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Brückenorakel Bd 2 - Weltenwanderer (German Edition)

Brückenorakel Bd 2 - Weltenwanderer (German Edition)

Titel: Brückenorakel Bd 2 - Weltenwanderer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Fairchild
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dort.«
    Dann wandte er sich von Hannah ab und steuerte auf den Flur zu, der ins Herz der Kapelle führte. Die Orakel blickten ihm teilnahmslos und schweigend nach.
    »Avi!«, rief Hannah. »Bitte!«
    Sie lief ihm nach. Avi ging so schnell und mit langen Schritten, dass sie ihn erst im Flur einholte. Er konnte ihr nicht ins Gesicht schauen, doch als sie sprach, hörte er, dass sie weinte.
    »Was ist mit mir, Avi?«, schluchzte sie. »Bedeute ich dir denn gar nichts?« Wieder wollte sie ihn festhalten, aber er schleppte sie einfach mit zur eisernen Tür am Ende des Flurs.
    »Bitte bleib einfach mal stehen und rede mit mir«, flehte sie.
    Avi lehnte sein ganzes Gewicht gegen die Tür, die sich mit quietschenden Angeln öffnete. Dann trat er ein.
    An dem sechseckigen Raum hatte sich nichts verändert. In seiner Mitte gähnte der Abgrund, den man das Schweigende Tor nannte.
    Ohne auf den abscheulich weichen Boden unter seinen Füßen zu achten, näherte sich Avi dem Loch. Als er in den Abgrund sah, spürte er, wie dieser seinen Blick erwiderte. Ein Donnergrollen stieg aus seiner Tiefe auf.
    Hannah packte ihn am Handgelenk.
    »Wehe, wenn du da reinspringst«, sagte sie. »Wehe. Von dort gibt es kein Zurück mehr. Das weißt du ganz genau.«
    Avi wandte die Augen von dem Loch ab und sah Hannah an.
    »Ich muss«, wiederholte er und versuchte, sein Herz zu verhärten. »Er ist mein Vater.«
    »Du kennst ihn doch kaum. Er ist nur … eine Wunschvorstellung. Väter verschwinden, Avi. Finde dich einfach damit ab.«
    Trotz der Tränen loderte Zorn aus ihren Augen. Avi wich vom Abgrund zurück und zog sie an sich. »Ich muss es tun.«
    Anfangs schmiegte sie sich in seine Umarmung, aber im nächsten Moment versetzte sie ihm einen so heftigen Stoß in die Rippen, dass er gegen die Wand taumelte.
    »Du bist ein Vollidiot!«, schrie sie. »Ihr werdet beide untergehen. Und was wird dann aus mir?«
    »Ich finde einen Weg zurück. Versprochen.«
    »Das wirst du nicht schaffen. Du wirst sterben!«
    »Kümmere dich an meiner Stelle um Iritha und warte mit ihr auf mich. Ich beeile mich.«
    Sie betrachtete ihn eine Weile mit geballten Fäusten und stürmte schließlich hinaus. Avi wollte ihr nachlaufen, aber seine Entschlossenheit ließ ihn innehalten.
    Er drehte sich wieder zu dem Loch im Boden um. »Jetzt gibt es nur noch dich und mich«, flüsterte er, machte einen Schritt vorwärts und …

    … fällt durch die Dunkelheit. Nach oben, nach unten und in alle anderen Richtungen. Der Sturz dauert Tage, Jahre oder vielleicht nur einen Wimpernschlag. Die Dunkelheit weitet sich aus, und er wächst mit ihr, bis er seinen Körper verlässt und größer ist als der Abgrund, in den er gesprungen ist. Rings um ihn sind Räume, die er nicht sehen kann. Geräusche hallen, die seine Ohren nicht wahrnehmen. Zu viele Dimensionen und eine Million Welten. Mehr, als er sich je erträumt hat, ja, als sich überhaupt jemand erträumen könnte. Und dann, plötzlich, ist er angekommen. Er wird wieder kleiner, kehrt in sich selbst zurück, spürt einen Windhauch auf der Haut und hört aus der Ferne Donnergrollen. Hitze dringt auf ihn ein. Etwas Rauhes scharrt an seiner Wange. Die Dunkelheit füllt sich mit Licht, und er findet sich …

    … auf Sand liegend wieder. Grober weißer Sand berührte seine Wange und Lippen. Er rieb ihn zwischen den Fingern. Über ihm donnerte es. Avis Verstand begann zu arbeiten, und langsam erhob er sich. Es war gar kein Donner, sondern Meeresbrandung.
    Er war an einem Strand. Salziger Wind wehte ihm das Haar aus dem Gesicht. Der Himmel über ihm war kobaltblau. Links von ihm schlugen von weißem Schaum gekrönte Wellen krachend ans Ufer und zogen sich wieder zurück. Rechts von ihm sah es genauso aus. Also doch kein Strand, sondern eine kleine Sandbank, die auf allen Seiten von Wasser umgeben war. Eine winzige einsame Insel.
    Ganz in der Nähe, auf einem niedrigen Sandhaufen, saß eine Gestalt. Der Mann hatte die Arme auf die angewinkelten Knie gestützt und das Gesicht abgewandt. Er trug eine zerschlissene grüne Tunika. Seine nackten Arme und Beine waren mit Blasen bedeckt. Sein Körper war zwar mager, aber kräftiger und muskulöser als der eines Menschen. Ein Kobold also.
    Neugierig näherte sich Avi dem Mann. Sein Schatten fiel vor ihm auf den Boden und vollzog jede seiner Bewegungen nach. Die grelle Sonne verbrannte ihm den Nacken.
    Als er den Kobold erreicht hatte, überlegte er, wie er ihn ansprechen sollte, doch sein

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