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Brücke der brennenden Blumen

Brücke der brennenden Blumen

Titel: Brücke der brennenden Blumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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könnte ein Nachfahre von ihr sein«, vermutete Naenn. »Ein
Urenkel vielleicht.«
    Â»Möglich. Was Rodraeg angeht, haben sie mir erzählt, daß er auf
einer Brücke steht. Als ob er unentschlossen sei zwischen dem Leben und dem
Tod. Als ob er … nicht weiß, welche Richtung er einschlagen soll.«
    Â»Er wartet auf Hilfe. Auf Führung«, bestätigte Naenn. »Aber wie
sollen wir ihm helfen? Wir müßten diese Brücke finden.«
    Â»Ja.« Der Lichtmagier starrte in die ruhige Flamme einer Kerze. »Wo
kann diese Brücke sein? Die Brücke der brennenden Blumen. Feuer. Licht. Rauch.
Ein Geruch von verschmorten Blütenblättern. Eine Hängebrücke zwischen dem Leben
und dem Tod. Wir sind zu lebendig, um dorthin zu gelangen.«
    Â»Wollen wir ein Experiment wagen?« fragte Naenn mit traurigen Augen.
»Ich wäre bereit mich zu opfern, um Rodraeg retten zu können.«
    Â»Du? Das ist völlig ausgeschlossen«, widersprach Eljazokad ihr
energisch. »Du trägst noch ein zweites Leben in dir, für das du verantwortlich
bist. Ich oder Bestar könnten es wagen. Aber wir wissen nicht, wie. Ohne
Anleitung ist es völlig aussichtslos. Wir würden uns nur selbst umbringen bei
dem Versuch, dem Tod eine Richtung abzutrotzen.«
    Â»Was ist, wenn wir Hellas brauchen?« knurrte Bestar.
    Â»Wozu sollen wir ihn brauchen?« fragte Eljazokad.
    Der Klippenwälder schlug die Augen nieder. »Um die Brücke zu finden.
Hellas konnte alles treffen mit seinem Bogen. Vielleicht … könnte er einen
Pfeil in diese Brücke schießen. Er könnte wissen, in welcher Richtung sie
liegt.«
    Lächelnd schüttelte Eljazokad den Kopf. »Hellas war vieles, aber ein
Magier war er nicht. Ich bin zur Zeit leider auch keiner mehr. Die Dreimagier
wollen uns nicht weiterhelfen. Naenn hat große Fähigkeiten, wird aber durch
ihren eigenen mütterlichen Zustand auf sich selbst zurückgeworfen. Wir
bräuchten Riban Leribin. Ich bin ihm ja noch nie persönlich begegnet. Wo ist
er, wenn man ihn braucht?«
    Â»Vielleicht immer noch in Terrek, vielleicht schon wieder in Aldava,
vielleicht irgendwo, wo der Kontinent um Hilfe ruft und niemand auf dieses
Schreien reagiert.« Naenn seufzte. Sie hatte etwas anfügen wollen wie: » … um
uns durch einen neuerlichen Auftrag in Schmerz und Auflösung zu führen«, aber
sie ließ es bleiben. Rodraeg hatte Riban zwar nie restlos vertraut, sich den
Missionen aber mit ganzer Kraft überantwortet. Cajin zweifelte nie. Bestar war
anfangs ein Wagnis gewesen, jetzt eine stützende Kraft. Und selbst Eljazokad,
der alles verloren hatte, was ihn ausmachte, schien keinen Groll mit sich
herumzutragen.
    An diesem Abend nahm Naenn all ihre Zweifel und
Verzweiflung mit ins Bett. Die Schwangerschaft, die sie als handlungsfähiges
Gruppenmitglied lahmlegte, ängstigte sie. Sie war noch gar nicht darauf
vorbereitet gewesen. Weder auf die stürmische Liebe eines Mannes, noch auf
eigene Mutterschaft. Erst recht nicht auf Mutterschaft ohne einen Kindsvater.
    Was war nur in sie gefahren? Weshalb hatte sie es so weit kommen
lassen und auch noch die Waghalsigkeit besessen, das Liebemachen
leidenschaftlich zu genießen? Das entsprach so gar nicht ihrem früheren Wesen.
    War es das, was das Mammut ausmachte? Daß
es sie alle umwandelte? Sie in eine sinnliche Frau und Mutter. Bestar in einen
Riesen. Eljazokad in einen Nichtmagier. Cajin in einen Mann, der Entscheidungen
fällte. Rodraeg in einen Sterbenskranken, dann kurz in einen Gesunden, dann
wieder in einen, der auf der Brücke der Todes stand. Ihn nahm das Mammut am allermeisten mit.
    Je mehr einer das Mammut liebt , dachte
Naenn, desto höher ist sein Tribut.
    Einer Eingebung folgend, entkleidete sie sich und legte sich zu
Rodraeg ins Bett, der, weil es noch warm war im Rauchmond und es das Waschen
erleichterte, ebenfalls nackt war. Behutsam berührte sie seinen reglosen Körper
mit ihrem vorgewölbten Bauch. »Hier ist das Leben«, hauchte sie. »Kannst du es
spüren? In dieser Richtung liegt das Leben.«
    Es dauerte drei Stunden, bis Naenn in dieser Nähe einschlafen
konnte, aber selbst in diesen drei Stunden, in denen sie aufmerksam jedes
Härchen auf Rodraegs Körper betrachtete, verließ er die Brücke der brennenden
Blumen nicht.

4

Der hängende Mann
    Der folgende Tag, der

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