Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brüchige Siege

Brüchige Siege

Titel: Brüchige Siege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bishop
Vom Netzwerk:
sollte.
    »Ich hab ihn gefragt: Charlie, wolltest du alles, was Liebe und Talent dir bedeuten, gegen ewiges Nichts eintauschen?
    Aber er meinte: Ich bin da; ich muß sehen, wie ich zurecht komme. Wer nicht da ist, braucht das nicht. Warum jemanden, der nicht da ist, mit diesem Dasein quälen? Er sah das nun mal so. Jetzt, wo er nicht mehr da ist, wünschte ich mir eine ganze Horde kleiner Bluter, um die ich mich sorgen könnte.«
    Vera Jo weinte, Miss Giselle nahm sie tröstend in den Arm,
    und der Friedhof quoll zwischen Mooreichen, Platanen und
    Pekanbäumen nahezu über vor Trauernden.
    Muscles, Curriden, Sosebee, Hay, Sudikoff und Dunnagin
    ließen Charlie Snows Sarg an frischen gelben Seilen in die
    Erde hinab. Der Prediger hielt die Bibel hoch und sprach letzte Segensworte. Die Menge löste sich auf und fädelte sich zurück
    in die brütende Helle jenseits des Friedhofs. Henry und ich, die wir stocksteif am Pekanhain hinter Snows Grabstätte
    gestanden hatten, wollten uns den anderen anschließen.
    »Psssssst«, zischte der Pekanhain. »Psssssst.«
    Wir drehten uns um, Henry und ich. Ein Schemen hinter dem
    grünen, eselsohrig gefiederten Laub der tiefhängenden
    Pekanäste winkte uns heran und wich gleichzeitig zurück.
    Parkgärtner hatten den Hain mit einem Teppich aus
    Kiefernnadeln ausgelegt und mit Reihen von weißen Veilchen
    und sorgsam gestutzten Brombeerhecken durchzogen.
    Irgendeine anonyme Seele hatte sogar ein paar derbe
    Holzbänke aufgestellt, auf denen Hinterbliebene verweilen
    konnten.
    Wie auch immer, der gebückte Schemen in dieser Kapelle
    aus gefiedertem Pekanlaub winkte noch einmal.
    »Das ist Darius«, sagte ich baß erstaunt.
    Wir blieben unauffällig hinter der abziehenden Schar von
    Trauergästen zurück und stahlen uns zwischen zwei
    Pekanbäumen in den Hain. Darius hatte sich wachsam wie ein
    Fuchs tiefer in das Wäldchen zurückgezogen, um schließlich
    hinter einem schorfigen Baumstamm haltzumachen, der dick
    genug war, um ihn zu verdecken. Er hob die Hand.

    »Setzt euch da hin«, sagte er. »Tut so, als ob ihr euch
    ausruht.« Er meinte eine moosbewachsene Bank. Henry und
    ich setzten uns.
    »Wo warst du die ga-ganze Zeit?« fragte ich.
    Darius, der vielleicht zehn Fuß entfernt war, legte das Gesicht an die schorfige Rinde. Er umarmte den Stamm wie einen
    Menschen. »Ich habe bei Mister Cozy und den Splendid
    Dominicans unterschrieben«, sagte er. »Wir spielen morgen in
    Lake City. Nächsten Sommer könnte ich bei den Memphis Red
    Sox oder den Kay-Cee Monarchs sein. Als Spieler, Mister Henry – nicht bloß als Chauffeur. Als Spieler.«
    »Mister JayMac wird Sie suchen«, sagte Henry.
    »Wieso? Warum sollte er? Außerdem werde ich meinen
    Namen ändern und meine Positionen. Ich werde nicht bloß als
    Pitcher spielen.«
    »Und was wird aus Euclid?« sagte Henry.
    Diese Frage gab Darius zu denken. Mir auch. An Euclid, den
    kleinen Stiefbruder von Darius, hatte ich noch gar nicht
    gedacht, dabei war er der erste Hellbender gewesen, den ich
    bei meiner Ankunft zu Gesicht bekommen hatte. Bei
    Heimspielen fungierte er als Bat-Boy, er war der einzige
    schwarze Bat-Boy in der ganzen CVL. Er durfte nicht mit auf
    Tour, weil Mister JayMac keinen Einfluß darauf hatte, wie
    andere Städte auf den Jungen reagierten. Was McKissic Field
    betraf, so gehörte Euclid unbestritten zum Hellbender-Troß
    und wohnte mal bei Darius und mal in dem adretten kleinen
    Haus am Gemüsemarkt, in dem seine Mutter lebte – die Mutter
    von Darius, die zuckerbraune einstige Geliebte von Mister
    JayMac.
    Trotzdem floß in Euclids Adern kein McKissic-Blut. Seine
    Mama, Detta Rae Satterfield, war von einem Beamten der
    Railway Porter’s Union aus Atlanta geschwängert worden, der Detta Rae nicht viel später verlassen hatte, als es der Daddy

    von Darius getan hatte, ohne daß sie den um ein Jota mehr
    vermißt hätte als den anderen. Gerade mal über vierzig, als sie mit Euclid schwanger war, hatte sie das Kind als Trost ihrer
    späten Jahre geplant – doch der Wildfang von einem Jungen
    hatte sie an den Rand der Verzweiflung getrieben, so daß sie
    Darius und Mister JayMac gebeten hatte, sich der Erziehung
    und Versorgung des Jungen anzunehmen. Die beiden waren
    mehr oder weniger einverstanden gewesen, wobei Darius den
    Löwenanteil dieser Vormundschaft übernahm.
    »Euclid hat seine Mama«, sagte Darius. »Er hat Mister
    JayMac und einen Haufen großer weißer Brüder.«
    »Haben Sie ihm gesagt, daß Sie

Weitere Kostenlose Bücher