Brücke der brennenden Blumen
mehr?«
»Der Spaziergänger ist hier in der Nähe. Ich folge schon seit zwei
Stunden seinen rückwärtsgewandten Spuren. Willst du hier Wache halten und auf
deinen Freund aufpassen? Dann versuche ich, den Spaziergänger aufzustöbern, und
hole euch dann nach.«
»Gut.«
Tjarka nickte dem Klippenwälder finster zu, dann schlüpfte sie
zwischen das Blattwerk davon.
Die Sonne versank in den Bäumen. Wolkige, schwere Nacht breitete
sich aus. Das Gewicht des kommenden Regens drückte die schwüle Luft zusätzlich
zu Boden. Käuzchen riefen. Herbstgrillen zirpten in den Gräsern. Ein gröÃeres
Raubtier raschelte knurrend im Unterholz. Bestar hielt Ausschau, die Hand am
Griff Skergatlus, das er noch nie im Kampf erprobt hatte und dem seine
Bluttaufe noch bevorstand. Eljazokad brabbelte im Schlaf vor sich hin. Etridti Djuzul und andere Worte, die in Bestars Ohren
keinen Sinn ergaben.
Es war schon weit nach Mitternacht, und Bestar nickte langsam ein,
als Tjarka ihn an der Schulter rüttelte. »Mach ihn wach und folgt mir.
Schnell.«
Bestar rüttelte den protestierenden Eljazokad und erklärte ihm in
wenigen Worten die Lage. Eljazokad ächzte, kämpfte sich aber auf die Beine und
versuchte, mit den beiden Schritt zu halten. Bestar und er waren annähernd
blind im Dunkel des nächtlichen Thost, blind wie neugeborene
Kaninchen , schoà es Eljazokad durch den Kopf. Tjarka rauschte voran.
Manchmal sah es aus, als liefe sie auf allen vieren, aber sie duckte sich wohl
nur unter tiefhängenden Zweigen durch. Bestar tat es ihr dann gleich und warnte
auch den Magier vor. Dennoch muÃten sie immer wieder auf Eljazokad warten, der
sich irgendwo verheddert hatte.
Bestar nutzte eine dieser Pausen, um Tjarka eine Frage zu stellen.
»Vorhin schlich ein gröÃeres Tier um das Lager. Was kann das gewesen sein?«
»Ein Waldluchs. Ich habe ihn gerochen, als ich zurückkam. Keine
Gefahr für Menschen.«
»Und für Kaninchen?«
»Was habt ihr nur immer mit euren Kaninchen? Ich habe schon seit
Wochen keins mehr zu Gesicht bekommen.«
»Eben.«
Tjarka fragte nicht weiter nach, machte sich wohl ihre eigenen
Gedanken. Weiter ging die Jagd durch das Dunkel. Der Finsternis hinterher, ohne
sie jemals mit Händen greifen zu können. Eljazokads Atem rasselte wie der eines
alten Mannes. Dann, nach einer Stunde etwa, gebot Tjarka ihnen Einhalt.
Eljazokad torkelte schlaff gegen Bestars Massigkeit und sank seufzend zu Boden.
»Wir bleiben hier, denn dies ist die richtige Seite des Windes«,
erläuterte Tjarka. »Macht euch klein und hört auf zu keuchen.«
»Ich keuche nicht«, gab Bestar ruhig zurück.
»Ja, ja. Halt dem Dünnen den Mund zu, wenn es gar nicht anders geht.
Da â hört ihr?«
Bestar und Eljazokad lauschten in die Nacht hinein.
Zikaden sangen ihr rhythmisches Lied. In ferneren Bäumen rauschte
Wind. Ãste knarrten. Gefieder raschelte in hohen Zweigen. Bestar und Eljazokad
machten sich fast ebensoklein wie Tjarka und atmeten flach.
Ein Grollen schälte sich durchs Unterholz, ein brodelndes Singen,
erst gar nicht als menschliche Stimme erkennbar, dann deutlicher, weil näher
kommend. Eine Stimme, so guttural und gurgelnd wie ein kehliges Räuspern, ein
Hochwürgen von Schleim. Dann aber wiederum volltönend und dröhnend. Das Organ
eines Abgrundes.
»â¦Â tief sanken ihre Schritte in den
schneeverborgenen, rotverborgten Weg. Auf ihrem Rücken trug sie, von zwei
kinderhandgewobenen Decken gehalten wie zwei Flügelchen, ihr Töchterlein, das
krank war und nicht zu schlucken wuÃte die Fragen dieser Welt. Ein Rauschen
umgab das Mandelmädchen, umkreiste sie näher, umging und umgarnte, umfing und
umtarnte, und sie beschleunigte rot ihre kleinen, kleinen Schritte. Etwas war
im Nachtwind und im hämischen Glitzern der Eiskristalle, etwas, das sich
näherte und die Zunge leckend nach ihr herausstreckte. Sie konnte niemanden
sehen, aber die Vögel mit den weisen Bärten waren geflüchtet, der schwarze Wald
lag still und schattig. Nur ihre kleinen, kleinen Stiefel knirschten und
hinterlieÃen eine Spur, die weit für jedermann und Jägersmann zu lesen war â¦Â«
Eine Gestalt wand sich aus der Nacht. GroÃ, knochig, mit beiden
Armen rudernd wie ein Rezitator, der sich selbst eine raspelnde Rede hielt. Ein
Mann, der rückwärts durch den Wald
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