Brüchige Siege
Schirmständer.
Nichts bot sich an. Mir blieb nur eins: runter zum Etagenklo
von Dunnagin und Junior oder ins Parterre. Also machte ich
mich an den Abstieg. Jede Stufe wollte mir den Stöpsel ziehen.
Wenn ich losplatterte, wurde die enge Treppe zum Wasserfall,
und meine Kameraden – alle in McKissic House, bis auf
Jumbo und diesen Pimmel in unserem Bad – würden elend
ertrinken.
Ich hielt mich geschlossen und erreichte den ersten Stock.
Der Waschraum war leer. Leer. Ich stürzte rein und pißte mir
die ganze Qual aus dem Leib. Nicht die ganze. Es zwickte mich immer noch, daß irgendwer unsere Toilette geentert
hatte. Diese hier hatte viermal soviel Quadratfuß und mehr
Seife und auch mehr Klopapier. Warum sollte sich jemand rauf
in unsere schleichen?
Vielleicht, weil er ungestört sein wollte. Irgendwer im ersten Stock wollte keine Zuschauer beim Duschen.
Ich machte mich wieder an den Aufstieg. Und wie ich mich
so zwischen Wand und Geländer hochtaste, tastet sich jemand
von oben herunter, und ich erstarre im unteren Treppenhaus.
Wer da runterkam, sah verdächtig – verdächtig köstlich – nach
einer Frau aus. Im trüben Licht einer elektrischen Wandbirne
konnte ich sehen, daß sie für ihr Alter – Ende dreißig, Anfang vierzig – verdammt gut aussah, vielleicht ein bißchen wie ein
Vamp auch.
Sie hatte – wenn man so will – ein Handtuch an.
Und offenbar nicht damit gerechnet, jemandem zu begegnen.
Sie machte aber nicht kehrt. Sie legte den Kopf schief und
lächelte, das Erdbeerhaar war aus der Stirn gekämmt und fiel
ihr in einer feuchten Strähne über die Schulter. Sie faßte nach dieser Strähne mit derselben Hand, die das Handtuch hielt, mit der linken. Ich weiß, daß es die linke war, weil sie da ihren
Trauring trug.
»Mr. Boles – unser nagelneuer, phantastischer Shortstop.«
Meine Unterhose bedeckte mehr als eine Badehose bedeckt
hätte, was aber nichts daran änderte, daß ich rot wurde. Hätte ich mich mit einem Liniment für Pferde eingerieben, ich hätte
nicht feuriger geglüht.
»Mach dir keinen Kopf, Junge. Ich laß dich vorbei.« Die Frau
lachte. »Zwei Schiffe passieren den Kanal.« Sie drückte sich
samt und sonders an die Wand. »Komm hoch, du paßt bequem
vorbei.«
Ich klomm mit gesenktem Kopf nach oben. Schatten
wanderten um uns herum, doch der bernsteinfarbene
Lichtschein verlieh ihren Schienbeinen, ihren Armen und
ihrem Brustbein den Schimmer von Messerklingen. Bei
erhobenem Kopf hätte ich schnurstracks am Handtuch hoch ins
Tal des Schattens geguckt. Ich hatte weiche Knie und zitterte.
Wie am Schlag, wenn dir neunzig Stundenmeilen ins Haus
stehen.
Auf derselben Stufe mit der Frau streifte ich ihre Hand und
etwas Feuchtes landete auf meinem Fuß. Ihr Handtuch. Ich
langte nach unten, um es aufzuheben. Mein Hirn hatte
dichtgemacht. Die tölpelhaften, ritterlichen Instinkte waren
eingerastet. Als ich mich wieder aufrichtete, stierte ich auf ihre Nacktheit und atmete das duftende Glycerin von Palmolivseife.
Ich fror. Mir wurde schwindlig. Ich fühlte mich wie eins von
diesen Figürchen an einem rotierenden Gewürztablett.
»Danke.« Sie hatte keine Eile, sich zu bedecken. »Ich weiß
das zu schätzen.«
Ich schloß die Augen, fiel prompt auf die Knie und krabbelte
im selbstgebrauten Duster auf allen vieren die restlichen Stufen hinauf. Als ich oben war und den Nerv hatte, mich umzusehen,
da setzte sich die Frau wieder in Bewegung. Das Handtuch
reichte von den Schulterblättern bis knapp unter die hübschen
Halbmonde. Ich guckte. Als sie den ersten Stock erreichte und
abbog, huschte ich rasch wieder hinunter und lugte um die
Ecke. Sie pendelte auf eine Tür am entfernten Ende des Flurs
zu und klopfte an. Curriden machte auf und zog sie ins
Zimmer.
Skinny Dobbs wohnte bei Curriden. – War sie eine Hure, die
damit ihre Brötchen verdiente? Hatten Curriden und Skinny sie
für eine Orgie gedungen? War das eine Orgie – Sex zu dritt in aller Herrgottsfrühe, der so anstrengend war, daß man danach
duschen mußte? Mal langsam. Was, wenn Curriden heimlich
mit ihr verheiratet war. Bingo. Die Frau trug einen Ring. Und
vom Alter her hätte sie zu ihm passen können. Aber wieso wohnten sie dann nicht – wie alle anderen verheirateten
Hellbenders – in Cotton Creek?
Curridens Tür ging wieder auf. Die Frau trat auf den Flur. Sie trug jetzt ein rot auf weiß gepunktetes Kostüm und auf dem
Kopf ein ›Karrenrad‹ mit
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