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Brückenschläge: Zwei Generationen, eine Leidenschaft (German Edition)

Brückenschläge: Zwei Generationen, eine Leidenschaft (German Edition)

Titel: Brückenschläge: Zwei Generationen, eine Leidenschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Lindner , Hans-Dietrich Genscher
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von Ihrer Generation Pionierarbeit gefordert hat, so müssen wir heute in Verantwortung Stehenden uns mit der digitalisierten Gesellschaft befassen. Darüber will ich mit Ihnen nun sprechen.
    Der Umgang mit der fortschreitenden Durchdringung aller Lebensbereiche durch die digitalen Medien ist eine der großen Gestaltungsaufgaben der Zukunft. Lebensstile, Kommunikationsverhalten und Geschäftsmodelle – das alles ändert sich durch das Internet grundlegend. Und zwar mit einer Dynamik, die ein Einzelner kaum erfassen kann. Das bringt auch besorgniserregende Entwicklungen mit sich. Mir liegt aber zunächst an einer grundlegenden Feststellung: Das sind trotz der Risiken vor allem phantastische Technologien mit einem ungeheuren zivilisatorischen Potenzial! Sie erleichtern die Teilhabe am öffentlichen Leben, Medien und Kultur werden global, Informationen leichter zugänglich, kreative Potenziale verwirklicht, der Alltag bequemer, die Produktivität steigt. Ich könnte und wollte darauf nicht verzichten. Die nach 1980 Geborenen kennen gar keine andere Welt mehr.
    GENSCHER
    Ich habe während des »Arabischen Frühlings« die politische Bedeutung der Neuen Medien wahrgenommen. Dass sich Menschen, die in einem diktatorischen Regime leben, auf neue Art organisieren und für ihre Freiheit kämpfen können, ist eine Weiterentwicklung der Demokratie. Dort hat sich eine junge Generation nicht mehr unterdrücken lassen, sondern neue Wege gefunden, für eine Zukunft in Freiheit einzutreten.
    LINDNER
    Die Anonymität auf den Online-Plattformen hat das ermöglicht. In Gesellschaften, in denen die Meinungsfreiheit nicht gesichert ist, kann man deren Bedeutung gar nicht überschätzen. Hier berühren wir allerdings schon die Risiken, über die ich sprechen will: Es geht mir um die Privatheit der Person. Wer das Internet oder ein Mobiltelefon nutzt, gibt Informationen preis – oftmals ohne es überhaupt zu bemerken. Das erlaubt dem Staat, mit neuen technischen Möglichkeiten tief in die Privatsphäre einzudringen, um vermeintliche Sicherheit zu gewährleisten. Dann gibt es Unternehmen, die Daten sammeln und Persönlichkeitsprofile anlegen, um noch effizienter zu werben und gezielter ihre Produkte zu platzieren. Freiheit und Privatheit einerseits, andererseits Sicherheit und wirtschaftliche Interessen – Sie mussten mit vergleichbaren Konflikten umgehen. In den siebziger Jahren hatten Sie als Bundesinnenminister angesichts der terroristischen Bedrohung abzuwägen zwischen Freiheit und Sicherheit. Auch damals gab es neue technologische Möglichkeiten durch die – wie man sagte – elektronische Datenverarbeitung. Mich interessiert, wie Sie damals als liberaler Innenminister gedacht und entschieden haben.
    GENSCHER
    Da rühren Sie an eine ganz schwierige Frage, weil der Druck von zwei Seiten kam. Einerseits gab es eine Unterstützerszene der RAF , für die die legalen staatlichen Maßnahmen schon eine Rechtsverletzung waren und die um Verständnis für die Motive der Terroristen warben. Andererseits gab es politischen Druck, mit immer neuen Sicherheitsgesetzen vermeintlich wirksamere Formen der Verbrechensbekämpfung zu entwickeln. Übrigens, als ich Innenminister wurde, fand ich die Sicherheitsbehörden in einem miserablen Zustand vor. Das Bundeskriminalamt hatte keine »Waffengleichheit« mit der organisierten Kriminalität. Auch die Polizeibehörden der Länder agierten moderner als das BKA . Ich habe dann damit begonnen, das Amt technisch und personell neu aufzustellen, unabhängig von der terroristischen Herausforderung, die später Deutschland in Atem hielt. Die RAF war ein wirklicher Überlebenstest für die innere Liberalität unseres Landes.
    Vorab: Wir haben ihn bestanden. Wir mussten uns gegen den Terror wehren, aber ich war entschlossen, den freiheitlichen Rechtsstaat nicht aufzugeben. Ich bin bis heute davon überzeugt – und habe damals auch nach diesem Prinzip gehandelt: Unser Rechtsstaat kann nur dann stark sein, wenn er auf dem Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger beruht, aber nicht, wenn er von Misstrauen gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern getragen ist. Für mich war das die entscheidende Frage. Von der ersten Generation der RAF -Terroristen sind übrigens alle gefasst worden – und zwar ohne eine einzige Gesetzesänderung, sondern nur durch eine verbesserte Polizeiorganisation, durch mehr Polizisten, durch bessere Ausbildung und durch bessere Ausrüstung. Über allem aber stand das rechtsstaatliche

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