Brüchige Siege
wiewohl ich auch in diesen Sabbatjahren nicht ruhte, meine sportlichen Fähigkeiten weiter zu vervollkommnen.
Manche Städte zahlten mir, solange ich für sie spielte, einen Monatslohn – 30 $ war der üppigste – und versorgten mir
einen Übergangsjob wie etwa Bürgersteigfegen oder
Kistenschleppen, der mir meine Abende und Wochenenden zur
freien Verfügung ließ. Ich vermied es tunlichst, mich auf
Beziehungen einzulassen, wie ich sie mit Keriak in Ungpek
genossen hatte, und legte, ob ich Baseball spielte oder nicht, soviel Besonnenheit und Anstand an den Tag, wie es die
flüchtige Natur meiner Zugehörigkeit und meine Reserviertheit gegenüber Teamkameraden und Stadtvätern erlaubte.
Warum lebte ich? Mitte der Dreißiger, angesichts der
alltäglichen Menschenschlangen vor den Läden und einer
Arbeitslosigkeit, die sich wie eine Seuche bis in den
entlegensten Weiler fraß, verlor mein Ziel, ein produktives Mitglied der menschlichen Gesellschaft zu werden, rasch seine Priorität. Baseballspielen, so begriff ich, war längst kein Mittel zum Zweck mehr, es war selbst zum Zweck meines
Daseins geworden. Was meinem Leben Sinn gab, ob in
Donigal, Missouri, oder in Hurricane, Alabama, war weniger der unvermeidliche Umgang mit Menschen als das
elektrisierende körperliche Erlebnis, einen Ball hart und weit zu schlagen oder mit Präzision zu werfen. Früher hatte ich mir einen seelischen Teilhaber gewünscht, doch nun, berauscht
von der wiederhergestellten Robustheit meines geliehenen
Körpers, wünschte ich mir nur noch gesichtslose Kameraden
und beliebig viele Gelegenheiten, mein intellektuelles und animalisches Vermögen auf die Probe zu stellen: Ich wollte nichts weiter als Baseball spielen…
Im Sommer 1940 ging ich einem Hausmeister]ob in einer
Schule in Hurricane nach (von der Mobile Bay den Tensaw
River hinauf) und hatte die feste Zusage für mindestens zwei Stadt-Spiele an jedem Wochenende. Da suchte mich eines
Tages der Miteigentümer eines Minor-League-Vereins von
Mobile* auf der von meiner meisterlichen ›Schlagfertigkeit‹
gehört hatte. Trotz des unübersehbaren Kummers, den ihm
meine äußere Erscheinung bereitete, bot er viele blumige
Komplimente auf und bot mir Geld, Frauen und Alkohol, um
mich zu bewegen, von den Hurricane Hurricanes zu den
Mobile Tarpons zu wechseln. Weil ich keine Verwendung für
seine Angebote hatte und mir seine in den höchsten Tönen
vorgetragene Wertschätzung zuwider war, lehnte ich dankend ab. Als wir uns trennten, war er verwirrt, weil ich seine
Angebote so freundlich abgelehnt hatte, und verärgert, weil ich seine Heuchelei durchschaut hatte.
Wenig später saß dann Mr. Jordan McKissic in den Rängen,
um mich spielen zu sehen. Die Highbridge Hellbenders, deren Manager er war, gehörten zur Chatahoochee Valley League.
Von seiner Anwesenheit erfuhr ich durch einen
Teamkameraden, der mich einen ›Hohlkopf‹ schimpfte, wenn
ich auch die zweite Gelegenheit ausschlagen würde, auf einem höheren Niveau weiterzuspielen. Er schien die stadtweite
Überzeugung zu teilen, daß ich zwar meine huldvolle Loyalität zu den Hurricanes, aber ebenso unwiderleglich meinen Mangel an Selbstachtung bewiesen hatte. Falls ich ein
weiteres attraktives Angebot ausschlug, so dachte er, würde jedes andere Mitglied unseres Vereins den Makel meiner
Einfalt erben und der Name ›Hurricaner‹ schon bald als
Synonym für Gimpel, Dummkopf oder Trottel stehen. Ich
ignorierte seinen Rat und spielte, wie ich immer spielte, das heißt mit Kraft, Einsatzfreude und Zuversicht. Und tatsächlich führte ich die Hurricane Hurricanes zum Sieg.
Hernach unterhielt sich Mr. McKissic mit mir. Er schreckte nicht vor mir zurück. Sein Lächeln hatte nichts Falsches, seine Worte waren geradeheraus. Er offerierte mir einen regulären Lohn mit Unterkunft und Verpflegung und machte keinerlei
ungehörige Versprechungen. Sein Vorschlag brachte mich in
Versuchung, doch die Vorstellung, in einer größeren Stadt zu spielen und das in einem Major-League-Verein, verdarb selbst den erfreulichen Eindruck, den das ehrliche Auftreten von Mr.
McKissic machte. Ich war weder auf Reichtum noch auf Ruhm
aus; meine tief verwurzelte Neigung zu sportlicher
Selbstverwirklichung konnte ihre Erfüllung ebensogut auf
einer offenen Wiese wie in einem erleuchteten Stadion finden.
»Ich bin da anderer Meinung«, sagte Mr. McKissic. »Sie
werden Ihr sportliches Talent erst voll entfalten können, wenn
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