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Brüder der Drachen

Brüder der Drachen

Titel: Brüder der Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Weissbecker
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Stirn, ihre Wange und ihren Mund.
    »Hast du nun meine Liebe gespürt?«, fragte er.
    »Ja, ich habe sie gespürt«, sagte Selina. »Trotzdem habe ich Angst, denn ich weiß nicht, was es bedeutet, einen Menschen zu lieben.«
    »Es bedeutet, dass man sich Treue schwört für den Rest seines Lebens und darüber hinaus.«
    »Schwören? Auch Jandaldon hat dieses Wort manchmal benutzt, aber ich habe es nie richtig verstanden.«
    »Wenn man etwas beschwört, dann versichert man, dass es die Wahrheit ist, die man spricht«, erwiderte Loridan. »Bei einem heiligen Schwur kann man auch Firion selbst als Zeugen nennen.«
    »Ist denn etwas, das man sagt, ohne es zu beschwören, weniger wahr?«
    »Ja … ich meine nein … nun, manche Menschen sagen wohl immer die Wahrheit, andere nehmen es nicht so genau, dennoch würden sie nie einen Schwur auf etwas Falsches ablegen.«
    »Und wieder andere würden auch einen falschen Schwur ablegen?«
    »Ja, solche Menschen gibt es wohl – aber denkst du denn, ich würde dich betrügen, wenn ich dir meine Treue schwöre.«
    »Nein, das denke ich nicht. Trotzdem scheinen die Schwüre der Menschen mir zu willkürlich zu sein, um einen ewigen Bund auf sie aufzubauen. Wenn ich mich ewig an jemanden binden soll, würde ich den Weg der Drachen gehen.«
    »Und wie schließen die Drachen einen ewigen Bund?«, fragte Loridan.
    »Bei den Drachen gibt es keine Schwüre, denn es gibt auch keine Lügen. Und ohnehin würden sie keine Versprechen auf die Ewigkeit geben, denn obwohl sie weit länger leben als die Menschen, wissen sie doch, dass die Ewigkeit nur in den Händen Aeons liegt. Wenn zwei Drachen zusammengehören, so spüren sie dies in ihren Herzen, und es braucht dazu keine Worte und kein Versprechen. Wenn zwei Drachen sich verbinden wollen, so tun sie dies zuerst ihren Eltern kund, und auch diese prüfen die Herzen ihrer Söhne oder Töchter.«
    »Aber wie können wir beide diesen Weg gehen?«, fragte Loridan. »Mein Herz sagt mir, dass du die Frau bist, auf die ich schon immer gewartet habe. Aber vielleicht spricht mein Herz nicht so laut wie das Herz eines Drachen, wenn du seine Stimme nicht hören kannst. Und wie können wir unsere Eltern befragen, denn deine und auch meine Eltern leben nicht mehr.«
    »Meine leiblichen Eltern sind tot, doch Donnersturm und Sonnenfeuer leben. Ohne ihre Zustimmung kann ich dir nicht die Hand zum ewigen Bund reichen.«
    »So soll es also sein«, sagte Loridan. »Wir werden im Berg des Feuers nach deinem Bruder suchen, und dann soll unsere Reise noch weiter in den Norden gehen. Ich werde Donnersturm und Sonnenfeuer gegenübertreten, und ich werde mehr Angst haben, als ich je zuvor im Angesicht eines Drachen empfunden habe.«
    *
    Die vier Männer hatten sich in dem kleinen Haus versammelt, das ihnen schon so oft als Treffpunkt gedient hatte. Sie befanden sich in einem Raum im Erdgeschoss, und durch das geöffnete Fenster drang die immer noch warme Abendluft herein. Auf dem Tisch, an dem sie saßen, standen ein Krug und mehrere Becher bereit.
    »Zum letzten Mal sind wir vier heute hier an diesem Ort versammelt«, sagte der Einäugige. » Fünf hat uns schon vor mehreren Wochen verlassen. Nun ist es an der Zeit, den nächsten Schritt zu tun.«
    »Ein sehr bedeutender Schritt ist es, den wir planen«, sagte der Seefahrer. »Ich hätte mir gewünscht, diesen Tag mit einem Krug Wein zu feiern.«
    »Ich wette, dass du die letzte Nacht genügend Weinkrüge geleert hast, Vier . Doch damit ist jetzt Schluss – du wirst noch in dieser Nacht diesen verdorbenen Menschenkörper aufgeben, der dich mit seinem ständigen Weindurst vom rechten Pfad ablenkt.«
    »Umso mehr hätte ich mir einen letzten Schluck Wein zu meiner Henkersmahlzeit gewünscht.«
    »Höre jetzt auf damit, dich zu beklagen. Wir dürfen unseren Geist nicht benebeln, denn wieder einmal wollen wir zwei Beschwörungen in einer Nacht wagen. Zwei Bluttrinker werden wir herbeirufen, und Drei und Vier werden deren Körper übernehmen. Bald wirst du deine Vorliebe für Wein vergessen haben, denn von nun an soll das Blut der Menschen dich erquicken.«
    »Ich zumindest freue mich schon auf die erste Gelegenheit, diesen Saft zu kosten«, sagte der Schmied. »Und ich fiebere dem Tag entgegen, da ich unseren alten Turm wiedersehen werde – und Thaur-Angoth, unsere heilige Stadt.«
    »Wir alle werden unsere Stadt bald wiedersehen«, sagte der Einäugige. »Die Zeit des Versteckens ist jetzt vorbei. Wir müssen unsere

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