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Brüder der Drachen

Brüder der Drachen

Titel: Brüder der Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Weissbecker
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führte, erschien Loridan mittlerweile vertraut, denn schon zum dritten Mal innerhalb kurzer Zeit bewegten sie sich durch dieses Waldgebiet. Erst gestern war Loridan mit seinen Gefährten diesem Weg in der entgegengesetzten Richtung gefolgt, bis sie in der Ruinenstadt auf Valkar, Grimstan und die Kinder getroffen waren. Zwei Wochen waren vergangen, seit Tan-Thalions Reisegruppe zum ersten Mal diesen Weg benutzt hatte. Von den sechs ursprünglichen Gefährten waren nur noch zwei geblieben – Loridan und Tirandor. Tan-Thalion war tot, Sad Adan verschwunden, Herubald und Gerric auf dem Weg nach Car-Tiatha. Dafür hatten sie neue Gefährten gefunden – wieder waren sie eine Gruppe von sechs Personen, und Loridan fragte sich, welches Schicksal dieser neuen Gemeinschaft vorbestimmt war.
    Sie hatten nun mehr Reittiere, als sie benötigten, denn Timon saß vor Grimstan im Sattel, und Danira teilte sich eine Echse mit Selina. Seit die junge Frau nach ihrer langen Bewusstlosigkeit zum ersten Mal die Augen geöffnet hatte, schien eine merkwürdige Vertrautheit zwischen ihr und Danira zu bestehen. Loridan freute sich darüber, denn er sah, dass Selinas Nähe Danira half, ihre Trauer über die beiden gefallenen Gefährten zu lindern. Er hätte gerne selbst dazu beigetragen, Danira zu trösten, doch die Verantwortung für die Sicherheit der Gefährten, die nun allein auf seinen Schultern ruhte, belastete ihn schwer.
    Als es Abend wurde, schlugen sie ihr Lager etwas abseits des Weges im dichten Wald auf, und Loridan wurde bewusst, dass seine Unruhe noch einen anderen Grund hatte: Den ganzen Tag über hatte er keine Gelegenheit gehabt, allein mit Selina zu reden. Nun nutzten die Gefährten das letzte Licht des Tages für eine gemeinsame Mahlzeit, und sie sprachen wenig, denn alle waren müde und voller düsterer Vorahnungen im Angesicht der Dämmerung.
    Loridan sprach mit Tirandor und Grimstan den Wachzyklus ab, denn er wollte weder Selina noch die Kinder mit den anstrengenden Nachtwachen betrauen. Bald legten sich alle zur Ruhe, bis auf Loridan, der die erste Wache übernahm. Der Ritter setzte sich auf einen umgestürzten Baumstamm, wenige Schritte von den Ruhenden entfernt. Die Geräusche des Waldes umgaben sie – das Rauschen des Windes in den Baumkronen und von Zeit zu Zeit die Rufe der seltsamen Vögel, die hier lebten. Als sie vor zwei Wochen auf dem Weg zum Turm gewesen waren, hatten sie das Waldgebiet bald wieder verlassen, dieses Mal jedoch wollten sie seinem Verlauf weit nach Norden folgen. Nur die letzten beiden Tagereisen auf ihrem Weg nach Car-Carioth würden sie offenes Land durchqueren müssen. Das Knacken eines Zweiges ganz in seiner Nähe ließ Loridan aufschrecken, und er sah Selina, die leise an ihn herangetreten war und sich neben ihn setzte.
    »Wir konnten nicht mehr alleine reden«, sagte sie. »Seit dem Tag, als die Drachen verschwanden.«
    »Ja, wir wurden unterbrochen, als ich dir sagen wollte, wie sehr ich dich liebe.« Loridan legte einen Arm um die Schultern der Frau und zog sie sanft zu sich.
    »Ja, wir wurden unterbrochen. Dieser Tag scheint mir nun eine Ewigkeit zurückzuliegen, obwohl ich die meiste Zeit seitdem geschlafen habe. Alles ist jetzt so anders – oder vielleicht habe nur ich mich verändert?«
    »Deine Gefühle für mich – haben auch sie sich verändert?«, fragte Loridan.
    »Ich weiß es nicht.« Selina wandte sich dem Ritter zu und sah in seine Augen. »Meine Gefühle müssen erst wieder erwachen, denn immer noch fühle ich mich zerrissen und leer. Ich frage mich, ob ich wohl je wieder so empfinden werde, wie ich es tat, bevor Jandaldon in den Turm ging.«
    »Es tut mir leid, dass du so leidest. Vielleicht kann Goldschuppe dir helfen, deine alten Gefühle wiederzufinden. Aber es ist noch ein weiter Weg zum Berg des Feuers.«
    »Ja, es ist ein weiter Weg, wenn man ihn auf dem Rücken einer Echse zurücklegen muss. Und ich weiß nicht, ob wir meinen Bruder wirklich dort finden werden. Ich fühle mich so einsam ohne ihn, ohne Donnersturm und Sonnenfeuer. Ihre Zuneigung war immer um mich, denn die Liebe der Drachen wird nicht nur durch Worte vermittelt, man spürt sie, sobald man ihnen gegenübertritt.«
    »Auch die Menschen vermitteln ihre Zuneigung nicht nur mit Worten«, sagte Loridan. Sein Arm zog Selina wieder näher zu sich heran, und mit der anderen Hand strich er sanft durch ihr Haar und über ihre Wange. Schließlich näherte er sein Gesicht dem ihren, und sanft küsste er ihre

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