Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brüchige Siege

Brüchige Siege

Titel: Brüchige Siege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bishop
Vom Netzwerk:
fielen vor Erschöpfung
    oder Übereifer auf den Asphalt.
    »Aufstehen und Sack festhalten!« schrie der Ausbilder. »Daß
    mir kein Tropfen verlorengeht!«
    Die Stimme des Sergeanten rief Erinnerungen wach, wie es
    die meiner Mutter oder die von FDR oder die von Jimmy
    ∗
    Durante getan hätte – ich kannte sie. Sie war mir so vertraut wie die Stimme eines sadistischen High-School-Lehrers. Der
    Sergeant nahm den Hut ab, wischte sich den Nacken und die
    Stirn und drehte sich mit heißem, neugierigem Gesicht nach
    dem Bomber um, erstaunt, den Bus nicht früher bemerkt zu
    haben.
    Ich erkannte den Feldwebel wieder. Ich hatte ihn – kurz nur –
    in einem Kabuff des Wing & Thigh am Penticuff Strip gesehen, die erschrockene Fratze eines Burschen, der sich auf
    einem heimlichen Abstecher ertappt sah. Und ich hatte das

    ∗ Jimmy Durante, bekannt als Schnozzle = Nase, (1893-1980), US-Komiker Gesicht noch woanders gesehen – in dem Zug nämlich, der
    mich von Tenkiller nach Highbridge gebracht hatte. Es gehörte
    Sergeant Pumphrey, meinem Vergewaltiger aus der Pullman-
    Toilette. Ich kniete mich auf den Sitz und steckte den Kopf aus dem Fenster.
    »Du dreckiger Scheißkerl!« schrie ich. »Du verdammter
    dreckiger Scheißkerl!« Das war kein Stammeln, das war blinde
    Wut.
    »Um Himmel willen, Boles, nimm dich zusammen«, sagte
    Curriden. »Wir sind Gäste.«
    »Du Dieb!« rief ich. »Du pe-pe-perverses Schwein!«
    Hundert schweißnasse Männer in hundert Gummisäcken
    blickten abwechselnd auf Pumphrey und auf den Braunen
    Bomber. Pumphrey, den Ausbilderhut in der Hand, gaffte
    mich, der ich aus meinem Fenster hing, an, und in seinen
    stumpfen, trüben Augen lag nichts als Verwirrung und taube
    Ratlosigkeit. Er wußte einfach nicht, wer ich war. Erkannte
    weder den Jungen aus dem Zug, noch den aus dem Wing & Thigh.
    »P-P-Pumphrey, du Drecksau, du schuldest mir f-f-f-fünfzig
    D-Dollar!« rief ich. »Und du schuldest mir…« Weil ich nicht
    wußte, wie ich den komplizierteren oder gröberen
    Schuldposten ausdrücken sollte, sagte ich einfach: »… noch
    viel m-m-mehr schuldest du mir, Pumphrey!«
    Pumphrey setzte den Hut wieder auf und rückte den
    Kinnriemen zurecht. Er zeigte mit dem Finger auf mich.
    »Mach mal halblang, Kleiner. So wie du drauf bist, riskierst du eine verdammte Lippe.«
    Doch ich war nicht mehr am Fenster, ich hastete den
    Mittelgang hinauf und sprang zur offenen Tür hinaus.
    Niemand kam auf den Gedanken, mich aufzuhalten, jedenfalls
    nicht schnell genug. Ich umrundete den Kühler des Bombers
    und trabte über die ›K-Street‹, um Sergeant Pumphrey zur

    Rede zu stellen. Wie herbeigehext lag eine Waffe in seiner
    Hand – ein Schlag- oder Offiziersstock, den er wahrscheinlich
    aus dem Kanevasgürtel gezogen hatte – und im Näherkommen
    nahm ich diesen Stock aufs Korn, wie einen Teil von
    Pumphrey, der dringend amputiert werden mußte.
    »Fünfzig Dollar!« kreischte ich. »Fünfzig Dollar und meine
    Stimme will ich wiederhaben!«
    »Deine Stimme?« Pumphrey breitete die Arme aus, ging in
    die Beuge und ließ den Schlagstock wippen. Alle, die mir
    zusahen, mußten inzwischen an meinem Verstand zweifeln.
    »Du hast mir die Stimme gestohlen«, kreischte ich. »Du hast
    sie mir so t-tief reingewürgt, daß ich sie nicht mehr finden
    kann. Gib mir meine Stimme zurück!« Ich täuschte hierhin und
    dahin, und Pumphrey reagierte auf meine Scheinangriffe, als
    gehe es um Leben oder Tod, dabei pendelte sein Schlagstock
    wie ein Minensucher.
    »Der Kleine ist übergeschnappt«, erklärte er den Soldaten.
    »Völlig übergeschnappt.«
    Schön, wenn er so dachte. Ich stürzte auf ihn los, packte den
    Stock und riß. Pumphrey ließ nicht los, doch mein Gezerre ließ ihn eine volle Bauchlandung machen, einen Arm ausgestreckt
    als letzte stolze Verbindung zu seinem Knüttel.
    Ich sprang immerzu rückwärts. Mit jedem Sprung traf ihn die
    Spitze meines Baseballschuhs am Kinn. Ein paar GIs rangen
    nach Luft, die meisten aber pfiffen und johlten. »Meine
    Stimme, du b-bist meine Stimme!« brüllte ich. Ich zog
    Pumphrey zu mir heran, ich schüttelte ihn wie einen Hund am
    Apportierstock.
    Die Schweißsammler jubelten. Jedesmal, wenn Pumphrey
    eine Hand oder ein Knie unter sich gerafft hatte, um wieder
    hochzukommen, da streckte ich ihn mit einem neuen wilden
    Ruck auf den Bauch, und die verschwitzten GIs tobten wie ein
    Mann. Wenn mein wohlplaziertes Rucken ihn nicht am Boden

    halten wollte, sprang ich vor

Weitere Kostenlose Bücher