Brüchige Siege
möglich, daß es sich bei den Knilchen um Rekruten auf
Urlaub handelte.
»Wie heißt du?« fragte Ankers.
Ich klopfte mir mit gestreckten Fingern an die Kehle und
stieß ein paar gurgelnde Laute aus. Vorsichtshalber blieb ich, wo ich war, drei Sitzreihen unter ihm.
»Was ist, Dorftrottel? Hast du ‘ne Socke verschluckt oder
bloß deinen Namen vergessen?«
Ich zeigte ihm den Mittelfinger und rechnete damit, daß er
mit seinen beiden Kleiderständern runterkam, um mir die
Socke aus dem Hals zu prügeln.
Doch Ankers lachte und sagte: »Verpiß dich, Trottel.« Die
Kleiderständer kicherten. Als die drei sich wieder dem
Training widmeten, rückte ich ein paar Fuß weiter, um den
Rücken freizuhaben.
Auf dem Pitcherhügel stand Mister JayMac und pfefferte
Schlag-Übungsbälle in eine Maschendraht-Abschirmung.
Mannomann. Mister JayMac war ganz gut im Schuß, klar, aber der Anblick dieses alten Burschen, wie er den eigenen Leuten
einen Strike* nach dem anderen reinwürgte, das tat weh. Er
wurde manchmal laut (nicht zu oft), doch vom Staub an den
Hosenumschlägen und vom Dreck an den Schuhen nahm er
keine Notiz. Wenn er einen schwingenden Schlag provoziert
hatte, ließ er den Glotzkopf drei Runden drehen. Niemand, so
Mister JayMac, sollte ungestraft gegen ihn anstinken. Er war
kein Bob Feller.* Auch kein Lefty Grove.* Tatsache war aber,
daß nur wenige Hellbender ins Outfield schlugen, und nicht
einer schlug über den Zaun.
Auf Mister JayMacs Befehl wechselten die Spieler in den
Schlagraum oder aufs Feld. Und wie sie spurten! Nicht lange,
und ich war bereits dabei, den Shortstop zu taxieren. Die
Nummer auf seinem Trainingshemd, das auch bei
Auswärtsspielen getragen wurde, war die Sieben. Ich hatte
nicht vor, dem Burschen Konkurrenz zu machen, es sei denn,
er produzierte nur noch Luftwirbel an der Home Plate. Er war
im Feld gut, warf gut und konnte denken. Er war mindestens
doppelt so alt wie ich, Mitte dreißig, vielleicht älter. Silberne Blitzer an den Schläfen, Kerben von der Nase zu den
Mundwinkeln. Bei jedem Wurf kauerte er sich derart
zusammen, daß man sich fragte, ob er genug Gelenkschmiere
hatte, um sich wieder aufzudröseln und das Richtige zu tun. Es gelang ihm jedesmal, und zwar mit Anmut: ein märchenhafter
Shortstop.
Noch etwas ist mir von diesem Training in Erinnerung
geblieben, und zwar wie schlecht die Jungs das First Base
spielten. Mister JayMac setzte da mindestens vier Leute ein,
aber nicht einer konnte mit dem First-Base-Handschuh
umgehen. Diese Lederklaue jagte ihnen Angst ein. Ein
Bursche, Norm Sudikoff, bewegte sich fast wie ein Gazelle,
verwandelte aber fast jedes sichere ›Aus‹ in einen
Regelverstoß. Mein Freund Goochie hätte diesen Schafsköpfen
eine Lektion erteilt.
Was mich anging, wär ich lieber sechs oder sieben Zoll
größer gewesen. Wenn ich schon Nummer Sieben nicht vom
Short vertreiben konnte, hätte mir wenigstens ein Anfängerjob
beim Ringelpitz der Joker gewinkt, die sich auf das Jo-jo* am
First Base verstanden. Sonst verbrachte ich womöglich die
ganze Saison auf der Reservebank. Rasch einen halben Fuß
zulegen, hätte geholfen, aber da hätte ich mir auch wünschen
können, daß mich ein Hollywood-Agent als Nachfolger von
Gary Cooper ausguckt.
Um 12.00 Uhr mittags war das Training zu Ende. Darius
hatte mich sofort hierhergebracht, um sich eine Extrafahrt
zwischen Unterkunft und Stadion zu ersparen. Die drei hinter
mir, waschechte Georgia-Jungs übrigens, hatte er zwei
Stunden vor mir vom Bahnhof abgeholt; sie hatten in einem
Zug gesessen, der von der Ostküste kam.
Jetzt kam Darius herüber, lauter Glitzer im schwarzen
Kraushaar, die kaffeebraune Haut gerötet. »Macht, daß ihr zum
Bus kommt, und setzt euch nach hinten. Die wollen kein
junges Gemüse zwischen den Füßen.«
»Wer sagt das?« wollte Ankers wissen.
»Frag sie«, sagte Darius. »Meinen Segen hast du. Aber frag
sie erst, wenn der Bus auch fährt, sonst könnt ihr zu Fuß zu
Mister JayMac pilgern.«
Dobbs und Heggie murrten nicht, doch Ankers Augen
schleuderten Blitze.
Im Bus setzten die drei sich ein oder zwei Reihen vor Euclid.
Der Knirps las in einem Plastic-Man- Comic. Ich ließ mich neben ihn plumpsen, nicht etwa weil ich Eleanor-Roosevelt-Gefühle für die Schwarzen hegte, sondern weil er meinen
Seesack hatte. Ich war Luft für ihn, er brütete über dem Comic, als gehe es da um komplizierte Geheimschriften.
Es dauerte vielleicht
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