Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brüder der Drachen

Brüder der Drachen

Titel: Brüder der Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Weissbecker
Vom Netzwerk:
aufbrichst. Doch genug davon! Wir lassen euch nun allein … und hüte dich, dass ich morgen keine Beschwerden von meiner Elaine höre.«
    *
    Über dem westlichen Horizont lag noch die Röte der Abenddämmerung, gegen die sich die Mauern der Stadt als schwarze Umrisse abzeichneten. Im Süden hatte das Meer sich in konturlose Dunkelheit gehüllt, doch das stetige Rauschen der Brandung gegen die Uferbefestigung des Hafens erfüllte die noch junge Nacht. Auch das Knarren von Schiffsplanken war zu hören, denn zwischen den vielen kleinen Booten und Kähnen hatten zwei große, hochseetüchtige Schiffe angelegt. Leise erklangen die harschen Rufe der Ghyas, die man auch Sturmvögel nannte – die federlosen Flugechsen verbrachten die Nächte schwimmend auf dem Wasser, und offenbar hatte sich eine große Zahl von ihnen im Hafenbecken gesammelt. Eril-Firion stand weit im Osten am sternengeschmückten Himmel. Aus einer Hafenschenke drangen der Klang von Musik und das laute Stimmengewirr einer ausgelassenen Gesellschaft.
    In Gedanken versunken saß Jandaldon auf dem hölzernen Anlegesteg. Sein Blick war hinaus aufs Meer gerichtet, und nur halb bewusst zupften seine Finger die Saiten seiner Laute. Die Melodie, die erklang, war langsam und traurig. Der Sänger überlegte, ob er in das Wirtshaus gehen sollte, um sich mit seiner Musik ein paar Münzen zu verdienen. Er würde Geld benötigen, um seine Fahrt in den Süden fortzusetzen.
    Die Reise vom Turm hierher hatte bereits einen guten Teil seiner kärglichen Ersparnisse gekostet. Nur während der ersten acht Tage hatte er keine Gelegenheit gehabt, Geld auszugeben. Umso mehr hatte ihn die Reise ausgezehrt, denn er war jeden Tag von morgens bis abends marschiert und hatte nur wenig Zeit damit verbracht, Jagd auf Sandechsen oder andere essbare Tiere zu machen. Eine seltsame Aufgewühltheit hatte ihn vorangetrieben – weg von dem Turm, weg von den finsteren Geschöpfen, die ihn gejagt hatten, und weg von den Menschen, die er verraten hatte. Er war erschöpft und halb verhungert gewesen, als er in Car-Osidia angekommen war. Dort hatte er sich schweren Herzens von ein paar Münzen getrennt, um sich einmal satt zu essen und sich einen Platz auf einem Boot zu sichern, das auf dem Gwengol nach Süden fuhr.
    Gwengol – der Königsfluss – so wurde der Wasserlauf genannt, seit vor fünfzig oder sechzig Jahren die Truppen des Königs diesen Weg wählten, um tief in das Land der rebellischen Fürsten vorzudringen. Schon in Car-Osidia war der Königsfluss für kleine Lastkähne schiffbar, doch Jandaldon hatte es vorgezogen, sich zwei Männern anzuschließen, die mit einem kleinen Ruderboot den Fluss hinunterfahren wollten. Das Boot bot wenig Bequemlichkeit, und Jandaldon hatte sich eifrig an der Arbeit des Ruderns beteiligt. Etliche Tage hatten sie auf dem Fluss zugebracht, zehn vielleicht oder zwölf, der Sänger hatte sie nicht gezählt. Es hatte sonnige Tage gegeben und manchmal auch Regen, der sie bis auf die Haut durchnässt hatte. Sie hatten sich jeden Tag vom Morgen bis zum Abend von der Strömung des Flusses vorantragen lassen, und zusätzlich hatten sie viele Stunden am Tag gerudert. Die Abende und Nächte hatten sie an Land verbracht, um sich eine Mahlzeit zuzubereiten und zu schlafen.
    Nur ein einziges Ereignis hatte es gegeben, das sich Jandaldon eingeprägt hatte. Der Fluss hatte sie in die Stadt Car-Siradhon geführt, wo sie eine Weile gerastet hatten. Am Abend hatte der Sänger in einem der besseren Stadtviertel auf seiner Laute gespielt, und dort hatte er den Fürsten Navaris getroffen. Der Fürst war ein schlanker Mann, der in seiner Kettenrüstung und dem Waffenrock in den Farben Weiß und Blau eine stattliche Erscheinung abgab – ein strahlender Ritter, jung und fröhlich, doch auch kampferprobt und voller Selbstbewusstsein.
    »Ihr singt von Drachen, mein Freund«, hatte der Fürst gesagt. »Habt Ihr jemals einen von ihnen gesehen?«
    »Ja, ich bin vielen Drachen begegnet«, war die Antwort des Sängers gewesen. »Ich suchte den Tod im Drachenland, doch die Drachen töteten mich nicht.«
    »Ihr seid der Sänger aus dem Drachenland? Weit im Süden liegt meine Stadt, und das Land der Drachen ist nur eine ferne Legende für uns. Dennoch habe ich von Euch gehört, denn Ihr seid ein Teil dieser Legende. Warum habt Ihr nun das Drachenland verlassen?«
    »Es wäre eine lange Geschichte, dies zu erzählen.«
    »Trotzdem würde ich sie gerne hören. Wenn Euer Weg Euch weiter in

Weitere Kostenlose Bücher