Brückenschläge: Zwei Generationen, eine Leidenschaft (German Edition)
Garantierte Preise und garantierte Abnahme für alternative Energie – das waren geeignete Instrumente für einen Nischenmarkt. Obwohl wir inzwischen erfreulicherweise von einem Massenmarkt sprechen können, gibt es diese Instrumente immer noch. Das macht die Energiewende unnötig teurer und riskanter, als dieses Projekt ohnedies ist. Da sollte einem Marktdesign und einer staatlich verantworteten Förderung Vorzug gegeben werden, die die Anbieter zu technischem Fortschritt und günstigeren Preisen anhalten. Innovation, eine deutsche Tugend, ist der Schlüssel. Das öffnet auch Chancen auf dem Weltmarkt. Übersubventionierung bremst dagegen den technischen Vorsprung. Sie verzerrt.
Das beste Beispiel dafür ist die Solarenergie: Obwohl in unseren Breitengraden keine Apfelsinen wachsen, ist in Deutschland die Hälfte der weltweiten Kapazität an Photovoltaik installiert – offensichtlich wegen der staatlichen Förderkulisse. Stattdessen sollte es dem Wettbewerb um mehr Effizienz übertragen werden, den richtigen Energiemix für Deutschland herauszubilden. Nicht zuletzt ist das auch eine Frage der Gerechtigkeit, weil hier Investoren vergleichsweise bequem zulasten der Allgemeinheit eine Rendite einstreichen können, die Stromverbraucher auch aus schmalen Brieftaschen aufbringen müssen. Um nicht missverstanden zu werden: Ich mache keinem Landwirt einen Vorwurf, wenn er im Rahmen bestehender Gesetze auf dem Dach seiner Scheune eine Solaranlage anbringt – in Bayern sieht man inzwischen sogar immer mehr Dächer mit Solaranlagen ohne Scheune darunter. Aber Aufgabe der Politik ist es, diese Gesetze im Interesse des Gemeinwohls schnellstmöglich zu korrigieren.
GENSCHER
Das war damals schon mein Argument. Ich wiederhole es: Wer heute die Technologien für Umweltschutz hat, hat morgen die Märkte. Das würden Grüne so nicht sagen. Als Liberaler habe ich damals schon gesagt: Leute, erkennt mal, wir können Marktführer sein! Und das sind wir ja heute tatsächlich. In der sozialen Marktwirtschaft wird Umweltschutz nicht durch Bürokratisierung zur ökonomischen Wachstumsbremse, sondern durch Marktdynamik zum Wachstumsmotor.
LINDNER
Für diese Marktdynamik muss man nun die Bedingungen schaffen. Planung sollte durch einen marktwirtschaftlichen Rahmen ersetzt werden. Alternative Energien sollten also erstens nicht mehr unabhängig von ihrem Standort, ihrer Netzanbindung und ihrer Wirtschaftlichkeit mit einer festen Vergütung subventioniert werden. Ziel muss, wie ich eben sagte, ein Marktdesign sein, in dem sich die günstigsten Technologien und besten Standorte im Wettbewerb durchsetzen. Mit einer solchen Reform wird Deutschland die Energiewende erfolgreich gestalten – aber zu geringeren Kosten und bei geringeren Risiken. Wo regional alternativ erzeugte Energie weder in noch nicht ausgebaute Netze eingespeist noch gespeichert werden kann, dort muss die Bundesnetzagentur zweitens die Fördermittel für neue Anlagen beziehungsweise ihren Einspeisevorrang aussetzen können. Es ist doch abstrus, dass die Stromkunden auch für Energie zahlen müssen, die nicht genutzt werden kann.
Drittens braucht es eine gebündelte Projektleitung. In diesem Punkt teile ich die Forderung von Peer Steinbrück, der die Kompetenzen in einem Energieministerium zusammenfassen möchte. Die Arbeitsteilung zwischen einem Bundeswirtschaftsminister, der auf Wettbewerbsfähigkeit und Netzstabilität achten muss, und einem Bundesumweltminister, dessen Erfolg sich dagegen bislang am Tempo des Zubaus und der Höhe der Fördermilliarden bemisst, überzeugt mich nicht mehr. Der Wirtschaftsminister muss meiner Ansicht nach auch der Energieminister sein. Angesichts der gewaltigen Aufgaben und des großen Abstimmungsbedarfs auf europäischer Ebene ist ein Projektmanagement aus einer Hand dringend geboten. Überhaupt denken wir in diesen Fragen zu wenig im europäischen Kontext. Die Vorstellung einer deutschen Energieautarkie ist in meinen Augen nicht mehr zeitgemäß. Ein europäischer Strombinnenmarkt könnte dagegen in der Perspektive Solarenergie aus Griechenland mit Wasserspeichern in der Schweiz verbinden.
GENSCHER
Einverstanden. Aber ich will die Perspektive noch einmal weiten: Im Jahr 2050 werden wohl zehn Milliarden Menschen auf der Erde leben.
LINDNER
Und wenn die heutigen Entwicklungen fortgeschrieben würden, dann würde der Natur- und Ressourcenverbrauch das Schicksal der Menschheit infrage stellen. Das ist doch die eigentliche
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