Brüchige Siege
Zusammen mit Darius hat es sich
aus dem Staub gemacht. Wir haben Mr. Snow verloren, und
mein Bauch sagt mir, daß auch Darius seine Brücken zu uns
abgebrochen hat. Es kommt mir so vor, Gentlemen, als…«
»Darius ist doch nicht tot, oder?« sagte Trapdoor Evans.
»Nein«, sagte Mister JayMac. »Er hat sich verdrückt, wohin,
weiß der Himmel.«
»Er könnte also zurückkommen«, sagte Evans. »Charlie
kommt nicht zurück. Charlie hat keine Wahl. Darum kapiere
ich nicht, warum Sie so über Darius lamentieren. Charlie ist
gestorben, Sir, es war Charlie, der uns den nächsten CVL-
Wimpel geholt hätte.«
»Nur zu wahr«, sagte Mister JayMac und fuhr nach einer
Pause fort: »Das Bestattungsinstitut Endicott wird noch heute
den Leichnam von Mr. Snow nach Highbridge holen und die
Beisetzung für Donnerstagnachmittag vorbereiten – das ist
fünf Stunden vor unserem zweiten Heimspiel gegen Quitman.
Mr. Musselwhite geht ins Center. Mr. Evans, Sie machen den
Leftfielder, und zwar so lange, bis ich Ihnen eine Pause
verordne oder Sie endgültig auswechsle. Ich erwarte von
jedem Anwesenden, abgesehen von Major Dexter, daß er an
der Totenfeier und am Begräbnis teilnimmt. Henry wird uns
nach Hause fahren. Ich bitte um absolutes Schweigen bis zur
Ankunft.«
46
QUITMANS MOCKINGBIRDS WAREN in Highbridge, und uns
stand eine Dreierserie ins Haus, jeden Abend ein Spiel von
Mittwoch bis Freitag. Am Dienstag hatte Darius uns verlassen,
am Dienstag hatten wir gegen Mr. Cozys Crew verloren, und
am Dienstag war Charlie Snow gestorben, und am Tag darauf
tanzten uns die Mockingbirds ganze neun Innings lang auf der
Nase herum. Ein gnadenloser Hit nach dem anderen. Ein
Kahlschlag an Base Hits, der uns gründlich zur Ader ließ und
unseren verwöhnten Fans so reichlich Gelegenheit bot, uns
auszubuhen, daß sie es bald müde wurden. Schließlich machte
jeder Luftzug, der sich im Gebälk der Tribünen verirrte, mehr
Lärm als unsere Fans.
Totenstill wurde es, als Milt Frye in der Mitte des siebten
Innings um »ein Gebet im Gedenken an den fabelhaften
Charlie Snow« bat. Keiner von unseren Fans hatte bis dahin
von Charlies Tod gewußt. Kein Wunder, daß sie zuvor noch
lauthals gefordert hatten, Trapdoor gegen Snow
auszuwechseln. Diese Stille hatte etwas Fatalistisches. Wir
waren etliche Runs im Rückstand, unser Starspieler war ›von
uns gegangen‹ und die Stimmung in unserem Unterstand hätte
düsterer nicht sein können.
Am nächsten Morgen erfuhren wir, daß uns die Niederlage
gegen die Mockingbirds drei Punkte hinter die Gendarmes aus
LaGrange geworfen hatte, die auswärts gegen Marble Springs
gesiegt hatten. Die Gendarmes standen uns am Wochenende
ins Haus, mit einem Doppel am Samstag und einem Einzel am
Sonntagnachmittag. Sollten wir noch ein oder zwei Spiele
gegen solche Versager wie die zusammengewürfelten
Mockingbirds verlieren, dann mochte das – auch wenn wir uns
noch so ins Zeug legten – den Gendarmes vorab den CVL-
Wimpel von ‘43 sichern.
Am Donnerstag fand sich jeder eingeschriebene Hellbender
in der Methodistenkirche am Alligator-Park ein, um an Charlie
Snows Totenfeier teilzunehmen. Die Fans aus Highbridge
trampelten den Kirchrasen nieder. Die meisten mußten draußen
bleiben, da die Bänke für Hellbender und deren Familien
reserviert waren und für die parfümierte Armee von Snows
Kusinen, die eben erst aus Richland, Georgia, seiner
Heimatstadt angereist waren. Sogar ein paar Mockingbirds
tauchten auf, die Snows Spielweise bewundert hatten, und
Mister JayMac, der die Trauerfeierlichkeiten organisiert hatte und wahrscheinlich auch bezahlen würde, führte sie zu Stühlen
mit hohen, leiterförmigen Rückenlehnen, die hinter dem
Hauptblock aus Bänken standen.
Außer den fülligen Kusinen (blonde Frauen mittleren Alters
mit Schleier und pastellfarben bedruckten Kleidern) trauerte da natürlich noch eine andere Verwandte um Charlie Snow –
seine Frau. Er hatte Vera Jo, eine ehemalige Cocktail-
Kellnerin, 1931 in Cheyenne, Wyoming, geheiratet. Die Ehe
war kinderlos geblieben… Nach dem Gottesdienst hakte Miss
Giselle die weinende Vera Jo liebevoll unter, und auf dem
Weg zum Friedhof hörte ich, wie Vera Jo ihr erzählte, daß
Charlie aus Furcht, sie könnten einen hämophilen Jungen
bekommen, kein Kind gewollt hatte. Bluter hatten nach seinem
Dafürhalten einen zu dornigen Lebensweg, als daß man sie
leichtfertig in die Welt setzen
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