Brüchige Siege
und
Lkws. Es döste an der Straße vis-a-vis von einem Asphaltplatz
vor dem Quartiermeisterdepot. Als wir ankamen, stand Henry
unter dem dürftig gedeckten Vordach der Laderampe und
starrte auf zehn Kolonnen von je zehn Männern, die in
Gummihüllen auf diesem Asphaltplatz standen – in Säcken
vermutlich, die lämmchenglatt aber so schwarz wie Autoreifen
waren.
Ein Ausbilder im Rang eines Unteroffiziers mit
breitkrempigem Hut stand vor diesem verschrobenen
Sonderkommando (Weißer und Büffel in einer Person vor
Weißen und Schwarzen, aber mehr Bleichgesichtern als
Farbigen) und brüllte: »Hopp, Gentlemen, hopp!« auf daß die
Körper in den Säcken unter schlappen, seufzenden Geräuschen
hüpften, als pumpten hundert atemlose Fahrradpumpen
vergeblich an hundert Riesenballons. In einer Mischung aus
Neugier und Unglauben besah ich mir das Theater.
Der Kommandojeep von General Holway war offenbar
hiergewesen und wieder abgefahren, und als der Bomber an
der Ambulanzrampe hielt, beachtete Henry uns gar nicht. Er
blickte unverwandt über die Straße zu den ›präservierten‹ GIs
hinüber, die da wie vulkanisierte Riesenflöhe hopsten. Oder
vielleicht starrte er über sie hinweg zum Baseballplatz hinüber, wo Charlie Snow gesprungen war, seine Spikes sich verfangen
und ihn kopfvoran über den Zaun geschleudert hatten.
Tatsächlich gab Henry keinen Pfifferling auf die
Hampelmänner hinter der ›K-Street‹. Mister JayMac stürmte
an ihm vorbei ins Lazarett, um nach seinem Spieler zu sehen.
Muscles fragte Major Dexter: »Was, zum Kuckuck, treibt
Uncle Sams Army da drüben – Strafexerzieren?«
»Nein, Sir, die haben sich freiwillig gemeldet.«
»Gemeldet wozu? Zum Sonnenstich?«
»Nein, Sir, ein Quartiermeisterexperiment, um die Resistenz
der GI-Bekleidung gegen die natürlichen Ätzstoffe im
menschlichen Schweiß zu testen. Unsere Männer in Alaska, im
Pazifik, in Nord-Afrika und auch hier zu Hause brauchen
verläßliche Kleidung, und unsere Wissenschaftler brauchen
verläßliche Daten.«
»Großer Gott«, sagte Muscles, »die geben doch den Löffel ab
bei der Hitze.«
»Die haben keinen Löffel, Sir«, sagte Major Dexter. »Und
wenn, dann geben sie ihn nur auf Befehl ab.«
»Da braucht es keinen Befehl. Kein Wunder, daß das Ganze
vor dem Lazarett stattfindet – spart Zeit und Mühe.«
»Mr. Musselwhite, sie tragen Shorts unter den Säcken, nur
Unterwäsche, keinen Kampfanzug.«
»Das ist mir zu hoch, Major. Ich denke…«
»Wir sammeln Schweiß. Die Pfützen, die sich in den Säcken
sammeln, werden in Fläschchen gefüllt. Später tragen wir ihn –
den Schweiß, meine ich – auf die verschiedenen Textilien auf,
die für GI-Kleidung in Betracht kommen. Die Wissenschaftler
des Quartiermeistercorps begutachten seine Wirkung auf die
fraglichen Textilien.«
Ich fragte mich eben, was, zum Kuckuck, Mister JayMac
über Snow in Erfahrung gebracht hatte, als er zusammen mit
einem Major im weißen Kittel aus dem Lazarett kam. Mister
JayMac und der Major sprachen oben auf der Rampe mit
Henry. Danach ließ Mister JayMac sich mit der Schulter an die
Wand fallen und barg das Gesicht in den Händen. Henry kam
zum Bus. Er legte die Hände auf das Dach des Bombers, genau
über dem Einstieg, und überbrückte die Lücke zwischen Bus
und Rampe.
Als Major Dexter den Türöffner betätigte, sagte Henry so
laut, daß alle es hören konnten: »Mr. Snow ist eben von uns
gegangen.« (Von uns gegangen!) Dann blieb Henry so da stehen, eine Brücke zwischen dem Bomber und dem
hingehockten aschfahlen Gebäude, in dem unser toter Kamerad
lag.
Charlie Snow – möge er ruhen in Frieden.
»Er wär sauer gewesen, daß wir ein ganzes Inning haben
sausen lassen«, sagte Turkey Sloan.
»Jeder hier, der meint, er wüßte so genau, was Charlie Snow
gefühlt oder gedacht hätte, ist auf dem Holzweg«, sagte
Muscles. »Wir müssen schon unserem eigenen Gewissen
folgen und nicht spekulieren, was der Tote von uns erwartet
hätte.«
»Und wenn sich das überschneidet?« sagte Hoey.
Henry stieß sich vom Bus ab, ging über die Rampe zu Mister
JayMac und kehrte mit ihm ins Lazarett zurück, in die
Bettelflure von Snows letzter Reise. Mir liefen die Tränen
hinunter. Jenseits der Straße brüllte der Unteroffizier, der die freiwilligen Hampelmänner in ihren Gummisäcken befehligte:
»… zwei, drei, stop!« Die hundert bezahlten Schwitzer gehorchten aufs Wort; vier oder fünf
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