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Brüder der Drachen

Brüder der Drachen

Titel: Brüder der Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Weissbecker
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ich andere Menschen gesehen, nahe bei einer Stadt. Jandaldon sagt, ihr Name sei Car-Carioth. Und ich bin durch die Straßen einer zerstörten Stadt an der Küste gewandert. Eine Stadt muss faszinierend sein, wenn sie mit Menschen gefüllt ist.«
    »Ja, eine Stadt kann faszinierend sein. Du solltest einmal den Marktplatz von Car-Tiatha sehen, mit all seinen Händlern und Schaustellern. Die Luft ist erfüllt mit Düften von Gewürzen, gebratenem Fleisch und anderen Speisen, und Hunderte von Menschen drängen sich zwischen den Ständen. Aber wenn die Drachen recht haben, dann sind all diese Menschen gezeichnet von der Macht des Bösen. Ich kann das nicht glauben. Und warum vertrauen die Drachen ausgerechnet mir, obwohl ich zwei der Ihren getötet habe?«
    »Die Drachen sagen, dass nur wenige Menschen ohne Fehl sind, Menschen wie du und ich und Jandaldon. Viele sind vom Geist des Bösen berührt worden, doch das Gute ist stärker in ihnen. Andere haben weniger Kontrolle über sich selbst, sodass Thaur-Angoths Wille sie manchmal zu bösen Taten verführt. Einige wenige mögen sich seinem Willen ganz geöffnet haben. Die Drachen beurteilen den Menschen nach seinem Herzen und nicht nach seinen Taten, denn auch ein Reiner mag unwissentlich Böses tun.«
    *
    Vorsichtig stieg Jandaldon den letzten steinigen Hang hinauf, der ihn von dem Turm trennte. Durch einen kurzen Regenfall waren die Steine schlüpfrig geworden, und der Sänger fröstelte in einem kühlen Wind, der aus südlicher Richtung heranwehte. Weit im Westen war die Sonne hinter den tief hängenden Wolken hervorgetreten, die fast den ganzen Himmel bedeckten. Jandaldon trieb sich zur Eile an, denn bald würde die Nacht ihn einhüllen. Als er den Hang überwunden hatte, trennte ihn nur noch eine halbe Meile von seinem Ziel. Schon von Weitem sah er die beiden Drachen, die zusammengerollt vor dem Sockel des Turms lagen. Mit geballten Fäusten ging Jandaldon weiter, und obwohl er immer noch weit entfernt war, hoben beide Drachen plötzlich wie auf ein stilles Zeichen hin ihre Köpfe. Nun würde sich zeigen, ob der Priester die Wahrheit gesprochen hatte.
    ›Wenn Ihr wirklich die Drachen dazu bringen wollt, Euch zu töten‹, hatte er gesagt, ›warum kommt Ihr nicht mit uns? Ihr wisst, wohin wir wollen, und Ihr wisst, dass die Drachen versuchen werden, uns aufzuhalten.‹
    Jandaldon blickte dem Horizont entgegen, wo nur noch ein schmaler Streifen der Sonnenscheibe zu sehen war. Rot leuchtende Wolken erweckten dort den Anschein, als würde der gesamte westliche Himmel in Flammen stehen. Ein schöner Abend zum Sterben. Der Sänger fasste in sein Bündel und fischte den kleinen Lederbeutel heraus, den der Priester ihm gegeben hatte. Dann wandte er sich wieder dem Turm zu und ging mit entschlossener Miene weiter.
    *
    Loridan legte seinen Umhang um die Schultern der Frau, als der Abendwind kälter wurde und ein paar Regentropfen in ihren Unterschlupf wehte. Dankbar zog sie den Umhang fest um sich und lächelte den Ritter an.
    »Jandaldon ist auch immer sehr bemüht darum, dass ich nicht friere. Er hat mir auch das Kleid geschenkt, das ich jetzt trage.«
    »Es ist schade, dass du nicht mit uns kommen kannst«, sagte Loridan. »In Car-Tiatha könntest du dir ein schöneres Kleid aussuchen.«
    »Gefällt dir mein Kleid nicht? Ich mag es, denn es ist ein Geschenk von Jandaldon. Was ist besser an den Kleidern in Car-Tiatha?«
    »Das ist schwer zu sagen.« Loridan lächelte verlegen. »Die Frauen in Car-Tiatha versuchen sich dadurch zu übertreffen, dass sie schönere und teurere Kleider besitzen. Sie möchten alle schön sein und von den anderen Menschen bewundert werden. Doch ich habe in Car-Tiatha und auch in keiner anderen Stadt eine Frau gesehen, die schöner ist als du.«
    »Auch Jandaldon hat mir gesagt, dass ich schön bin.« Nachdenklich blickte die Frau den Ritter an. »Was bedeutet es, schön zu sein?«
    »Es heißt, dass es Freude bereitet, dich anzusehen. Und dass viele Männer dich begehren und lieben werden.«
    »Ich weiß nicht viel über die Menschen. Jandaldon hat mir erzählt, dass sie auch in Paaren leben, so wie die Drachen. Reicht es denn dann nicht aus, von einem Mann begehrt und geliebt zu werden?«
    »Ja, natürlich. Aber wenn du in eine Stadt wie Car-Tiatha kämest, dann würden viele Männer dir ihr Herz zu Füßen legen, und du könntest dir den aussuchen, der dir am besten gefällt.« Für einen Moment stockte Loridan, dann sah er in die Augen der Frau.

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