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Brückenschläge: Zwei Generationen, eine Leidenschaft (German Edition)

Brückenschläge: Zwei Generationen, eine Leidenschaft (German Edition)

Titel: Brückenschläge: Zwei Generationen, eine Leidenschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Lindner , Hans-Dietrich Genscher
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Gesichtspunkt mit der Europäischen Union befassen, wird auch etwas entstehen, das bisher fehlt, nämlich ein europäisches Wir-Gefühl. Derzeit dominiert das deutsche Wir-Gefühl, nämlich: Wir zahlen für Griechenland, aber was haben wir eigentlich davon? Es fehlt jedoch das Wichtigste: Wie ist das eigentlich mit Europa in dieser Welt, und haben wir eine Verantwortung für die künftige Weltordnung?
    LINDNER
    Das europäische Wir-Gefühl wird in der Euro-Krise auf eine harte Probe gestellt. Es gibt nur Vorbehalte auf beiden Seiten: Die einen beklagen die Einschnitte, die Arbeitslosigkeit, den Verlust an – vorher sicher auf Pump finanziertem – Wohlstand: Bluten müssen für ein aus Deutschland importiertes Stabilitätsdiktat, um es etwas zu überspitzen. Gegenüber Deutschland gibt es die Erwartung, dass wir erheblich in Haftung gehen sollen. Wir haben ja bereits solidarisch gehandelt. Aber unsere Solidarität ist an Gegenleistungen gebunden, die von unseren Partnern oft harte Schnitte und Veränderungen verlangt. Und bei uns wächst bei manchen das Gefühl einer Überforderung oder gar Übervorteilung, weil die ökonomischen, kulturellen und politischen Vorteile der Europäischen Union vernachlässigt werden.
    GENSCHER
    Das ist eine Bewährungsprobe, ja. Die Solidarunion darf nicht in Zweifel gezogen werden. Zur Haftungsunion aber muss man sagen: Diese Frage stellt sich mit jedem weiteren Schritt zur Wirtschafts- und Währungsunion erneut, denn wenn man keinen Einfluss hat auf das wirtschaftliche, das finanz- und währungspolitische Verhalten anderer, dann können diese auch nicht erwarten, dass man für entstehende Verpflichtungen einsteht – also zahlt.
    Solidarisch handeln dagegen heißt, die Umstände des Falles zu würdigen und selbst darüber zu entscheiden, wozu diese Solidarität verpflichtet. Um es noch einmal klar zu machen: Solidarische Hilfe ergibt sich aus dem Grundsatz, dass wir in einer Schicksalsgemeinschaft miteinander verbunden sind. Dieser Verantwortung ist Deutschland bis auf den heutigen Tag stets gerecht geworden. Eine weitergehende Verpflichtung in Richtung auf gemeinsame Haftung verlangt eine stärkere Vereinheitlichung von Wirtschafts-, Finanz-, Währungs- und Sozialpolitik. Hier liegt der Unterschied zwischen dem solidarischen Beistand einerseits und der im gemeinsamen Handeln begründeten gemeinsamen Verantwortung.

»Die politische Union scheiterte auch an den Deutschen«
    LINDNER
    An dem, was Sie gerade ausgeführt haben, finde ich zwei Aspekte bemerkenswert. Zum einen haben Sie von Europa als »Schicksalsgemeinschaft« gesprochen. Diesen Begriff hat man sonst immer im Zusammenhang mit der Nation verwendet – die Nation als historische Schicksalsgemeinschaft. Ich hebe das nicht hervor, um mich von Ihnen abzugrenzen, sondern nur um zu unterstreichen, dass der Gedanke der Schicksalsgemeinschaft heute über den nationalen Rahmen hinaus zu denken ist – von Brasilien, den USA oder China aus betrachtet teilen die Europäer eben dasselbe Schicksal. Zum anderen folgt aus Ihren Ausführungen, dass nach der Währungs- und Wirtschaftsunion auch die politische Union nachgeholt werden muss. Auch in der Regierungserklärung von Helmut Kohl 1991 hieß es bereits, unter Mitverantwortung von Hans-Dietrich Genscher, die politische Union und die Währungsunion seien zwei Seiten derselben Medaille. Fortschritte gab es jedoch nur in einem Bereich, bei der gemeinsamen Währung, im politischen Bereich hingegen nicht. In der Euro-Krise wurden wir brutal daran erinnert, dass es in der Hinsicht nicht die Verständigung gegeben hat, die es gebraucht hätte für eine politische Union.
    GENSCHER
    Heute wird gerne gesagt, der Geburtsfehler des Euro sei, dass man nicht zeitgleich die politische Union eingeführt habe. Sie haben es jetzt ja auch angesprochen. Zunächst einmal: Wir wissen, woran das Vorhaben damals gescheitert ist – auch an uns Deutschen. Ich sage das, damit keine Legenden aufkommen. Einflussreiche Kräfte hierzulande warnten davor, eine Wirtschaftsregierung anzustreben. Hinzu kam, dass man in manchen europäischen Ländern gedanklich einfach noch nicht so weit war. Vielleicht hat auch die Frage eine Rolle gespielt, wie sich das vereinte Deutschland verhalten werde in der Europäischen Union. Darauf konnte man zwei mögliche Antworten erwarten. Die eine lautete: Im Wege einer stärkeren Integration solle das vereinte Deutschland eingebunden werden. Die andere Erwartung, die in der Luft

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