Brüchige Siege
sollte.
»Ich hab ihn gefragt: Charlie, wolltest du alles, was Liebe und Talent dir bedeuten, gegen ewiges Nichts eintauschen?
Aber er meinte: Ich bin da; ich muß sehen, wie ich zurecht komme. Wer nicht da ist, braucht das nicht. Warum jemanden, der nicht da ist, mit diesem Dasein quälen? Er sah das nun mal so. Jetzt, wo er nicht mehr da ist, wünschte ich mir eine ganze Horde kleiner Bluter, um die ich mich sorgen könnte.«
Vera Jo weinte, Miss Giselle nahm sie tröstend in den Arm,
und der Friedhof quoll zwischen Mooreichen, Platanen und
Pekanbäumen nahezu über vor Trauernden.
Muscles, Curriden, Sosebee, Hay, Sudikoff und Dunnagin
ließen Charlie Snows Sarg an frischen gelben Seilen in die
Erde hinab. Der Prediger hielt die Bibel hoch und sprach letzte Segensworte. Die Menge löste sich auf und fädelte sich zurück
in die brütende Helle jenseits des Friedhofs. Henry und ich, die wir stocksteif am Pekanhain hinter Snows Grabstätte
gestanden hatten, wollten uns den anderen anschließen.
»Psssssst«, zischte der Pekanhain. »Psssssst.«
Wir drehten uns um, Henry und ich. Ein Schemen hinter dem
grünen, eselsohrig gefiederten Laub der tiefhängenden
Pekanäste winkte uns heran und wich gleichzeitig zurück.
Parkgärtner hatten den Hain mit einem Teppich aus
Kiefernnadeln ausgelegt und mit Reihen von weißen Veilchen
und sorgsam gestutzten Brombeerhecken durchzogen.
Irgendeine anonyme Seele hatte sogar ein paar derbe
Holzbänke aufgestellt, auf denen Hinterbliebene verweilen
konnten.
Wie auch immer, der gebückte Schemen in dieser Kapelle
aus gefiedertem Pekanlaub winkte noch einmal.
»Das ist Darius«, sagte ich baß erstaunt.
Wir blieben unauffällig hinter der abziehenden Schar von
Trauergästen zurück und stahlen uns zwischen zwei
Pekanbäumen in den Hain. Darius hatte sich wachsam wie ein
Fuchs tiefer in das Wäldchen zurückgezogen, um schließlich
hinter einem schorfigen Baumstamm haltzumachen, der dick
genug war, um ihn zu verdecken. Er hob die Hand.
»Setzt euch da hin«, sagte er. »Tut so, als ob ihr euch
ausruht.« Er meinte eine moosbewachsene Bank. Henry und
ich setzten uns.
»Wo warst du die ga-ganze Zeit?« fragte ich.
Darius, der vielleicht zehn Fuß entfernt war, legte das Gesicht an die schorfige Rinde. Er umarmte den Stamm wie einen
Menschen. »Ich habe bei Mister Cozy und den Splendid
Dominicans unterschrieben«, sagte er. »Wir spielen morgen in
Lake City. Nächsten Sommer könnte ich bei den Memphis Red
Sox oder den Kay-Cee Monarchs sein. Als Spieler, Mister Henry – nicht bloß als Chauffeur. Als Spieler.«
»Mister JayMac wird Sie suchen«, sagte Henry.
»Wieso? Warum sollte er? Außerdem werde ich meinen
Namen ändern und meine Positionen. Ich werde nicht bloß als
Pitcher spielen.«
»Und was wird aus Euclid?« sagte Henry.
Diese Frage gab Darius zu denken. Mir auch. An Euclid, den
kleinen Stiefbruder von Darius, hatte ich noch gar nicht
gedacht, dabei war er der erste Hellbender gewesen, den ich
bei meiner Ankunft zu Gesicht bekommen hatte. Bei
Heimspielen fungierte er als Bat-Boy, er war der einzige
schwarze Bat-Boy in der ganzen CVL. Er durfte nicht mit auf
Tour, weil Mister JayMac keinen Einfluß darauf hatte, wie
andere Städte auf den Jungen reagierten. Was McKissic Field
betraf, so gehörte Euclid unbestritten zum Hellbender-Troß
und wohnte mal bei Darius und mal in dem adretten kleinen
Haus am Gemüsemarkt, in dem seine Mutter lebte – die Mutter
von Darius, die zuckerbraune einstige Geliebte von Mister
JayMac.
Trotzdem floß in Euclids Adern kein McKissic-Blut. Seine
Mama, Detta Rae Satterfield, war von einem Beamten der
Railway Porter’s Union aus Atlanta geschwängert worden, der Detta Rae nicht viel später verlassen hatte, als es der Daddy
von Darius getan hatte, ohne daß sie den um ein Jota mehr
vermißt hätte als den anderen. Gerade mal über vierzig, als sie mit Euclid schwanger war, hatte sie das Kind als Trost ihrer
späten Jahre geplant – doch der Wildfang von einem Jungen
hatte sie an den Rand der Verzweiflung getrieben, so daß sie
Darius und Mister JayMac gebeten hatte, sich der Erziehung
und Versorgung des Jungen anzunehmen. Die beiden waren
mehr oder weniger einverstanden gewesen, wobei Darius den
Löwenanteil dieser Vormundschaft übernahm.
»Euclid hat seine Mama«, sagte Darius. »Er hat Mister
JayMac und einen Haufen großer weißer Brüder.«
»Haben Sie ihm gesagt, daß Sie
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