Brücke der brennenden Blumen
besichtigten Eljazokad und Bestar in Ljusâ Beisein
noch Forker Munsens Todesbaum, eine stattliche Buche mit mächtigen Querästen.
»Hier hing er«, deutete Ljus nach oben. »Er war noch gar nicht lange
tot, deshalb hatten die Wespen und Raupen ihn noch nicht zerfressen.«
»Ziemlich hoch. Wie kommt man da alleine rauf?« fragte Eljazokad
immer noch argwöhnisch.
»Waldführer können alle klettern wie die Eichhörnchen. Er konnte
sich ja schlecht selbst hochziehen und strangulieren, also muÃte er hoch genug
klettern, um in einen sauberen Genickbruch reinspringen zu können.«
»Ist das ein ⦠guter Tod für einen Waldmenschen?«
»Warum nicht? So am Baum hängend wie eine reife Frucht, die FüÃe
über dem Ungeziefer.«
»Und den Kaninchen«, brummte Bestar.
»Warum sagst du das?« fragte ihn der Lichtmagier.
»Die können nicht hochgucken, glaube ich, deshalb werden sie von
Eulen leicht geschnappt. Also konnten sie ihn auch nicht hängen sehen. Aber das
konnten sie ja ehâ nicht, weil es sie nicht mehr gibt.«
»Und ihr zwei geht jetzt hier rein, ohne Führer, ohne Karte?« fragte
Ljus nach einer Weile.
»Gibt es denn Karten vom Thost?«
»Na ja. Führer können welche machen. Es gibt ja auch Ortschaften im
Wald. Stoerig und Anfest. Aber die Wege verändern sich laufend, also auch die
Karten.«
Eljazokad deutete auf einen Waldpfad, der von der Nähe der
Selbstmordbuche aus tiefer in den Thost führte. »In zwei Tagen müssen wir
ohnehin wieder zurück, also können wir nur einen Tag tief reingehen. Innerhalb
dieser kurzen Zeitspanne werden sich die Wege wohl kaum komplett verlagern.«
»Und was hofft ihr da drinnen zu finden?«
»Das werden wir womöglich erst hinterher wissen.«
»Ihr seid aber nicht auf der Suche nach den Schätzen des alten
Fojolom?«
»Ganz bestimmt nicht.«
»Da gibt es nämlich längst nichts mehr zu finden.«
»Das hast du uns schon klargemacht. Danke für alles, Ljus. Bis in
zwei Tagen also.«
»Bis dann«, grinste Ljus und schaute den beiden winkend hinterher,
bis der Thost sie vollständig aufgesogen hatte.
5
Thost
Aus Eljazokads Tagebuch:
1. Blättermond
Unser erster Tag im Thost.
Ich schreibe »unser erster«, weil wir schon
jetzt beschlossen haben, länger hierzubleiben. Der ursprüngliche Zeitplan, der
vorsah, daà wir uns nach nur zwei Tagen schon wieder auf die Rückreise machen,
war völliger Unsinn. Das hätte klappen können, wenn Clellachs kundigster
Waldführer nicht tot gewesen wäre, sondern uns mit Rat und Tat zur Seite
gestanden hätte. Aber wir waren ja nicht einmal imstande, gezielt nach
Kaninchenlosung zu suchen. Wir fanden Kötelchen, aber ob sie von Hasen,
Mardern, groÃen Mäusen oder Kaninchen stammten, vermag selbst Bestar nicht zu
sagen, der bei »so was nie so gut aufgepaÃt hat wie beim Kämpfenlernen«, sagt
er.
Es ist seltsam, dies in ein Heft zu
schreiben.
Bestar liegt neben mir und schnarcht schon
in unserem selbstgestalteten, kümmerlichen Nachtlager. Ich versuche, unseren
Tag im Thost zu Papier zu bringen. Das soll mir ersparen helfen, hinterher
mühsam einen Bericht verfassen zu müssen. Ich schicke dem Kreis einfach diese
Niederschrift, da stehen mehr Details drin, als wenn ich mich in zwei Wochen an
alles zu erinnern versuche.
Wir drangen in den Thost ein.
Ich konnte das Besondere an diesem Wald
spüren, etwas, das ihn von jedem anderen auf dem Kontinent abhebt. Er ist alt,
richtig alt, und ihn umgibt und durchdringt eine besondere Aura. Doch auch der
mächtige Thost leidet unter der drückenden Hitze dieses ersten Tages des
Blättermondes. DrauÃen mag es Wind geben, der die Wärme des Tages ins
Herbstliche zieht, aber hier drinnen bringen die Bäume jeglichen Wind zum
Innehalten. Schwüle, staubige Luft schwebt zwischen den Stämmen. Der Wald ist
trocken, und man spürt die erwartete Kraftfülle und Energie des vielfältigen
Lebens nur gedämpft.
Der Pfad, den zu verfolgen wir uns
vorgenommen hatten, endete bereits nach drei bis vier Meilen. Endete ohne
ersichtlichen Grund. Wir fanden uns vor die Wahl gestellt, denselben Pfad
wieder zurückzugehen bis nach Clellach oder Bestars Himmelsrichtungskundigkeit
in dem dichten, vom Herbst noch so gut wie unverfärbten Mischwald zu vertrauen
und
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