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Brückenorakel Bd 2 - Weltenwanderer (German Edition)

Brückenorakel Bd 2 - Weltenwanderer (German Edition)

Titel: Brückenorakel Bd 2 - Weltenwanderer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Fairchild
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hinfliegt.«
    Sanft schob Avi Hannahs Hand weg. »Alles in Ordnung«, meinte er.
    Er machte einen Schritt vorwärts. Die Ränder der Öffnung weiteten sich, um ihn zu empfangen. Der Boden unter seinen Füßen war nachgiebig, der Abgrund schwärzer als alles, was er bis jetzt gesehen hatte. Nicht einmal ein Nachthimmel ohne Sterne war so dunkel. Und dennoch konnte Avi ausmachen, dass sich in der Tiefe etwas bewegte. Es pulsierte, veränderte seine Lage und wartete.
    Auf einmal erschien ihm die Vorstellung, dort hinabzusteigen, ziemlich wahnwitzig.
    »Avi«, flehte Hannah. »Bitte komm vom Rand weg.«
    Einen Moment lang weigerten sich seine Beine, ihm zu gehorchen. Sie schienen ihn sogar nach vorne in Richtung des Lochs tragen zu wollen. Endlich gelang ihm mühsam ein Schritt rückwärts, und er presste sich nach Atem ringend an die Wand.
    »Ich dachte schon, du springst jetzt«, sagte Hannah.
    »Nein«, erwiderte er. »Ich wollte es nur mit eigenen Augen sehen.«

    Zurück in der Kapelle, wurde sich Avi plötzlich der Tragweite seines Vorhabens bewusst, und er ließ sich schwer auf die unterste Stufe der Plattform mit dem Thron sinken. Hannah setzte sich neben ihn und legte ihm den Arm um die Schulter.
    »Ist alles in Ordnung?«, fragte sie. »Ich hatte vorhin richtig Angst.«
    »Ich auch«, antwortete er. »Aber da wäre noch etwas. Mir ist gerade eingefallen, dass wir in die Welt der Sterblichen müssen, um das Erinnerungsbuch meines Vaters zu holen.«
    »Was? Wir sind doch gerade erst hier angekommen.«
    »Stimmt. Aber die Bücher werden in der British Library, also in der Welt der Sterblichen, aufbewahrt. Dort habe ich McNemosyne kennengelernt.«
    »Die Gedächtnismuse. Ja, das hast du mir erzählt.«
    Avi seufzte. »Und dann wieder den ganzen Weg zurück, damit ich durch das Schweigende Tor gehen kann.«
    »Du? Und was ist mit mir?«
    Er blickte ihr tief in die Augen. »Ich kann dich nicht mitnehmen. Es ist zu gefährlich.«
    Hannah schob den Kiefer vor. »Versuche nicht, mich aufzuhalten.«
    Avi wusste nicht, was er auf eine solche Entschlossenheit erwidern sollte.
    »Entschuldigt die Störung«, meinte Brucie und landete vor ihnen. »Ich habe nämlich eine Idee.«

    Eine Stunde später paddelten Avi und Hannah in einem kleinen Boot aus überzogenem Weidengeflecht flussaufwärts in Richtung Whitehall. Die Wellen schlugen an die Seiten des Rumpfs, der gegen die Strömung durchs Wasser glitt.
    »Bist du sicher, dass du den Weg kennst?«, flüsterte Avi Brucie zu, die sich wie eine blaue Galionsfigur an den runden Bug des Bootes klammerte. Sie blieben immer in Ufernähe und hielten Ausschau nach Patrouillenbooten. Laut Durin hatten sich die Grimalkins, die gefährlichen Katzenmenschen, die in Kellens Auftrag den Fluss überwachten, zwar inzwischen zum Großteil in die Umgebung von Falcon Island zurückgezogen, doch man konnte nie vorsichtig genug sein.
    »Ich sage immer die Wahrheit«, entgegnete Brucie. »McNemosyne ist eine Muse. Das heißt, dass sie gleichzeitig in beiden Welten existiert.«
    »Wie ist das möglich?«
    »Frag mich nicht. Ich bin nur eine Elfe.«
    »Vielleicht funktioniert es wie beim Hadrianswall«, schlug Hannah vor, worauf Avi und Brucie sie verdattert ansahen. »Mum war mit mir einmal dort«, erklärte Hannah, während sie weiterruderte. »Der Hadrianswall ist an manchen Stellen so verfallen, dass nur eine Reihe von Steinen davon übrig geblieben ist. Als ich mich darüber gestellt habe, war ich mit einem Fuß in England und mit dem anderen in Schottland. Möglicherweise ist es bei McNemosyne ja ähnlich.«
    »Por-par-pop«, meldete sich Pennie vom Boden des Bootes.
    »Jedenfalls klappt es«, meinte Brucie. »McNemosynes Gewölbe befindet sich sowohl im Keller der British Library als auch in dem des Banqueting House in Whitehall.«
    »Schade, dass es keinen anderen Weg gibt hinzukommen«, seufzte Avi und klopfte auf das Dollbord des Bootes.
    Das Orakel und die Wächter hatten, was Brucies Plan anging, zwar ihre Zweifel gehabt, allerdings auch nicht mit einer besseren Lösung aufwarten können. Weil sich Kellens Goblins überall herumtrieben, hielten sie es für zu gefährlich, auf dem Fluss nach Whitehall zu fahren, denn die Wächter konnten Avi und Hannah nur auf der Brücke beschützen. Als Avi vorgeschlagen hatte, auf einem Greifen aus den Stallungen unter der Kapelle zu reiten, hatte das Orakel erwidert, sie seien alle auf der Weide. Also war das Boot die einzige Möglichkeit.
    Inzwischen

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