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Brüder der Drachen

Brüder der Drachen

Titel: Brüder der Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Weissbecker
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einen größeren Gegenstand, den er neugierig hervorzog.
    Eine kleine verzierte Schatulle war es, kaum größer als seine Handfläche. Ihre gesamte Oberfläche bestand aus silbrig glänzendem Metall, in das verschlungene Ornamente eingraviert waren. Keine Scharniere und kein Verschluss waren zu erkennen, und für einen Moment bezweifelte Timon, dass es sich bei dem Objekt wirklich um ein Behältnis handelte. Allerdings war es viel zu leicht für einen massiven Metallblock, irgendeinen Hohlraum musste es also verbergen. Eine feine Linie durchzog die Oberfläche des Kästchens, und Timon versuchte, die Klinge des kleinen Messers, das er am Gürtel trug, in den winzigen Spalt einzuführen. Eine Weile mühte er sich erfolglos ab, bis er schließlich aufgab, als er sah, dass seine Gefährten den Aufbruch vorbereiteten. Verdrossen schob er die Schatulle in Tan-Thalions Tasche zurück und machte sich auf, um auch seine Sachen zu packen. Gorm erhob sich mühsam auf seine Beine und folgte dem Jungen mit schwerfälligen Schritten.
    *
    »Ich weiß nicht, wie alt ich war, als meine Eltern getötet wurden.« Selina blickte in die Runde der Gefährten, die sich um sie herum gesammelt hatten. Seit ihrem Aufbruch waren drei Stunden vergangen, und nun stand die Sonne hoch am Himmel und schien durch das spärliche Blätterdach des Waldes hinunter.
    »Die Drachen sagten mir, dass jetzt vierzehn Jahre seitdem vergangen sind. Ich weiß auch nicht, warum meine Eltern ins Drachenland gingen und mich mitnahmen. Die Drachen fanden mich weit im Süden, bei den Ruinen einer uralten Stadt. Car-Angoth heißt sie – die Stadt des Bösen. Ich war einsam und verzweifelt, meine Eltern waren tot, getötet von den Dienern des Dunklen Herrn. Auch mich hätten sie getötet, wenn die Drachen mich nicht gerettet hätten. Nichts ist mir geblieben, das mich an meine Eltern erinnert, außer einem seltsamen Amulett.«
    »Ein Amulett?«, fragte Grimstan. »Habt Ihr es bei Euch?«
    »Nein«, sagte Selina. »Goldschuppe, mein Bruder, trägt es.«
    »Wie sieht es aus?« Grimstan zeigte eine Erregung, die er sonst nur selten an den Tag legte.
    Mit ihrem Finger zeichnete Selina eine Figur in den weichen Waldboden, ein offener Kreis auf einer senkrechten Linie, von der drei schräge Verzweigungen ausgingen.
    »Khia, das Zeichen des Steins«, sagte Grimstan. »Wenn es uns gelingt, es zu finden, dann fehlt uns nur noch Thrya, die Rune des Feuers. Wir haben eine dieser Runen, die allerdings beschädigt ist. Vielleicht können wir sie neu schmieden, dann wären die fünf Runen vollständig.«
    »Doch wer mögen deine Eltern gewesen sein?«, fragte Loridan. »Wussten sie, dass du eine Auserwählte bist, und kannten sie die Bedeutung der Rune, die sie mit sich trugen?«
    »Ja, sie wussten es.« Zu Loridans Überraschung beantwortete Grimstan die Frage. »Idene und Gildan müssen es gewesen sein, Bewahrer aus dem Süden. Sie waren auf dem Weg, um sich mit unserem Kreis zu vereinen. Widrige Winde oder die Macht des Bösen müssen ihr Schiff vom Kurs abgebracht haben. Wir dachten bisher, dass sie im Meer der Tränen umgekommen seien, offensichtlich haben sie jedoch tatsächlich das Land erreicht, allerdings am falschen Ort – zu nah an der Stadt Car-Angoth. Valkar hätte Euch mehr über sie erzählen können, wahrscheinlich kannte er sie sogar.«
    Eine Weile blickte Selina schweigend zu Grimstan, so als würde sie in ihrem Geist nach einer Erinnerung suchen, die die Worte des alten Mannes bestätigte. Endlich schüttelte sie traurig ihren Kopf.
    »Ich kann mich nicht erinnern«, sagte sie. »Allerdings … die Drachen haben mir vor langer Zeit das Meer gezeigt, und damals war mir, als hätte ich es auch zuvor schon gesehen. Und ich habe einen Traum, der von Zeit zu Zeit wiederkehrt – von einem Schiff mit flatternden Segeln und von Sturm und hohen Wellen.«
    Wieder verstummte Selina, und auch die übrigen Gefährten verharrten schweigend, bis Danira das Wort ergriff.
    »Willst du nicht mit deiner Geschichte fortfahren?«, fragte sie. »Wie kommt es, dass die Drachen dich nicht getötet haben?«
    »Loridan hat mir erzählt, dass ein Drache deinen Vater getötet hat.« Selina blickte in Daniras Augen und fasste nach der Hand des Mädchens. »Es tut mir leid, dass dies geschehen ist. Du musst die Drachen hassen, aber du hast sie nie so erlebt wie ich. Natürlich hatte ich Angst, als ich zum ersten Mal einen Drachen sah, doch als ich weglaufen wollte, stellte sich Sonnenfeuer

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