Brückenorakel Bd 2 - Weltenwanderer (German Edition)
ist«, fügte das blaue Orakel hinzu, »dass wir Veränderungen im Déopnes beobachtet haben. Durch Kellens Einmischung ist die Zwischenwelt geschrumpft. Unser Bruder, der von uns dreien die engste Verbindung zum Déopnes unterhält, wird deshalb bei jedem neuen Übergriff jünger.«
»Falls es Kellen gelingt, seine Brücke vollständig zu öffnen«, ergänzte das rote Orakel, »befürchten wir, dass das Déopnes ausgelöscht wird.«
»Und damit auch unser Bruder«, merkte das blaue an. Das grüne Orakel schaute ängstlich zwischen seinen Brüdern hin und her.
»Es wird keine Zwischenwelt mehr geben.«
»Und das Orakel wird auseinandergerissen.«
»Grundlegende Veränderungen werden eintreten.«
»Dinge werden ihr Ende finden.«
Schweigen entstand. Unter Hannahs Jacke klapperte Pennie einmal mit dem Schnabel.
»Wird euer Bruder also sterben, wenn Kellen das Déopnes zerstört?«, fragte Avi. Er machte sich weniger Sorgen um das Orakel als um seinen Vater.
»So einfach ist es nicht«, erwiderte das rote Orakel. Seine Miene verhärtete sich, und obwohl Avi weiter nachhakte, äußerte sich keiner der beiden mehr zu diesem Thema.
»Was würde eigentlich passieren, wenn ich mich auf den Thron setze?«, versuchte Avi es mit einer anderen Strategie.
Er schlenderte zu den Stufen hinüber und strich mit der Hand über das hölzerne Geländer. Die drei Orakel, alt wie jung, schnappten erschrocken nach Luft.
»Avi!«, rief Hannah aus. »Was tust du da?«
Avi trat auf die zweite Stufe. »Wenn die Welten vereint sind, verschwindet das Déopnes . Habt ihr das gemeint? Ohne Abstand zwischen den Welten kann es logischerweise auch keine Zwischenwelt geben, richtig?«
»Du redest von Dingen, die du nicht verstehst!«, zischte das rote Orakel.
»Ganz im Gegenteil«, antwortete Avi und stieg noch zwei Stufen hinauf. »Ich glaube, allmählich begreife ich es erst richtig. Wenn ich mich auf diesen Thron setze, ist es aus und vorbei mit eurem Bruder. Das heißt, dass ihr nicht gerade unvoreingenommen seid. Ist das der Grund, warum ihr euch beim letzten Mal so dagegen gesträubt habt?«
»Komm wieder runter, Avi«, sagte Hannah. »Das ist nicht komisch.«
»Sie hat recht«, fügte Brucie hinzu.
Inzwischen stand Avi vor dem Thron, schloss die Augen und ließ dessen Macht auf sich wirken. Der Thron besaß ein eigenes Kraftfeld wie die Erde selbst. Es wäre so leicht gewesen, sich davon anziehen zu lassen …
Er öffnete die Augen wieder und betrachtete das Orakel. Die beiden alten Männer wirkten sehr besorgt. Das Kleinkind, der Dritte in diesem geheimnisvollen Bund, saß vor ihnen auf dem Boden und machte einen müden und traurigen Eindruck.
Plötzlich wurde Avi von Erschöpfung ergriffen.
»Also gut«, seufzte er, riss sich vom Thron los und ging die Stufen wieder hinunter. Alle atmeten erleichtert auf. »Ich werde mich nicht auf euren kostbaren Thron setzen. Wenigstens noch nicht. Aber ich muss euch etwas fragen. Wenn das Déopnes zerstört wird, was geschieht dann mit denen, die darin verloren sind?«
»Meinst du mit allen? «, erkundigte sich das rote Orakel.
»Zugegeben, mir kommt es vor allem auf einen an. Mein Vater Oren ist ins Déopnes gefallen. Wird er sterben, falls Kellen Erfolg hat?«
Die beiden älteren Orakel wechselten einen Blick.
»Er bleibt dann für immer verschollen«, antwortete das blaue Orakel.
»Er wird aufhören zu existieren«, ergänzte das rote.
Avi nickte mit finsterer Miene. »Wenn das so ist, muss ich ihn retten, bevor es zu spät ist.«
»Ins Déopnes hineinzukommen, ist schwierig«, sagte das blaue Orakel mit einer wegwerfenden Handbewegung.
»Es zu verlassen«, fuhr das rote Orakel fort, »ist unmöglich.«
»Das stimmt nicht«, widersprach Avi. »Kellen hat es doch auch geschafft. Das weiß ich, weil meine Mutter es mir erzählt hat.«
»Ein Zufall.«
»Wie er es angestellt hat, bleibt ein Rätsel.«
»Vor ihm ist es noch keinem gelungen.«
»Danach auch nicht.«
»Bis auf Oren natürlich.«
»Was?«, rief Avi und eilte zu dem Orakel hinüber. »Was habt ihr gesagt?«
»Oren und Kellen waren zusammen im Déopnes «, erklärte das blaue Orakel. »Wusstest du das nicht?«
»Nein«, antwortete Avi leise. Es gab so vieles, von dem er nichts ahnte oder das er vergessen hatte. Seine Gedanken überschlugen sich, und das Herz klopfte ihm bis zum Hals. »Falls Oren es schon einmal geschafft hat, gibt es nun offenbar etwas, das ihn daran hindert. Ich muss ihn retten. Ich muss es
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