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Brüchige Siege

Brüchige Siege

Titel: Brüchige Siege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bishop
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so groß waren
    wie ich. Ich verschliß meine Trikothosen, vier Paar Strümpfe
    und in einer Auswärtsserie gegen Marble Springs sogar meine
    Baseballschuhe.
    Nachdem ich einen Haken um den Shortstop der Seminoles
    geschlagen und um Unterbrechung gewinkt hatte, mußte ich
    feststellen, daß sich die vorderen Spikes von der Sohle gelöst hatten und seitlich im Schuh ein Riß klaffte; der andere Schuh sah nicht viel besser aus. Auf Schuhen, die derart aus den
    Fugen waren, konnte ich unmöglich weiterlaufen. Nach zwei
    Schritten würde ich mir den Fuß verstauchen oder das Knie
    verrenken. Ich zeigte Jake Schact, dem Schiedsrichter am
    Base, mein Problem. Mister JayMac kam auf den Platz, um
    den Schaden zu beurteilen, und die Seminole-Zuschauer
    buhten, als er das Infield in Straßenkleidung überquerte, und als sie noch einmal buhten, war es wegen Hoey, der die Coach
    Box am First verlassen hatte und angetrabt kam, um seinen
    Senf dazuzugeben.
    »Spielen Sie nicht auf Zeit«, sagte Schact an die Adresse von
    Mister JayMac.
    »Wer spielt hier auf Zeit? Die Schuhe sind zum Teufel.«
    »Use it up, wear it out, make it do, or do without!« – ein
    ∗
    Kriegsslogan, den Schact da zitierte. »Und Beeilung bitte.«
    Hatte man nicht gehamstert, war es weder leicht noch billig,
    rationierte Dinge zu ersetzen, und Schuhe hatte Uncle Sam
    rationiert, sogar Baseballschuhe. Mochte sein, daß wir noch
    ein passendes Paar in Highbridge hatten, doch in Marble
    Springs tat sich der Schrank für die Reserveschuhe durch
    gähnende Leere hervor. Mister JayMac besah sich eingehend
    meine Schuhe, dann genauso eingehend die von Hoey.
    »Welche Größe tragen Sie, Mr. Boles?«
    »N-N-Neun.«
    »Und Sie, Mr. Hoey?«
    »Himmel«, sagte Hoey. »Jesus.«
    »Welche Größe?«
    »Neun.« (Die Art von Geständnis, die man von einem
    Burschen kriegt, den man zu einer Crew aus Totschlägern
    sperrt.)
    »Geben Sie her, Mr. Hoey.«
    »Hier?«
    »Hier und jetzt.«
    Hoey setzte sich auf die eine Hälfte des Sandsacks* und zog
    seine Spikes aus, ich setzte mich auf die andere und tat das
    gleiche.
    »Auch mein Suspensorium?«
    »Bitte, Mr. Hoey. Provozieren Sie keine hysterischen
    Anwandlungen, denen Sie nicht gewachsen wären.«

    ∗ Benutzen, Verschleißen, Ersetzen oder weiter!

    Die Seminole-Zuschauer johlten wie Filmindianer, als ihnen
    die Fortsetzung des Spiels winkte. Hoey aber pilgerte in
    Steigbügelsocken und mit Lehm am Hosenboden in seine
    Coach Box zurück. Zwischen den Innings zog er
    Straßenschuhe an. Es brauchte freilich eine Woche, bis ich
    meine eigenen Ersatzschuhe fand, und so lange mußte er sich
    mit schwarzgewichsten Hausschuhen behelfen. Von weitem
    sahen sie wie richtige Baseballschuhe aus und verhinderten,
    daß die Fans ihn aufzogen, doch diese Episode beförderte mich
    endgültig an die Spitze seiner privaten Rangliste, in die er alles eintrug, was Scheiße war.
    Gottlob kümmerte sich Phoebe um mich. Gott sei Dank hatte
    ich Henry zum Beschützer.

    42

    Mein zweites Leben (Fortsetzung)

    …Ich vernahm Rufen, Lachen und mechanisch klingende
    Käuzchenschreie. Das gemeinsame Auftreten dieser Geräusche lockte mich aus dem Wald, wo ich mir aus immergrünen Ästen einen Unterschlupf gebaut hatte. Vom Rand eines offenen
    Feldes aus sah ich eine große Anzahl Männer herumstehen,
    die alle die gleichen Overalls und grellroten Hemden trugen; nicht gleich dagegen waren die weißen Nummern auf ihrem
    Rücken. Ein Spieler, der auf mich zulief, um ein sphärisches Objekt zurückzuholen, das ihm jemand über den Kopf hinweg
    geschlagen hatte, trug vorne auf dem blutroten Hemd das Wort POINSETT. Er und seine Kameraden, ein jeder mit der
    gleichen Bezeichnung auf der Brust, waren zu einem
    sportlichen Wettkampf mit ein paar grüngekleideten Männern angetreten, die vorne auf ihren Hemden den Namenszug
    BRAGGADOCIO trugen.
    Aus beträchtlich größerer Entfernung und von klüger
    gewählten Positionen aus hatte ich bereits solchen rauhen
    Spielen zugesehen. Die kaukasischen Eingeborenen des
    kontinentalen Hinterlands – inzwischen war ich im
    nordöstlichen Arkansas – nannten ihren Zeitvertreib ›Base Ball‹, der gleichwohl mit den Ball-und-Stock-Spielen der
    Kinder verwandt schien, die mir überall zwischen der Schweiz und dem Osten Sibiriens begegnet waren. Ich fand die
    ländliche Version dieses Sports faszinierend, nicht so sehr wegen seiner geregelten Feinheiten als wegen seiner

    Eigenschaft, so viele verschiedene Menschen

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