Brücke der brennenden Blumen
darauf, daÃ
Eljazokad oder Bestar oder auch nur der Maitrâ Calmant ihr beim Mittagsmahl
Gesellschaft leisteten. Niemand in ganz Melronia interessierte sich für sie.
Man wartete ihr auf, wenn sie sich an den Tisch setzte. Man räumte hinter ihr
ab und spülte ihr Geschirr. Weiterführende Kontakte gab es nicht. Eljazokad las
den ganzen Tag, Tjarka war des Lesens nicht mächtig. Bestar trieb sich den
ganzen Tag mit seiner Dorfgespielin herum, Tjarka hatte ihren Diener Enschen
schon seit einer Woche nicht mehr zu Gesicht bekommen. Seit sie ihn an ihrer
Zimmertür angeschrien hatte, er solle ihr nicht immer hinterherschleichen wie
ein rückgratloser Hund.
Sie vermiÃte die Natur, den rauschenden Thost. DrauÃen waren
Freiheit und Grenzenlosigkeit, aber auch diese furchtbaren Echsen mit ihren
Schnappscheren. Drinnen herrschten Anstand und Muffigkeit.
Die Bewohner Melronias glichen herausgeputzten Puppen. Sie
verneigten sich und fächerten galant, aber sie redeten ausschlieÃlich in ihrer
eigenen Sprache und achteten nur dann auf Tjarka, wenn diese eines der
höfischen Gebote verletzte. So hatte Tjarka in den letzten Tagen Spaà daran
gefunden, an besonders weihevollen Orten kleinere Unverschämtheiten zu
hinterlassen. Aber auch diese Ausbrüche und Unverschämtheiten konnten nicht
darüber hinwegtäuschen, daà sie in Melronia gefangen war. Und das Schlimmste
war: Sie verplemperten in diesem kalten, leblosen Ungeheuer von einem SchloÃ
wertvolle Zeit. Mehr als drei Wochen schon. Während Siusan und Tellures mit ihren
wehrlosen Körpern anstellen konnten, was immer ihnen in den Sinn kam.
Wie hatten sie nur so dumm sein können, in eine himmelhohe Falle zu
tappen?
Es war nicht mehr auszuhalten.
Fast unhörbar leise flüsterte Tjarka die Worte: »Martelas Drei.«
Beinahe augenblicklich setzte eine Reaktion ein: In der Küche gab es
Geschepper und Geklirr. Bedienstete schrien, als würden sie niedergemacht.
Die Tür zur Küche wurde aufgeschmettert, so daà sie schier aus ihren
Angeln barst. Ein Mann stand im Durchgang, nicht ganz so groà wie Bestar, aber
noch wuchtiger vom Körperbau. Er trug einen Vollbart, der zu vielen kleinen
Zöpfen geflochten war, und ein schartiges Schwert.
Mit einem Kampfschrei rannte er auf Tjarka zu. Die öffnete einen
Pfefferstreuer und warf ihn nach dem Angreifer, was ihn ein paar Augenblicke
lang aufhielt. Tjarka kroch unter dem Tisch durch und ergriff die Flucht
Richtung Ausgangstür. Abgesehen von ihrem sinnlosen Schmuckdolch war sie
unbewaffnet, aber ihre Schnelligkeit und Wendigkeit hatten ihr im Thost und vor
einigen Tagen auch angesichts des Scherendrachens das Leben gerettet. Darüber
hinaus kannte sie die Flure und Kammern Melronias inzwischen in- und auswendig.
Sie durchquerte das sechste Stockwerk kreuz und quer, um den
Verfolger abzuschütteln, aber das erwies sich als keine besonders gute Idee.
Vasen und Vitrinen gingen zu Bruch, als der Krieger schnaufend hinter ihr
hertobte, mehrere Wandteppiche zerfetzten unter seinen wütenden Schlägen, ein
Spiegelsaal verwandelte sich in ein Scherbenfeld, unter Goldlack kam altes Holz
zum Vorschein. Frauen in reifengestärkter Ballkleidung kreischten, eine kam zu
Fall und blieb liegen. Tjarka erklomm auf allen vieren eine Wendeltreppe. Der
siebte Stock. Der achte. Der Verfolger blieb ihr auf den Fersen.
Wo waren Bestar und Eljazokad? Eljazokad las irgendwo im 21. Stock,
aber dort kannte Tjarka die Gänge nicht. Bestar war nicht in Melronia, sondern
wahrscheinlich wieder in Turniernähe mit seinem Weibchen. Tjarka war auf sich
gestellt.
Ihr Waldmesser fiel ihr ein, das in ihrem Zimmer im 14. Stock
in einer kleinen Truhe lag, zusammen mit ihrer Steinschleuder, acht Steinchen,
drei Fallenschlingen und ihrem dünnen Seil. Aber dazu brauchte sie einen
Vorsprung, um in ihr Zimmer hinein- und wieder herauszukommen.
Sie war recht klein, ihr Verfolger groà und breit. Sie muÃte einen
Durchschlupf finden, durch den nur sie hindurchpaÃte.
Die Idee kam ihr, als sie im elften Stockwerk an einer Reihe von
hohen, oben spitz zulaufenden Buntglasfenstern vorbeirannte. Weiter in dieser
Richtung gab es ein kleines Kapellenzimmer mit einem runden Fenster, groà genug
für Tjarka, aber nie und nimmer für den brüllenden Krieger. Das Problem war,
ohne groÃe Verzögerung durch dieses Fenster zu kommen, bevor der Verfolger sie
an
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