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Brückenorakel Bd 2 - Weltenwanderer (German Edition)

Brückenorakel Bd 2 - Weltenwanderer (German Edition)

Titel: Brückenorakel Bd 2 - Weltenwanderer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Fairchild
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waren.
    »Hat dir schon einmal jemand gesagt, dass es unhöflich ist, andere Leute anzustarren?«
    »Entschuldige«, erwiderte Avi. »Es ist nur …«
    »Sag jetzt nicht, dass ich aussehe wie er«, meinte sie. »Das kriege ich nämlich ständig zu hören.«
    »Einverstanden. Ich halte den Mund«, entgegnete Avi.
    Schmunzelnd wandte sie sich ab. »Du ähnelst ihm ebenfalls. Derselbe herablassende Gesichtsausdruck.«
    »Ich dachte, den hätte ich von meiner Mutter.«
    Iritha schnaubte und betrachtete die Gebäude, die sich vor ihnen erhoben. »Du weißt, dass es Wahnsinn ist. Schließlich sind wir nur zu dritt.«
    »Warum bist du dann mitgekommen?«
    Iritha antwortete nicht auf seine Frage. Als sie eine eingestürzte Mauer erreichten, kletterte sie über die Trümmer.
    »Was hat sie?«, flüsterte Hannah.
    Pennie war ungewöhnlich still und klammerte sich wie ein Affenkind an Hannahs Rücken. Ihr Fell ahmte die Oberfläche des Kettenhemdes täuschend echt nach.
    »Kobolde haben gute Ohren«, rief Iritha und winkte die beiden zu sich.
    Avi und Hannah stiegen über das Geröll.
    »Wenn es dich so brennend interessiert«, sagte Iritha. »Oren und ich verstehen uns nicht sehr gut.«
    »Warum?«, wunderte sich Avi.
    »Verstehst du dich etwa mit deinem Bruder?«
    Avi dachte an Levi. »Das ist etwas anderes. Erstens ist er nur mein Halbbruder, und zweitens hat er mich gefangen gehalten und mein Erinnerungsbuch zerrissen.«
    »Ich verstehe. Drücken wir es einmal so aus, dass Oren stets getan hat, als wäre er mein großer Bruder, obwohl er mein Zwilling ist. Er hat mich bevormundet.«
    Gefolgt von Avi, rutschte sie die Schutthalde auf der anderen Seite wieder hinunter.
    »Und jetzt bist du in der stärkeren Position.« Sie hielt inne und blickte ihn an. »Du warst schon immer ein netter Junge«, meinte sie.
    Es wurmte Avi zwar, dass sie ihn als Jungen bezeichnete, aber er schwieg.
    »Kanntest du mich schon in meiner Kindheit?«, fragte er.
    Sie nickte und musterte ihn. »Du ähnelst ihm sehr«, flüsterte sie und strich ihm eine Locke aus der Stirn. »Und dennoch bist du ganz anders. Bist du so, wie alle glauben, Avi? Besitzt du die Fähigkeiten, die man dir zuschreibt?«
    »Was soll das heißen?«
    Irgendwo im Nebel krächzte eine Krähe.
    Iritha schüttelte sich. »Nichts. Dafür ist auch noch später Zeit. Wir werden lange Gespräche führen, Avi. Du, ich und dein Vater. Wir werden alles klären. Doch zuerst haben wir etwas zu erledigen, und der Feind ist nah.«
    »Goblins?«, fragte Hannah.
    »Por-bada-pop«, machte Pennie.
    »Goblins«, bestätigte Iritha. »Und jetzt folgt mir und bleibt immer in meiner Nähe.« Sie zog das Gewand fest um ihren Körper, der sich bereits veränderte und wieder die Form eines Ozelots annahm. Sobald die Verwandlung vollendet war, huschte sie in den Nebel hinein.
    Sie schlichen durch enge Gassen, wo nicht auszumachende Tiere, Ratten vielleicht, unter verrottenden Wagenrädern verschwanden.
    Zwischen den baufälligen Häusern war der Nebel noch dichter. Gewaltige Farne wuchsen aus schon vor langer Zeit zerbrochenen Fensterscheiben und ragten in die Straße hinein. Knorrige Bäume umfingen verlassene menschliche Behausungen. Hier war die Stadt noch überwucherter als der östliche Teil, wo Kellens Goblins den Wildwuchs eindämmten. Avi vermutete, dass der Wald das alte London in einigen hundert Jahren komplett verschluckt haben würde.
    Sie ließen Iritha nicht aus den Augen. Ihre Worte gingen Avi nicht mehr aus dem Kopf.
    Wir werden lange Gespräche führen … du, ich und dein Vater.
    Zum ersten Mal seit er schwer verletzt und ohne Erinnerungen in einem Krankenhausbett aufgewacht war, empfand er die Geborgenheit einer Familie. Es war nicht das kühle Verhältnis, das er zu seiner Mutter pflegte, sondern etwas viel Tieferes und Echteres.
    Zuhause ist kein Ort, dachte er. Es hängt von den Menschen ab, mit denen man zusammen ist.
    Etwa eine halbe Stunde später wurde Iritha wieder zur Koboldin und streckte den Rücken.
    Sie standen vor einem Haus, über dessen Tür ein bemoostes, abgeblättertes Schild baumelte. Blutiger Bär, stand in verblassten roten Buchstaben darauf. Offenbar handelte es sich um einen Gasthof. Das Strohdach hatte Löcher, und im großen Schankraum hatten sich einige Weiden breitgemacht.
    »Wartet hier«, flüsterte Iritha und verschwand im Nebel.
    Avi und Hannah standen schweigend da. Wieder stieß die Krähe ein heiseres Krächzen aus. Inzwischen schien sie ganz in der

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