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Brüder der Drachen

Brüder der Drachen

Titel: Brüder der Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Weissbecker
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offensichtlich schon recht tief in den Bierkrug geschaut hatte. Silvan war sein Name, und er gehörte zu der Eskorte, die Deryn während der gesamten Reise begleitet hatte. Deryn hatte die Gelegenheit genutzt und sich bei dem Mann untergehakt, um sich unauffällig von dem Haus des Schreibers entfernen zu können. Wenig später hatte Silvan ihn eine Treppe hinuntergezogen, die zu einer überfüllten Schankstube führte. Dort saß Deryn nun schon eine geraume Zeit inmitten einer bierseligen Gesellschaft und wartete auf eine gute Gelegenheit, sich von seinem Gefährten zu trennen.
    Der Soldat hatte sich offensichtlich in keiner Weise darüber gewundert, einen königlichen Boten nachts aus einem dunklen Hinterhof kommen zu sehen. Eigentlich war daran auch nichts Ungewöhnliches, denn an diesem Abend liefen viele Männer durch die Straßen, die zu viel Bier getrunken hatten und sich irgendwo erleichtern mussten. Trotzdem hatte Deryn sich vorgenommen, das Erinnerungsvermögen des Soldaten durch einen anständigen Vollrausch zu trüben. Die Umsetzung dieses Plans war indes schwieriger als erwartet, denn obwohl Silvan schon vor ihrem Treffen angetrunken gewesen war, konnte er immer noch eine gehörige Menge Alkohol vertragen. Schon hatte der Soldat den dritten Bierkrug geleert, und er schien immer noch nicht genug zu haben.
    Mit einer Geste winkte Deryn die Schankmagd herbei, um einen weiteren Krug für seinen Saufkumpan zu ordern. Es dauerte eine Weile, bis die dunkelhaarige junge Frau mit dem bestellten Bier erschien, denn die Schankstube war voller Menschen, die das Verschwinden der Drachen feiern wollten. Die Schankmagd trug ein offenherziges Kleid und schien sich über das Gejohle der Männer zu freuen, als sie sich weit über den Tisch lehnte, um die leeren Krüge einzusammeln. Sie zeigte Deryn ein anzügliches Lächeln, das dieser leicht gequält erwiderte, während er ein Silberstück auf ihr Tablett warf, um für das gebrachte Bier zu zahlen. Die Magd war durchaus hübsch, aber sie hatte keinen Anstand.
    Deryns Gedanken schweiften zu Elaine – nur ein paar hundert Schritte war sie nun von ihm entfernt, und doch hatte er es heute nicht geschafft, sie zu sehen. Er nahm sich fest vor, sich diesen Herzenswunsch am nächsten Tag zu erfüllen. Vielleicht konnte sie ihm auch helfen, seine schwere Aufgabe zu bewältigen. Die Fürsten mussten erfahren, dass ihr Schreiber in seltsame Machenschaften verstrickt war. Sie mussten davon überzeugt werden, dass sie Gweregons Krieg nicht unterstützen durften. Und auf jeden Fall musste Deryn dafür sorgen, dass Elaine nicht in diesen Krieg hineingezogen wurde.
    »Bist ’n guter Kumpel.« Die Stimme des Soldaten riss Deryn aus seinen Gedanken. Erfreut stellte er fest, dass der Alkohol endlich Wirkung zeigte, denn der Soldat schwankte merklich, als er den frisch gefüllten Krug zu einem tiefen Schluck anhob. Eine Weile kämpfte Silvan noch gegen seinen Rausch an, bis schließlich sein Kopf mit einem dumpfen Aufschlag auf die Tischplatte sank. Entschlossen erhob sich Deryn von der langen Sitzbank, in diesem Moment allerdings richtete der Angetrunkene sich wieder auf und schaute ihn an.
    »Heh, Kumpel, lass uns heimgehen!«
    Resigniert ging Deryn um den Tisch herum, um dem Soldaten auf die Füße zu helfen, und gemeinsam erstiegen sie mühevoll die lange Treppe, die sie wieder an die frische Luft führte.
    »Bist wirklich ’n guter Kumpel«, sagte der Soldat, als sie gemeinsam durch die dunklen Straßen wankten. »Hast echt Glück, dass ich bei dir bin, um auf dich aufzupassen. Harellan hat gesagt, dass wir gut auf dich aufpassen sollen. Weil er meint, du wärst ’n Verräter. Biste aber nich’. Bist ’n guter Kumpel. Wenn Du ’n Verräter wärst, müssten wir dich …« Mit seinem rechten Zeigefinger zog Silvan eine Linie über seinen Hals.
    Mühsam bekämpfte Deryn die Panik, die in ihm aufsteigen wollte. Hatten die Soldaten, die ihn begleiteten, wirklich den Befehl, ihn zu töten? Insgeheim beglückwünschte Deryn sich zu den Entschlüssen, die er an diesem Abend gefasst hatte – es war richtig gewesen, Grostan zu verfolgen, und es war auch richtig gewesen, sich mit diesem versoffenen Soldaten einzulassen. Er hatte wichtige Dinge erfahren in dieser Nacht: Grostan war hier, und er war mehr als ein selbst ernannter Richter in einer toten Stadt. Wingald der Schreiber gehörte auch zu der finsteren Verschwörung, von der Loridan ihm heute erzählt hatte. Und er selbst war in

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