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Brücke der brennenden Blumen

Brücke der brennenden Blumen

Titel: Brücke der brennenden Blumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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einen schrecklichen Traum,
deshalb bin ich schon wach. Ich will versuchen, den Schrecken in Worte zu
fassen, während meine Haut noch fröstelt unter der Unmittelbarkeit meines
Traumes.
    Ich war allein im Thost. Bestar und Tjarka
waren womöglich gestorben, jedenfalls fühlte ich mich sehr kläglich und
verlassen. Dann tauchte ein Kaninchen auf. Ich weiß noch, daß ich vor Glück
beinahe überfloß. Mir schien, als hätte ich jahrelang vergeblich nach Kaninchen
gesucht und schon beinahe alle Hoffnung aufgegeben, jemals eines lebendig zu
Gesicht zu bekommen. Und da war eines: munter und gesund, das Fell von
hellgrauer Farbe. Es blinzelte mir zu und hoppelte davon in den Wald. Ich
folgte ihm. Wenn es zu schnell wurde, wartete es auf mich, blickte sich
mümmelnd zu mir um und hoppelte mir dann weiter voraus. Ich konnte es – wie man
das aus Träumen kennt – nie erreichen, verlor es aber auch nie aus den Augen.
    Schließlich erreichten wir eine wunderschöne
Lichtung. Blumen in allen Farben und Formen gediehen und blühten hier. Es
schien später Frühling zu sein oder früher Sommer. Ich weiß noch, daß ich sogar
Gesang hörte. Dünne, melodische Stimmchen. Es waren die Blumen selbst, die
sangen, und die Insekten, die mit blütenstaubbeschwerten Beinchen von Kelch zu
Kelch summten, um sich zu laben und zu sammeln. Alles ergab einen perfekt in
sich harmonierenden Kreislauf, ein Wachsen und Werden und Wirken von großer,
friedlicher Vollkommenheit. Staunend folgte ich dem Kaninchen über die
farbenflutende Wiese.
    Dann gab plötzlich der Boden unter mir nach.
Eine Fallgrube für wilde Tiere. Das Kaninchen konnte darüberhoppeln, ohne den
Trugboden zu durchbrechen, aber ich war zu schwer. Ich stürzte in die Tiefe wie
in den Niemalsbrunnen. Mein Schrei war ungewöhnlich laut und furchtbar.
Nirgends konnte ich mich festhalten. Das letzte, was ich sah, war das
Kaninchen, das mit fragendem Blick über den Rand zu mir hinabschaute. Dann
begann es zu lachen, und ich wachte auf, bevor ich irgendwo aufschlug.
    Das Kaninchen verhöhnte mich, weil ich
zu plump und schwer war. Unfähig, eins zu werden mit dem Thost und seinen
Wundern.
    Jetzt beginnt unser siebter Tag im Thost,
und bislang finden wir nichts außer blinden Brunnen und einem schlammigen Grab.
    Vielleicht sollte ich tatsächlich die
Schicksalskarten wörtlich nehmen und mich kopfüber an einen Baum knüpfen
lassen, um eine neue Perspektive auf den Thost zu erlangen. Die Wipfel als
Wurzeln im Himmel, das Erdreich als Wolken und Licht.
    Immerhin könnte ich, dort oben hängend,
nicht in Fallgruben treten.
    Aber Bestar, der Erdverbundene, würde nur
den Kopf schütteln über mich.
    Und Tjarka, die ohnehin den Wolken folgt und
eine andere Perspektive hat, würde gelangweilt sein über das, was ich für neue Erkenntnisse
hielte.
    Sie hatten Fenchels Gebet immer noch nicht erreicht, als
Tjarka plötzlich innehielt und auch den beiden anderen bedeutete,
stehenzubleiben und aufmerksam zu sein.
    Â»Was ist los?« fragte Bestar.
    Â»Irgend etwas stimmt nicht, da vorne …« Sie konnte nicht zu Ende
sprechen. Hinter einem Baum hervor, aus etwa zwanzig Schritten Entfernung,
zischte ein Pfeil auf sie zu. Sie stand wie erstarrt. Bestar riß sie grob zu
Boden. Der Pfeil verfehlte die beiden nur knapp und blieb zitternd in einem Baum
stecken.
    Â»Soll das auch eine Art Selbstmord sein, Mädchen?« schimpfte Bestar
in flüsterndem Tonfall mit der Waldführerin. »Einfach stehen bleiben, wenn man
beschossen wird?«
    Â»Noch nie … hat jemand … auf mich geschossen … wer war das?«
    Â»Ihr Götter, was ist der Thost nur für ein armseliger kleiner Wald!«
Bestar sprang auf und in die Deckung eines mächtigen Buchenstammes, aber auch
der Schütze hatte entweder seine Position verändert, oder es waren mehrere
Schützen. Ein zweiter Pfeil raste auf Bestar zu, und der Klippenwälder opferte
in unbewußter Geschwindigkeit seinen linken Unterarm, um sein Leben zu
behalten. Der Pfeil durchschlug Fleisch und Sehnen und blieb zwischen den
Unterarmknochen stecken, ohne daß die ausgetretene Spitze Bestars Rumpf
erreichte.
    Â»Arrrrrrrr«, grollte Bestar zu Eljazokad hinüber, der mit
furchtgeweiteten Augen hinter einem anderen Baum Schutz suchte. »Wenn Rodraeg
das nächste Mal fragt, ob wir noch Ausrüstung

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