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Brüder der Drachen

Brüder der Drachen

Titel: Brüder der Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Weissbecker
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tauchten wieder Gräser und Büsche auf, und es war deutlich wärmer als während der letzten Tage. Sie ritten weiter, bis die Dämmerung hereinbrach und die Rauchsäule des Feuerberges schwarz gegen den goldenen Abendhimmel erschien. Als sie eine Gruppe von hoch aufragenden Felsen erreichten, zwischen denen eine geschützte Geröllfläche lag, beschloss Loridan, das Lager aufzuschlagen.
    Sie spannten Zeltplanen auf, um sich vor dem kühlen Abendwind zu schützen, doch wie schon in den Nächten zuvor verzichteten die Gefährten darauf, ein Feuer zu entzünden, denn sie fürchteten eine Entdeckung durch die Augen ihrer Feinde. Im letzten Licht der Dämmerung saßen sie beisammen, aßen kaltes Fleisch und trockenes Brot, während sie Selinas Stimme lauschten, die leise zu ihnen sprach.
    »Dieser Berg war mein Zuhause in den letzten Jahren. Es ist ein wunderbarer Ort, denn er bietet Wärme und Geborgenheit, Höhlen voller glänzender Kristalle und geheimnisvolle Grotten mit warmem Wasser. Doch es gibt auch verborgene Gänge, tief und dunkel, die früher Thaur-Angoths Geschöpfen als Wohnung dienten. Niemand weiß, welche Geheimnisse diese Höhlen bergen, denn die Drachen sind zu groß, um dorthin vorzudringen, und mir haben sie es nicht gestattet. Und manchmal ist auch der Berg selbst eine Bedrohung, denn von Zeit zu Zeit ist er zornig, und seine Wut lässt die Erde erbeben. Die Drachen verstehen die Sprache des Berges, und sie wissen, wo ihnen Gefahr droht. Ohnehin haben sie keine Furcht vor dem Feuer, das aus der Tiefe kommt. Nur um mich waren sie stets besorgt, denn ich kann keine große Hitze ertragen. Und sie sorgen sich um ihre Eier, die an einem geheimen Ort tief im Inneren des Berges verborgen sind.«
    Selina verstummte, und Lardin nutzte die Gelegenheit, um das Wort zu ergreifen.
    »Eine lange Zeit haben die Drachentöter sich gefragt, wie die Drachen leben und sich vermehren«, sagte er. »Nun bin ich erfüllt von Staunen, denn nie hätte ich geglaubt, dass sie liebevolle Geschöpfe sind, die ihre Nachkommen hüten und sich um ihre Artgenossen kümmern.«
    »Und doch ist es so«, fuhr Selina fort. »Als die Drachen zum ersten Mal durch Thaur-Angoths Macht vertrieben wurden, lebten sie lange Zeit in großer Sorge. Es gibt nicht viele Orte auf dieser Welt, die den Drachen als Bruthöhle dienen können, denn die Eier brauchen ständig eine große Hitze, damit sie sich entwickeln können. Als die Drachen vor langer Zeit in den Norden verbannt wurden, fanden sie zunächst keinen Ort, der ihnen geeignet erschien. Schließlich entdeckten sie ein Gebiet weit im Norden, wo Eis und Schnee das Land für einen großen Teil des Jahres bedecken. Trotzdem gibt es dort auch Quellen von siedendem Wasser, das aus dem Boden emporsteigt. Die Drachen haben diesen Ort erst spät erkundet, denn sie lieben das Wasser nicht. Doch eben an diesem Ort ist eine neue Bruthöhle entstanden, und die Eier der Drachen können dort gedeihen – auch wenn es nur wenige sind.
    Die Zahl der Drachen hat in den letzten Jahrhunderten abgenommen. Nur selten kommt es dazu, dass weibliche Drachen Eier hervorbringen, und diese brauchen eine lange Zeit zum Reifen. Nicht einmal die Drachen selbst können sagen, wie lange es dauert, bis aus einem Ei ein neuer Drache schlüpft. Es kann zehn Jahre dauern, aber auch hundert. Viele Eier öffnen sich niemals – besonders wenn sie an einem ungeeigneten Ort abgelegt werden. Goldschuppe ist einer der wenigen jungen Drachen, die es heute gibt. Er ist vor fünfzehn Jahren geschlüpft, hier in diesem Berg. Und es war das gleiche Jahr, in dem auch ich zu den Drachen kam. Daher sind wir wie Geschwister aufgewachsen.«
    »Denkst du, dass Goldschuppe immer noch hier ist?«, fragte Loridan.
    »Ich weiß es nicht. Seit Tagen ist mein Geist leer, aber ich kann nicht sagen, woran dies liegt. Entweder sendet Goldschuppe keine Gedanken mehr aus, oder ich habe die Fähigkeit verloren, die Sprache der Drachen zu verstehen.«
    »Wir werden bald Gewissheit haben«, sagte Loridan. »Morgen werden wir den Berg erreichen.«
    »Ja, morgen werden wir mehr wissen.« Selinas Stimme klang traurig.
    Der letzte Rest des Tageslichts war inzwischen vergangen, nur hinter der Silhouette der östlichen Berge hatte der wolkenlose Himmel bereits einen silbernen Schein angenommen. Eril-Firion war aufgegangen, und sein Licht würde bald die Nacht erhellen. Die Gefährten teilten die Wachen ein, und die meisten legten sich zur Ruhe.
    Auch Grimstan

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