nicht überall tun ließ. Und zu Überall gehörte auch Cottonton. Da Euclid nicht in
    Highbridge war, wo Mister JayMac ihn in der Regel ließ,
    mußte er sich während der Fahrt im Gepäckraum versteckt
    haben. Er schlief wie ein Sack Zement, der nach dem Regen
    abgebunden hat – schwer und fest.
    »Total erledigt«, sagte Darius. »Fix und fertig von der Fahrt.«
    Kein Scherz. Dieser Euclid, der da zusammengerollt lag,
    munterte mich auf. Darius war nicht allein, Euclid war ein
    Schnäpschen, das mehr wärmte als Whiskey, und nicht ganz so
    gefährlich war wie eine Pistole.
    »Egal, was mit mir passiert«, sagte Darius, »der Junge muß
    dran vorbei in seine eigene Zukunft. Mach ihm das klar,
    Danl.«

    Ihm klarmachen? Was konnte Darius passieren? Er konnte
    sich betrinken, bis er kotzte und besinnungslos war. Oder die
    Pistole benutzte, um uns eine Bohrprobe seiner grauen Zellen
    zu hinterlassen. Das machte mir

Weitere Kostenlose Bücher