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Brüchige Siege

Brüchige Siege

Titel: Brüchige Siege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bishop
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und
    Lkws. Es döste an der Straße vis-a-vis von einem Asphaltplatz

    vor dem Quartiermeisterdepot. Als wir ankamen, stand Henry
    unter dem dürftig gedeckten Vordach der Laderampe und
    starrte auf zehn Kolonnen von je zehn Männern, die in
    Gummihüllen auf diesem Asphaltplatz standen – in Säcken
    vermutlich, die lämmchenglatt aber so schwarz wie Autoreifen
    waren.
    Ein Ausbilder im Rang eines Unteroffiziers mit
    breitkrempigem Hut stand vor diesem verschrobenen
    Sonderkommando (Weißer und Büffel in einer Person vor
    Weißen und Schwarzen, aber mehr Bleichgesichtern als
    Farbigen) und brüllte: »Hopp, Gentlemen, hopp!« auf daß die
    Körper in den Säcken unter schlappen, seufzenden Geräuschen
    hüpften, als pumpten hundert atemlose Fahrradpumpen
    vergeblich an hundert Riesenballons. In einer Mischung aus
    Neugier und Unglauben besah ich mir das Theater.
    Der Kommandojeep von General Holway war offenbar
    hiergewesen und wieder abgefahren, und als der Bomber an
    der Ambulanzrampe hielt, beachtete Henry uns gar nicht. Er
    blickte unverwandt über die Straße zu den ›präservierten‹ GIs
    hinüber, die da wie vulkanisierte Riesenflöhe hopsten. Oder
    vielleicht starrte er über sie hinweg zum Baseballplatz hinüber, wo Charlie Snow gesprungen war, seine Spikes sich verfangen
    und ihn kopfvoran über den Zaun geschleudert hatten.
    Tatsächlich gab Henry keinen Pfifferling auf die
    Hampelmänner hinter der ›K-Street‹. Mister JayMac stürmte
    an ihm vorbei ins Lazarett, um nach seinem Spieler zu sehen.
    Muscles fragte Major Dexter: »Was, zum Kuckuck, treibt
    Uncle Sams Army da drüben – Strafexerzieren?«
    »Nein, Sir, die haben sich freiwillig gemeldet.«
    »Gemeldet wozu? Zum Sonnenstich?«
    »Nein, Sir, ein Quartiermeisterexperiment, um die Resistenz
    der GI-Bekleidung gegen die natürlichen Ätzstoffe im
    menschlichen Schweiß zu testen. Unsere Männer in Alaska, im

    Pazifik, in Nord-Afrika und auch hier zu Hause brauchen
    verläßliche Kleidung, und unsere Wissenschaftler brauchen
    verläßliche Daten.«
    »Großer Gott«, sagte Muscles, »die geben doch den Löffel ab
    bei der Hitze.«
    »Die haben keinen Löffel, Sir«, sagte Major Dexter. »Und
    wenn, dann geben sie ihn nur auf Befehl ab.«
    »Da braucht es keinen Befehl. Kein Wunder, daß das Ganze
    vor dem Lazarett stattfindet – spart Zeit und Mühe.«
    »Mr. Musselwhite, sie tragen Shorts unter den Säcken, nur
    Unterwäsche, keinen Kampfanzug.«
    »Das ist mir zu hoch, Major. Ich denke…«
    »Wir sammeln Schweiß. Die Pfützen, die sich in den Säcken
    sammeln, werden in Fläschchen gefüllt. Später tragen wir ihn –
    den Schweiß, meine ich – auf die verschiedenen Textilien auf,
    die für GI-Kleidung in Betracht kommen. Die Wissenschaftler
    des Quartiermeistercorps begutachten seine Wirkung auf die
    fraglichen Textilien.«
    Ich fragte mich eben, was, zum Kuckuck, Mister JayMac
    über Snow in Erfahrung gebracht hatte, als er zusammen mit
    einem Major im weißen Kittel aus dem Lazarett kam. Mister
    JayMac und der Major sprachen oben auf der Rampe mit
    Henry. Danach ließ Mister JayMac sich mit der Schulter an die
    Wand fallen und barg das Gesicht in den Händen. Henry kam
    zum Bus. Er legte die Hände auf das Dach des Bombers, genau
    über dem Einstieg, und überbrückte die Lücke zwischen Bus
    und Rampe.
    Als Major Dexter den Türöffner betätigte, sagte Henry so
    laut, daß alle es hören konnten: »Mr. Snow ist eben von uns
    gegangen.« (Von uns gegangen!) Dann blieb Henry so da stehen, eine Brücke zwischen dem Bomber und dem
    hingehockten aschfahlen Gebäude, in dem unser toter Kamerad
    lag.

    Charlie Snow – möge er ruhen in Frieden.
    »Er wär sauer gewesen, daß wir ein ganzes Inning haben
    sausen lassen«, sagte Turkey Sloan.
    »Jeder hier, der meint, er wüßte so genau, was Charlie Snow
    gefühlt oder gedacht hätte, ist auf dem Holzweg«, sagte
    Muscles. »Wir müssen schon unserem eigenen Gewissen
    folgen und nicht spekulieren, was der Tote von uns erwartet
    hätte.«
    »Und wenn sich das überschneidet?« sagte Hoey.
    Henry stieß sich vom Bus ab, ging über die Rampe zu Mister
    JayMac und kehrte mit ihm ins Lazarett zurück, in die
    Bettelflure von Snows letzter Reise. Mir liefen die Tränen
    hinunter. Jenseits der Straße brüllte der Unteroffizier, der die freiwilligen Hampelmänner in ihren Gummisäcken befehligte:
    »… zwei, drei, stop!« Die hundert bezahlten Schwitzer gehorchten aufs Wort; vier oder fünf

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