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Brüchige Siege

Brüchige Siege

Titel: Brüchige Siege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bishop
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möglich, daß es sich bei den Knilchen um Rekruten auf
    Urlaub handelte.
    »Wie heißt du?« fragte Ankers.
    Ich klopfte mir mit gestreckten Fingern an die Kehle und
    stieß ein paar gurgelnde Laute aus. Vorsichtshalber blieb ich, wo ich war, drei Sitzreihen unter ihm.
    »Was ist, Dorftrottel? Hast du ‘ne Socke verschluckt oder
    bloß deinen Namen vergessen?«
    Ich zeigte ihm den Mittelfinger und rechnete damit, daß er
    mit seinen beiden Kleiderständern runterkam, um mir die
    Socke aus dem Hals zu prügeln.
    Doch Ankers lachte und sagte: »Verpiß dich, Trottel.« Die
    Kleiderständer kicherten. Als die drei sich wieder dem
    Training widmeten, rückte ich ein paar Fuß weiter, um den
    Rücken freizuhaben.
    Auf dem Pitcherhügel stand Mister JayMac und pfefferte
    Schlag-Übungsbälle in eine Maschendraht-Abschirmung.
    Mannomann. Mister JayMac war ganz gut im Schuß, klar, aber der Anblick dieses alten Burschen, wie er den eigenen Leuten
    einen Strike* nach dem anderen reinwürgte, das tat weh. Er
    wurde manchmal laut (nicht zu oft), doch vom Staub an den
    Hosenumschlägen und vom Dreck an den Schuhen nahm er
    keine Notiz. Wenn er einen schwingenden Schlag provoziert
    hatte, ließ er den Glotzkopf drei Runden drehen. Niemand, so
    Mister JayMac, sollte ungestraft gegen ihn anstinken. Er war

    kein Bob Feller.* Auch kein Lefty Grove.* Tatsache war aber,
    daß nur wenige Hellbender ins Outfield schlugen, und nicht
    einer schlug über den Zaun.
    Auf Mister JayMacs Befehl wechselten die Spieler in den
    Schlagraum oder aufs Feld. Und wie sie spurten! Nicht lange,
    und ich war bereits dabei, den Shortstop zu taxieren. Die
    Nummer auf seinem Trainingshemd, das auch bei
    Auswärtsspielen getragen wurde, war die Sieben. Ich hatte
    nicht vor, dem Burschen Konkurrenz zu machen, es sei denn,
    er produzierte nur noch Luftwirbel an der Home Plate. Er war
    im Feld gut, warf gut und konnte denken. Er war mindestens
    doppelt so alt wie ich, Mitte dreißig, vielleicht älter. Silberne Blitzer an den Schläfen, Kerben von der Nase zu den
    Mundwinkeln. Bei jedem Wurf kauerte er sich derart
    zusammen, daß man sich fragte, ob er genug Gelenkschmiere
    hatte, um sich wieder aufzudröseln und das Richtige zu tun. Es gelang ihm jedesmal, und zwar mit Anmut: ein märchenhafter
    Shortstop.
    Noch etwas ist mir von diesem Training in Erinnerung
    geblieben, und zwar wie schlecht die Jungs das First Base
    spielten. Mister JayMac setzte da mindestens vier Leute ein,
    aber nicht einer konnte mit dem First-Base-Handschuh
    umgehen. Diese Lederklaue jagte ihnen Angst ein. Ein
    Bursche, Norm Sudikoff, bewegte sich fast wie ein Gazelle,
    verwandelte aber fast jedes sichere ›Aus‹ in einen
    Regelverstoß. Mein Freund Goochie hätte diesen Schafsköpfen
    eine Lektion erteilt.
    Was mich anging, wär ich lieber sechs oder sieben Zoll
    größer gewesen. Wenn ich schon Nummer Sieben nicht vom
    Short vertreiben konnte, hätte mir wenigstens ein Anfängerjob
    beim Ringelpitz der Joker gewinkt, die sich auf das Jo-jo* am
    First Base verstanden. Sonst verbrachte ich womöglich die
    ganze Saison auf der Reservebank. Rasch einen halben Fuß

    zulegen, hätte geholfen, aber da hätte ich mir auch wünschen
    können, daß mich ein Hollywood-Agent als Nachfolger von
    Gary Cooper ausguckt.
    Um 12.00 Uhr mittags war das Training zu Ende. Darius
    hatte mich sofort hierhergebracht, um sich eine Extrafahrt
    zwischen Unterkunft und Stadion zu ersparen. Die drei hinter
    mir, waschechte Georgia-Jungs übrigens, hatte er zwei
    Stunden vor mir vom Bahnhof abgeholt; sie hatten in einem
    Zug gesessen, der von der Ostküste kam.
    Jetzt kam Darius herüber, lauter Glitzer im schwarzen
    Kraushaar, die kaffeebraune Haut gerötet. »Macht, daß ihr zum
    Bus kommt, und setzt euch nach hinten. Die wollen kein
    junges Gemüse zwischen den Füßen.«
    »Wer sagt das?« wollte Ankers wissen.
    »Frag sie«, sagte Darius. »Meinen Segen hast du. Aber frag
    sie erst, wenn der Bus auch fährt, sonst könnt ihr zu Fuß zu
    Mister JayMac pilgern.«
    Dobbs und Heggie murrten nicht, doch Ankers Augen
    schleuderten Blitze.
    Im Bus setzten die drei sich ein oder zwei Reihen vor Euclid.
    Der Knirps las in einem Plastic-Man- Comic. Ich ließ mich neben ihn plumpsen, nicht etwa weil ich Eleanor-Roosevelt-Gefühle für die Schwarzen hegte, sondern weil er meinen
    Seesack hatte. Ich war Luft für ihn, er brütete über dem Comic, als gehe es da um komplizierte Geheimschriften.
    Es dauerte vielleicht

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