Brüchige Siege
uns beim Heimspiel gründlich blamieren sollten – der
Schock war dann, daß wir das Spiel irgendwie gewannen: drei
zu zwei.
Das war knapp. Und ungerecht. Na und?
Der Sieg brachte uns mit acht-acht in die Saison. Opelika,
Eufala und Cottonton verloren am selben Abend, und zwar
gegen Quitman, Marble Springs und LaGrange, so daß wir um
einen vollen Punkt an die Orphans und Mudcats heranrückten
und uns den vierten Platz nicht länger mit den Boll Weevils
teilen mußten. Doch es wurmte mich nach wie vor, daß Mister
JayMac uns Neulinge ausgesperrt hatte, zumal unseren
Sparringspartnern ganz offensichtlich die Puste ausgegangen
war.1
»Was müßte die Mannschaft tun, damit der Boss uns eine
Chance gibt?« hatte Junior zu Skinny Dobbs gesagt.
»Verlieren«, hatte Skinny gesagt. »Die Kerle müßten
verlieren.«
Skinny irrte. Das nächste Spiel gegen Lanett war auf
Samstagnachmittag fünf Uhr angesetzt. Das CVL-Komitee
hatte verfügt, eine bestimmte Anzahl von Spielen in den späten Nachmittag zu legen. Denn seit Jahren wurde der Süden von
einer nagenden Dürre heimgesucht, die ihm die Deckung des
Strombedarfs erschwerte. Spiele bei Tageslicht und
Dämmerung senkten diesen Bedarf. Das war gut so.
Rüstungsbetriebe – Schiffswerften, Torpedofabriken und
Montagebänder – mußten rund um die Uhr laufen. Man
konnte, wenn es nicht zu Extra-Innings kam, ganze Spiele
zwischen fünf und Sonnenuntergang quetschen.
Egal, knapp bevor wir uns rausputzten für die zweite
Begegnung in der Lanett-Serie, kam Darius in den
Umkleideraum und verlas die Aufstellung:
»Erster am Schlag und Short, Danl Boles…« Er fuhr fort,
doch das einzige, was mich noch interessierte, waren die
Positionen sieben und acht, die besagten, daß Junior und
Skinny zum Schlag eingeteilt waren, Junior das Second
bespielte und Skinny von Trapdoor Evans das Rightfield
übernahm.
»Soll das ein Witz sein?« sagte Buck Hoey zu Dar-ius. »Ich
hab gestern abend für drei geschlagen. Keiner war besser.«
»Mr. Curriden war besser«, sagte Darius. »Und noch besser
wär er gewesen, wenn Sie ihn nicht bei dem Pop-up* behindert hätten. Diese Beule an Ihrer Stirn, geht sie zurück?«
»Sachte, Darius«, sagte Hoey. »Du betrittst dünnes Eis.«
Darius schürfte mit der Spitze seines Halbschuhs über den
Beton. »Hier ist doch überhaupt kein Eis. Schade, sonst hätten Sie was zum Kühlen gehabt.«
»Lesen Sie noch mal vor«, sagte Junior.
Brav verlas Darius die Aufstellung für den Nachmittag noch
einmal. Mein Körper fing an zu summen wie eine Stimmgabel.
Samstag, 5. Juni 1943. Mein erstes Spiel am Short in einem
Profi-Verein.
»Ich kann nicht glauben, daß Mister JayMac mich auf die
Bank setzt«, sagte Hoey. »Ich habe an einem Streifen neun
Hits geschlagen.«
Darius pochte mit den Fingerknöcheln auf die Karte. »Hier
steht nichts davon, daß der Wechsel für immer gilt, Mr. Hoey.«
Das traf mich an einer empfindlichen Stelle. Wenn ich eine
Chance vertat oder vorbeischlug, wenn Runner in den
Startlöchern waren, war Hoey spätestens morgen wieder in
Amt und Würden.
»Und was, zum Teufel, machen wir solange?« wollte Evans
wissen.
»Wie wär’s mit Ausruhen«, sagte Darius. »Fand ich ganz
logisch.«
»Mist, verfluchter«, sagte Hoey.
»Tja, und Sie, Captain: Mister JayMac will, daß Sie den
Coach am First machen.«
Vito Mariani war als Pitcher eingeteilt. »Kopf hoch, Buck.
Ich werd sie so rasch plazieren, daß dein Hosenboden keine
Zeit hat, blank zu werden.«
Darius ging. Hoey starrte an den Boden. Knowles, der
entthronte Second-Base-Mann, ging rüber zu Junior und legte
ihm die Hand auf die Schulter.
»Zerreiß sie in der Luft, Junge.«
Das Spiel war kein Zuckerschlecken, auch wenn die
Linenmakers gar nicht richtig zum Zug kamen. Auf die Scrap Metal Collection Night von Freitag folgte die Kitchen Fats for Victory Night; auch wenn niemand umsonst reinkam, weil er Bratfett von Frikadellen oder Speck mitbrachte, sorgten Milt
Frye und drei Platzanweiserinnen dafür, daß der Name von
jedem Fan, der eine Dose Hartfett beisteuerte, notiert und in eine Lostrommel gesteckt wurde. Die Ziehung sollte im Laufe
des siebten Innings stattfinden. Der erste Preis war ein
Wochenende zu zweit in Atlanta, mit Zimmer im Hotel Ponce de Leon. Und es sah ganz so aus, als ob die Ziehung für Zivilisten genauso wichtig war wie das Baseballspiel.
Der ranzige Geruch war allgegenwärtig. Die hehre
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